Eine musikalische Erektion zwischen Musikverein und Grafenegg
Gepriesen sei Herr, ob jüdisch, protestantisch oder katholisch, alle drei Religionen hat Felix Mendelssohn Bartholdy durchlebt. Die Eltern waren Juden, die zum Protestantismus konvertierten, bis Mendelssohn seine Erfüllung im Katholizismus fand. Ob der weniger spießig war als der Calvinismus wage ich zu bezweifeln. Doch: Einem Menschen die Gnade zuteil werden lassen, herrliche Musik zu schreiben, ist Segen für den Künstler und alle diejenigen, die seine Musik hören dürfen. Atheisten würden vermutlich nicht von Gnade, sondern von Talent sprechen. Es wird wohl beides sein. Im Musikverein und in Grafenegg finden Mendelssohn-Festspiele des Meisters statt. Und zwar von den Niederösterreichischen Tonkünstlern unter ihrem Chefdirigenten Andrés Orozco-Estrada. Mendelssohns Arbeit wurde von vielen Kollegen verehrt, geschätzt, und seine Lebenseinstellung machte ihn zu einem Förderer aufstrebender Künstler.
In der deutschen „Welt“ vom 6.4.2014 schrieb der Biograf R. Larry Todd über das Universalgenie: Das Wunderkind Felix berichtete seinen Eltern aus Weimar: "Alle Nachmittag macht Goethe das Streichersche Instrument mit den Worten auf: ich habe dich heute noch gar nicht gehört, mache mir ein wenig Lärm vor." Mit 12 Jahren verblüffte Felix Mendelssohn den alten Goethe und die Musikwelt. Mit 17 komponierte er die Ouvertüre zum "Sommernachtstraum". Mit 20 rettete er Bachs "Matthäuspassion", die fast ein Jahrhundert nicht aufgeführt worden war, aus der Vergessenheit. Er war ein Klavier- und Orgelvirtuose, nebenbei auch Maler, dessen Improvisationskunst und außergewöhnliche Fähigkeit, Musik aus dem Gedächtnis zu spielen, legendär war. 1840 imitierte er mit erstaunlicher Leichtigkeit virtuose Variationen von Franz Liszt. Zwei Jahre nachdem er Wagners erste Version der Venusberg-Musik für den "Tannhäuser" gehört hatte, reproduzierte Mendelssohn sie mühelos auf dem Klavier.“
In der Nazizeit war seine Musik verfemt, wie von vielen anderen jüdischen Künstlern auch. Die braune Brut ließ in Leipzig eine Statue entfernen, die sie während des Zweiten Weltkriegs einschmolz. Ungeheuerliches passierte in totalitären Regimen, in Russland Stalin und in Deutschland Hitler. Auch heute, wenn auch nicht in dieser Brutalität, werden ungeliebte Freiheiten eingeschränkt. Die türkischen Pianistinnen Ferhan und Ferzan Ödner machten das nach dem Konzert für zwei Klaviere und Orchester in As-Dur vor der Zugabe klar. Mit dem politischen Statement „Verbot oder Einschränkung von Freiheit sei eine Einschränkung der Kultur“, das sie an die Regierung um Recep Tayyip Erdoğan richteten, baten sie um Unterstützung für ihr Anliegen. Nach der politischen Manifestation folgte die musikalische (Astor Piazzollas „Libertango). War es Wut, Verzweiflung, Virtualität, Enthusiasmus, was die zwei Pianistinnen einem Klavier vierhändig entlockten? Dem Publikum im Saal stockte der Atem, um dann in Jubel auszubrechen.
Andrés Orozco-Estrada und seinem Orchester ist es zu danken, dass der USP (unique selling proposition) in allen Positionen gewahrt wird. Sei es durch die Aufführung großer Werke (z.B. Die Rückkehr zum Leben), durch das Engagement von einzigartigen Solisten, oder die Interpretation selten gespielter Musikstücke und Auftragswerke. Seinem Nachfolger wird er große Schuhe hinterlassen.
Bevor ich mich weiter über die bravouröse Ausrichtung der künstlerischen Leitung verbreite, füge ich hinzu, dass durch die Darbietung von Mendelssohns „Italienischer“, der Reformationssymphonie und einiges mehr, ein wunderbarer Überblick über musikalische Kostbarkeiten von Mendelssohns Oeuvre geschaffen wurde. Sowohl im Crescendo, als auch im Deklamieren feiner Töne sind die Musiker aus Niederösterreich wahre Meister. Besonders hervorgehoben sollen die Bläsergruppen werden, sowohl Blech als auch Holz. Das Zusammenspiel aller ist das Elixier für gelungene Aufführungen. Meine Endorphine sind ausgeschüttet worden. Danke!
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20.4.2014, Grafenegg, 18,30
INTERPRETEN
Niederösterreichische Tonkünstler
Tschechischer Philharmonischer Chor Brünn,
Petr Fiala, Choreinstudierung
Jun Märkl, Dirigent
PROGRAMM
Anton Bruckner
Locus iste für vierstimmigen gemischten Chor a cappella
Franz Schubert
Symphonie Nr. 7 h-moll D 759 «Unvollendete»
Anton Bruckner
Messe für achtstimmigen gemischten Chor und Blasorchester Nr. 2 e-moll (Fassung 1882)
tickets@tonkuenstler.at oder via Internet.
Reinhard Hübl
Anton Bruckner
Messe für achtstimmigen gemischten Chor und Blasorchester Nr. 2 e-moll (Fassung 1882)
tickets@tonkuenstler.at oder via Internet.
Reinhard Hübl
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