Ein verschlossenes Buch und wie es ein Inder öffnet
Der Halbmond lächelt wohlwollend auf den Wolkenturm in Grafenegg. Gelegentlich verdrückt er ein Tränchen. Der erste und zweite Satz von Bruckners Achter wirken etwas uninspiriert , um dann in den folgenden Sätzen zu voller Form aufzulaufen. Vor allem im 3. Satz werden alle Feinheiten des Werkes voll ausgekostet. Das deutlich verjüngte Israel Philharmonic Orchestra spielt um Klassen besser als noch vor cirka drei Jahren. Damals gastierten sie auch in Grafenegg. Sie führten die Hitparade meiner schlechtesten Konzerterlebnisse an.
Stardirigent Zubin Mehta - aus einer indischen Künstlerfamilie stammend - leitet das Konzert mit der Akribie und Leichtigkeit eines erfahrenen Dirigenten. Er fördert junge Talente, ist ein musikalisches Bindeglied zu palästinensischen und jüdischen Musikern - versucht ein Friedensstifter zu sein. Das prägt den Menschen Mehta und seine Musik. Es ist alles nicht so wichtig, scheint er auszustrahlen.
Zurück zum Konzert: „Ein Mysterium“ nennt Bruckner seine 8. Symphonie. Der Kirchenmusiker hatte anfangs mit seinem Werk nur wenig Glück. Herrmann Levi - Sohn eines Rabbiners - fand es wenig gelungen. Er, der selbst komponierte und dirigierte, fand den letzten Satz als „verschlossenes Buch“. Bruckner arbeitete die Symphonie mehrfach um, so wie sie heute zu hören ist. Levi was damals das Maß aller musikalischen Dinge, ein Karajan seiner Zeit. Seine Ablehnung stürzte Bruckner in bittere Verzweiflung.
Das Israel Philharmonic Orchestra gefiel vor allem in den leisen, spirituellen Phasen. Das Orchester beherrscht perfekt, die Verdichtung der Gefühle zu illustrieren, um dann gleich mit Vehemenz und üppigem Klang ein heroisches Finale zu spielen. Maestro Mehta - gehandicapt durch eine Fuß-OP - dirigiert sitzend, was seiner Kunstfertigkeit keinen Abbruch macht. Er ist eine Leitfigur der Orchesterleitung.
Dennoch: Ein Abend der gemischten Gefühle.
Next: 27./28.8. spielt das Boston Symphony Orchestra unter der Leitung von Andris Nelson Gustav Mahler.
Infos und Tickets: www.grafenegg.com
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