M. Christian Ortner im Gespräch
"Ich halte nichts von Polemik"
Im Gespräch mit der bz sprach M. Christian Ortner, Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums, über die Kritik am Haus, die geplante Modernisierung und die Auswirkungen der Coronakrise auf das Museum.
LANDSTRASSE. "Nicht mehr zeitgemäß" und "insgesamt unzureichend": So bezeichnete eine Expertenkommission die Ausstellung "Republik und Diktatur" des Heeresgeschichtlichen Museums (HGM). Aufgrund der Zusammenstellung der Objekte sei eine Missinterpretation der Inhalte möglich. Empfohlen wurde eine Neuaufstellung. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) stellte diese nun in Aussicht.
„Mit dem HGM verfügen wir neben einem großartigen Museum auch über viel Verantwortung gegenüber unserer Geschichte, der Geschichte unseres Militärs und der dunkelsten Stunden unserer Zeit", so Tanner. "Die kritische und differenzierte Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Dritten Reichs ist mir hierbei ein besonderes Anliegen. Da dies besonderes Feingefühl benötigt, habe ich vor, auf Basis der Ergebnisse der Kommissionsberichte, Teile des Museums neu zu gestalten.“ Der erste Bericht der Kommission unter der Leitung Wolfgang Muchitsch ist bereits abgeschlossen, der zweite Bericht wird nun beauftragt. In den Prozess eingebunden werden sollen auch internationale Experten.
Die bz hat mit dem Direktor des HGM, M. Christian Ortner über das Thema gesprochen.
Sie hatten im letzten Jahr mit heftiger Kritik zu kämpfen. Waren Sie überrascht über die Diskussion?
Die Kritik in dieser drastischen Art und Weise ist erst im letzten halben Jahr aufgekommen. Bis dahin sind wir als Heeresgeschichtliches Museum eigentlich sehr erfolgreich gewesen. Wir haben in den letzten zehn Jahren unsere Besucherzahlen mehr als verfünffacht, die Einnahmen mehr als vervierfacht. Wir führen eine sehr intensive Kommunikation mit unseren Besuchern, insbesondere über die sozialen Netzwerke. Auch deshalb war die Kritik in dieser Form für uns überraschend, weil wir sie unter den Besuchern, darunter sind auch viele Schulklassen, noch nie in dieser Form gehört haben. Die Art und Weise, wie sie vorgebracht worden ist, und der Zeitpunkt selbst waren für uns überraschend.
Wie gehen Sie mir der Kritik um und was sagen Sie zu den einzelnen Kritikpunkten?
Natürlich ist die Kritik an mir nicht spurlos vorübergegangen. Vor allem weil sie teilweise sehr unsachlich war. Man hat dem Museum hier Vorwürfe gemacht, die nicht immer zutreffend waren. Aber militärhistorische Museen auf der ganzen Welt polarisieren immer ein wenig, das liegt in der Natur der Thematik, da wir uns mit etwas beschäftigen, das natürlich mit vielen unterschiedlichen, vielfach schrecklichen Inhalten konnotiert wird. Zusätzlich trägt jeder Besucher, jede Besucherin einen eigenen entsprechenden „Rucksack“ an Bildung, Nationalgefühl, politischer Einstellung, persönlicher Erfahrung, kulturellem Verständnis und eigenen Familiengeschichten mit sich, wenn ein derartiges Museum besucht wird. Dementsprechend sind militärhistorische Museen auch immer Orte des Diskurses. Hier wird es immer unterschiedliche Zugänge und selten Einigkeit geben - und ich finde das auch gut so. Man soll diskutieren, sich austauschen. Dementsprechend haben wir gerade unser museumspädagogisches Programm in den letzten Jahren ganz massiv ausgebaut und modernisiert. Das gemeinschaftliche Erarbeiten militärhistorischer Zusammenhänge steht im Vordergrund. Und dieses Angebot des Museums wird sehr stark angenommen. So hatten wir vor zehn Jahren gerade 500 bis 600 Führungen im Jahr und liegen jetzt über 2.600. Was wir an Feedback von den Schulen bekommen zeigt uns, dass wir hier sehr gut liegen. Ich stehe dazu, dass solche Diskurse wichtig sind, ich bin selbst auch Wissenschaftler. Aber Kritik muss sachlich, wissenschaftlich und fundiert sein, von Polemik halte ich nichts.
Was ist das Unsachliche, das sie so stört an der Kritik?
Ich musste teilweise feststellen, dass viele der Kritiker entweder noch nie oder das letzte Mal vor 20 Jahren im HGM waren. Was mich auch ein bisschen gestört hat, ist, dass man sich nicht genug Zeit genommen hat, um die Ausstellung wirklich zu begreifen. Wir verbessern uns ja ständig, verschließen uns nicht gegenüber Kritik. Aber wenn man einzelne Exponate herausnimmt und isoliert besonders kritisch hinterfragt, dafür jedoch die rechts und links befindlichen, einen Kontext erzeugenden Objekte ausblendet, dann ist das für meinen Begriff nicht sachlich. Ein Museum ist kein in einem einzigen Guss entstandener Kulturkörper, sondern als Leiter einer derartigen Einrichtung übernimmt man natürlich die Arbeiten der Vorgänger-Generationen. Die entsprechenden Ausstellungen sind in der Regel nach den modernsten, jeweils der Zeit entsprechenden Konzeptionen erstellt worden. Vieles ändert sich natürlich im Rahmen der Zeit und der musealen Entwicklung, aber auch der gesellschaftlichen Entwicklung. Wir haben ja bereits 2012 den allgemeinen Modernisierungsprozess des Heeresgeschichtlichen Museums eingeleitet, der aber nicht nur inhaltliche oder didaktische Neugestaltungen impliziert, sondern natürlich auch bauliche Modernisierungen wie etwa neue Beleuchtungssysteme oder die Raumklimatorik. Wir hatten mit dem rechten Parterreflügel begonnen, dieser ist im Prinzip fertig. Jetzt wäre im rechten Flügel eigentlich der erste Stock vorgesehen gewesen. Wir werden nun aber aufgrund der Kritikpunkte im Parterre weitermachen und den Zeitabschnitt 1918 bis 1945 vorziehen.
Eben diese Dauerausstellung Republik und Diktatur stand besonders in der Kritik. Gibt es zur Neugestaltung schon Details? Und wäre eine inhaltliche Umgestaltung auch ohne das Aufkommen der Kritik in Planung gewesen?
Der Zeitabschnitt 1918 bis 1945 wird nun vorgezogen, stand jedoch ohnehin bereits zur Überarbeitung an. Die Ausstellung ist rund 20 Jahre alt, von meinem geschätzten Vorgänger mit einem wissenschaftlichen Beirat eingerichtet worden, und entspricht in seiner Wirkung nicht mehr den damaligen Ansätzen. Dementsprechend wird jetzt ein umfassendes Ausstellungs-Projekt erstellt, wie es im Prinzip alle Museen machen: von der ersten Planungskonzeption, der Aufbringung der notwendigen Finanzmittel über das inhaltliche Konzept und dessen Evaluierung, die Konservatorik bis in die Umsetzungsphase hinein. Also ein ganz normales Abarbeiten eines Ausstellungsvorhabens. Der Saal wäre im Rahmen der gesamten Modernisierung des Hauses ohnehin aufgrund seines Alters für eine inhaltliche und didaktische Adaptierung vorgesehen gewesen, weil er schon 20 Jahre alt. Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz, dass man einen Saal alle 20-25 Jahre neu aufstellt bzw. überarbeitet. Eigentlich wäre vorher ein älterer Saal in Planung gewesen, der noch aus den 1960er Jahren stammt und sich mit der Zeitperiode des 30jährigen Krieges und den Kriegen gegen das Osmanische Reich beschäftigt. Diesen haben wir jetzt aufgrund der Kritik nach hinten verschoben.
Ärgert sie diese Verschiebung?
Nein. Man muss als Leiter einer derartigen Kultureinrichtung in seinen Planungen auch flexibel sein. Für uns ist besonders positiv, dass wir für den Saal 1918-1945 seitens des Ministeriums jetzt extra Geld bekommen. Also ich habe durchaus auch ein lächelndes Auge. Wir alle, die wir in diesem Museum arbeiten, sind hier, um diese Institution weiterzubringen. Ich persönlich habe natürlich eine besondere Beziehung zu diesem Haus, weil ich hier schon mehr als 25 Jahre in unterschiedlichen Funktionen tätig bin. Manchmal habe ich das Gefühl, wirklich jeden Winkel, jeden Ziegel, viele der Objekte sehr gut zu kennen, entdecke aber immer wieder auch Neues. Ich freue mich immer, wenn das Museum einen Entwicklungsschritt nach vorne macht.
Gibt es schon einen Zeit- und Kostenplan für den Umbau?
Wir sind jetzt gerade in der Planungsphase und erstellen die Grundlagen. Wir haben uns selbst einen sehr ambitionierten Zeitplan erstellt. Grundsätzlich sind für Neugestaltungen in einem unserer Säle aufgrund von Erfahrungswerten rund zwei Jahre vorgesehen, wir versuchen das natürlich einzuhalten bzw. zu verkürzen. Genau läßt sich das im Voraus nie sagen, weil wir nicht wissen, was bei den entsprechenden Umbauarbeiten an etwaigen früheren „Bausünden“ zum Vorschein kommt und das wirkt sich auch auf die benötigten Ressourcen aus. Ich hoffe, dass der Sanierungsbedarf tatsächlich in der Norm bleibt. Es geht ja nicht nur um das Inhaltliche, sondern auch um die ganze Infrastruktur in diesem Saal. Bezüglich der Kosten wäre es verfrüht, hier schon etwas zu sagen. Wir haben die Bausubstanz noch nicht genau analysiert, das Gebäude ist ja schon über 150 Jahre alt und wurde im 2. Weltkrieg schwer in Mitleidenschaft gezogen. Es wird auf jeden Fall ein siebenstelliger Betrag sein.
Wie wird der Museumsbetrieb während des Umbaus aussehen?
Wir sind gerade in der Konzeptplanung. Der neue Saal ist ja ein Zwischensaal, also man muss durchqueren können, um in einen anderen zu gelangen, was natürlich hinsichtlich einer Gesamtsperre schwierig ist. Es befindet sich auch sehr viel Groß-Gerät in diesem Saal, das schwer verschiebbar ist. Es wird also eine logistische Herausforderung sein. Die Vorarbeiten laufen schon. Laut aktuellem Plan werden wir spätestens im September anfangen können.
Wie geht es nach dem Umbau weiter, ist das nächste Projekt die Zeitperiode des 30-jährigen Krieges?
Von unseren internen Planungen her wäre dringend der rechte Flügel im ersten Stock umzubauen, da er zwar als „Museum im Museum“ mit dem ältesten Entstehungsdatum einen gewissen Charme aufweist, jedoch dringend zu modernisieren wäre. Es gibt ganz erhebliche Infrastruktur-Probleme - Strom, Licht, Klimatorik, Konservatorik, dann natürlich Inhalt und Didaktik, die zu überarbeiten wären.
Wie ist es dem HGM während der Coronakrise ergangen?
Natürlich haben wir sehr darunter gelitten, dass wir schließen mussten. Wir haben die Zeit sehr gut genutzt, im Hinblick auf die Restaurierung von zahlreichen Sammlungs-Objekten. Wir konnten in den Sälen uneingeschränkt arbeiten, ohne dass wir von Besuchern „gestört“ wurden oder deren Besuch beeinträchtigt hätte. Wir haben massive Verbesserungen an der ständigen Schausammlung vorgenommen und mussten dafür keine Absperrungen vornehmen, also ein uneingeschränktes Arbeiten - das ist das Positive. Negativ ist natürlich der Bereich der einzelnen Besuchersegmente selbst. Wir sind sehr stark in den schulischen, pädagogischen Bereichen aktiv. Durch die Schulschließungen und damit Einstellung jeglicher Lehrausgänge haben wir selbst nach der Wiedereröffnung in diesem Segment sehr starke Einbußen. Der zweite Wermutstropfen ist natürlich der momentan kaum vorhandene internationale Tourismus durch Grenzschließungen und Reisewarnungen. Wir gelten bei den unmittelbaren Nachbarländern wie Tschechien, Slowakei oder Ungarn ja als besonders attraktiv. Aber ich bin für die Zukunft zuversichtlich. Es läuft wieder langsam an und ich hoffe, dass wir bis Ende des Jahres auf unseren gewohnten Vollbetrieb umstellen können.
Wie sieht der Museumsbetrieb aktuell aus?
Die Maskenpflicht ist inzwischen gefallen, freiwillig kann man die Maske natürlich weiterhin tragen. Es gibt ausreichend Desinfektionsmittel im gesamten Gebäude. Das Sicherheitspersonal achtet darauf, dass wir nicht zu große Gruppenbildungen haben. Führungen nehmen wir derzeit noch nicht an, möglicherweise wird sich in den nächsten Wochen dafür eine Erleichterung ergeben. Ich kann nur jeden einladen, jetzt ins Museum zu kommen, weil sie sich die Objekte in unseren Ausstellungen jetzt in aller Ruhe ansehen können. Damit ist der Museumsgenuss natürlich ein bedeutend größerer und angenehmerer. Besonders zu empfehlen ist der erste Sonntag im Monat. Das ist unser sogenannter „Bildungssonntag“, da gibt es freien Eintritt.
Werden Sie Direktor bleiben?
Ich bin momentan mit der Führung betraut. Die Entscheidung hinsichtlich der weiteren Zukunft obliegt unserer Frau Bundesministerin. Ich arbeite derzeit genauso weiter wie vorher.
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