Wenn kleine Leute die Macht übernehmen
“Worum es hier geht: Um Leben und Werk. Um Klatsch und Trash. Um Leben und Tod. Wir sitzen im Café, sehen auf die Promenade im Sonnenlicht oder den Boulevard am Abend, und die Welt plappert vorbei. Bunt und roh, flüsternd und keifend, hell auflachend, bitter, mit einem unterdrückten Weinen. Mit einem tiefen Seufzer, in dem alle Lust und alles Weh zergeht.” Aus dem Vorwort von Benedikt Erenz im Buch „Das drucken Sie aber nicht“ von Sven Michaelsen. Wer könnte die Theaterszene besser beschreiben. Die Last nach einer Aufführung fällt erst ab, wenn man sich entspannt - durch Saufen, Zigaretten im Übermaß, Tanzen wie in Trance, hystischerisches Zerreden des Stücks oder tiefe Depression im Ankleidezimmer. In jungen Jahren war ich mit einer kleinen Theatergruppe unterwegs. Ich habe alles erlebt - bis zu Suizidgedanken wegen der eigenen Unvollkommenheit.
In „Der Garderober” wird Theater im Theater gemacht, und zwar in den Kammerspielen. Der Garderober sieht alles, weiß alles, steuert alles. Getragen wird die Tragikomödie von Ronald Harwood, einem alternden Star, der seine Launen und Befindlichkeiten an der Theatergruppe auslässt, und eben von dessen Garderober. Der „Sir“, soll „König Lear“ zum 228. Mal spielen. Er zweifelt an seiner Darstellungskraft. Warum soll ich mir das antun, meint er sinngemäß. Spielt hinter der Bühne den sterbenden Schwan, versucht die eigene Vita zu ruinieren. Nur Norman (sein Garderober) weiß, wie man ihn anpacken muss, damit er auf die Bühne geht. Alles hat sich ihm unterzuordnen. Jede Abweichung von der Norm wird sofort geahndet. Die Subalternen sind nur Stichwortbringer im Stück und im Souterrain. Selbst wenn den Star quasi auf die Bühne geschleppt werden muss, haben alle anderen Akteure zu kuschen, denn Norman fährt die Nägel aus, wenn es nicht so abläuft, wie er sich das vorgestellt hat. Er ist über alle Krisen erhaben.
In der Regie von Cesare Lievi spielen in den Hauptrollen Martin Zauner, der allgegenwärtige Garderober Norman, und Michael König, der Sir. Eine famose Zweierbesetzung!
Nächste Vorstellung ist am 15.9.18 in den Kammerspielen.
Reinhard Hübl
PS.: Spannende Aufführungen beschert uns der Direktor des Theaters in der Josefstadt, Herbert Föttiger, in der Saison 2018/19. Ein Auszug daraus: Gestartet wird mit der Urführung von „Die Reise der Verlorenen“ von Daniel Kehlmann. Mit Daniel Glattauer kann man „Vier Stern Stunden“ sehen - auch eine Uraufführung. “Josef und Maria, 1980 im Volkstheater uraufgeführt, ist ein Weihnachtsmärchen von Peter Turrini und findet in den Kammerspielen statt. „Der Besuch der alten Dame“, jüngst auch im Burgtheater zu sehen, kommt im Oktober in die Josefstadt. Es ist ein fulminates Feuerwerk an neuen Werken, die zum Besuch einladen.
Alle Angebote finden Sie unter: www.josefstadt.org. Hier gibt es auch attraktive Abos.
Reinhard Hübl
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