Der richtige Mann am richtigen Platz
Ein Konzert der Extraklasse. Alles passt - so etwas lässt sich der Bildungsbürger sehr gerne gefallen. Im Musikverein zeigt das Tonkünstler Orchester Niederösterreich eine exzellente Performance. Einen Großteil davon darf Dirigent Gilbert Varga für sich verbuchen. Der kleine drahtige Brite beherrscht sein Metier. Mit seinem Dirigat erinnert er sehr an den Ex-Chef der Tonkünstler. Und den Musikern scheint das zu gefallen. Das Gesamtkunstwerk wird beim Publikum abgeliefert. In jüngster Vergangenheit hatte das Orchester mitunter nicht so ein glückliches Händchen bei der Wahl des Dirigenten. Auch der Pianist Javier Perianes, der bei seinen letzten Wien-Auftritt gute Handwerksarbeit abgeliefert hatte, war nun sehr inspiriert, mit deutlicher Musiksprache. Seine Zugabe - "lyrischen Stücke" von Edvard Grieg. war ein unglaubliches feinnerviges Kunstwerk. Es ist still im Saal, kein Husten stört die Szene, einfach himmlisch.
Zum Konzert: Was Felix Mendelsohn Bartholdy zu Lebzeiten versagt blieb – er war getaufter Jude – wird in der Gegenwart nachgeholt. Kaum ein Konzertveranstalter lässt die Werke des deutschen Komponisten links liegen. Auch nach dem Krieg kamen seine Werke nur sehr spärlich zur Aufführung. Antisemitismus war vor und nach den Feldzügen ein bestimmendes Thema. Mit der Hebridenouvertüre läuten die Tonkünstler die künstlerische Weihestunde ein. „Alle meine Werke gäbe ich darum, wenn ich so eine Ouvertüre hätte schreiben können“ sagte Johannes Brahms. Im grauen Winteralltag ist die erhebende Melodie ein natürliches Mittel gegen Depression.
Robert Schumann brauchte lange Zeit um das „Konzert für Klavier und Orchester e-moll op.54“ fertigzustellen. Der erste nicht öffentliche Auftritt fand unter dem Dirigat Mendelssohns in Leipzig statt, am Klavier seine Frau Clara. „Was lange währt, wir (schluss-)endlich gut“, lautet ein Sprichwort. Die Tonkünstler spielen die drei Sätze mit viel Animo, die Orchestergruppen kommen dank Varga zu einer anmutigen Ausdruckskraft. Ein wunderbares Ensemble.
Dies findet auch in Tschaikowskis „Symphonie Nr.6 h-moll op 74“ – kurz „Pathétique“ genannt, seinen Niederschlag. Nur neun Tage nach der Uraufführung starb der große russische Komponist. Über sein Ende gibt es nur Spekulationen. Nach Aussage seines Bruders infizierte er sich mit der damals in St. Petersburg grassierenden Cholera, als er aus Unachtsamkeit ein Glas unabgekochtes Wasser trank. Nach einer anderen These hat er sich wegen seiner Homosexualität mit Arsen vergiftet, da ihm dies von einem „Ehrengericht“ nahegelegt wurde. Es ist eine düstere Symphonie, ein Abgesang an eine versinkende Epoche. Acht Bässe künden von Untergang und Trauer. Die romantische Zeit ist vorbei. Der vierte Satz klingt nach mehreren Versuchen des Aufbegehrens in stiller Verzweiflung aus.
Gilbert Varga findet die richtige Stimmung, die Verherrlichung im dunklen Spiel, er formt ein betörendes Klanggemälde mit allen Facetten der Trauerkultur. Die Tonkünstler folgen seinen präzisen Schlägen, das Publikum ist atemlos und bricht dann in Jubel aus.
Noch einige Kulturnotizen.
Reise und Wein im Steinbruch
Die Oper im Steinbruch von St. Margarethen bietet neben Tickets für "Der Liebestrank" ("L'elisir d'amore") auf der Ruffinibühne auch Weihnachtsgeschenke rund um das Opernerlebnis an. Der "Liebestrank-Rotwein" im edlen Geschenkkarton könnte noch ein Lastminute-Geschenk sein, oder eine Einladung zu einer Italien-Reise auf den Spuren des Komponisten Gaetano Donizetti. Buchen kann man telefonisch im Festspielbüro unter +43 2682 65 0 65 oder bequem online auf www.operimsteinbruch.at
Konzerthaus: Jazz-Zeiten
Im Jänner brechen im Konzerthaus Jazz-Zeiten an.
Christian Muthspiel Quartett: «Seaven Teares, a tribute to John Dowland» am 21.1.2016
Wolfgang Puschnig / schnittpunktvokal / Insingizi
«ources: Songlines – a vocal world» am 25.1.2016
Kurt Rosenwinkel
«Our Secret World» am 29.1.2016
Infos und Tickets: www.konzerthaus.at
Reinhard Hübl
Du möchtest selbst beitragen?
Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.