Mörbisch: tolle SängerInnen, versemmelte Regie, desaströse Eröffnung
Jetzt ist es passiert. Ein Jahr nach Mister Wunderbar hat Dagmar Schellenberger im Mörbisch das Zepter übernommen. Kein peinliches Titel-Verwechslungsspiel, keine D-Promi-Präsentation und vor allem kein Einschleimen bei Politikern. Dachte ich. Die taffe Deutsche wird es doch anders machen. So meine Hoffnung. Es kommt ganz anders, oder besser gesagt, es bleibt alles beim Altem. Das mit Abstand am wenigsten disziplinierte Publikum, das ich je erlebt habe, lässt sich – trotz mehrfacher Aufforderung - nicht zu Ihren Plätzen bewegen. Das neue, gut gelungene Interieur mit einem großen Angebot von kulinarischen Genüssen hat zur Folge, dass viele Besucher statt zu Millöckers „Bettelstudent“ zu gehen, die Gelegenheit nützten, um lange nicht gesehene Freunde zu treffen und mit Ihnen zu tratschen. Als sich der Großteil endlich mit halbstündiger Verspätung niedergelassen hat, und alle darauf warteten, dass die Aufführung beginnt, setzt eine peinliche Moderation ein.
Liebdienerisch werden Menschen, die die Aufgabe haben, unser Steuergeld sinnvoll einzusetzen, vor den imaginären Vorhang gebeten. Der Bundeskanzler und der Vizekanzler (Proporz muss sein!) richten tiefsinnige Wort an die Menschen da draußen. Dann dürfen noch der Landeshauptmann, sein Vize und der Vorstandsvorsitzende, einfach Präsident der Festspiele genannt, auch ein Politiker, ans Mikrophon. Einzig die Auszeichnung mit der Ehrenmitgliedschaft für Rudolf Bibl, dem langjährigen Dirigenten der Seefestspiele Mörbisch, ist berechtigt, das wartende Publikum zu behelligen. Statt souverän als neue Intendantin vor die Gäste zu treten, ihre Vision der Festspiele erklären, sich für die tolle Kooperation bei den MitarbeiterInnen zu bedanken und der Aufführung einen guten Erfolg zu wünschen, buckelt sie – noch dazu ohne Schmäh (Serafin schau oba) - vor der versammelten Polit-Clique. Alles was ich – in freudiger Erwartung - auch aufgrund verschiedener Interviews - aufbereitet habe, wurde zu Makulatur. Wolfgang Werner, der Mitbewerber aus St. Magarethen, hat die Lektion gelernt und ist klüger geworden, weil sein Publikum Oper sehen will und kein Gequatsche von und über Politikern. Frau Kammersängerin Schellenberg wird das vielleicht auch noch lernen.
Reden wir noch ein Wort über den Vorgänger: Im „Kurier“ spielt der Herr Kammersänger die beleidigte Wurst und kommt nicht nach Mörbisch, weil seine Frau angeblich nicht eingeladen wurde. Ich habe eine der Ehreneinladungen in der Hand. Er hätte nur ankreuzen müssen, ich komme mit Begleitung. Sehr schade und sehr traurig. Man muss ja über diesen Herrn wissen, dass er glaubt, in Mörbisch bekomme er alles zum Nulltarif. Der Grandseigneur hatte wohl gedacht, er werde die Festspiele ewig leiten. Er selbst bezeichnete sich als die personifizierte Werbung für Mörbisch, wenn nicht sogar für das gesamte Burgenland. Sein Umgang mit Sponsoren beschränkte sich im Großen und Ganzen auf den Bittgang beim Herrn Generaldirektor und die öffentliche Begrüßung desselben bei der Premiere. Manchen Vorständen war das genug, andere haben sich verabschiedet. Auf der anderen Seite stand der Publikumsliebling für Kitsch. Und seine Fan-Gemeinde wollte Kitsch. So einfach ist das.
Genug vom Gesudere, wenden wir uns der Kultur zu. Ich dachte, Mörbisch hat die Zeichen der Zeit erkannt und wird der erste Ansprechpartner, wenn es um die Operette geht. Das neue Leadingteam um Dagmar Schellenberg verspricht vieles. Und im „Kurier“ behauptet sie, sie müsse den Laden wieder flott kriegen. Prof. Uwe Theimer, als Dirigent und Renato Zanella für die Chorographie, das könnte gut werden. Über Rolf Nürnberger hatte ich schon Zweifel, denn laut seiner Bio hat er noch nie so ein Spektakel geleitet. In einem Bühnenbild, das nicht von Kreativität sprüht, stellt er eine altbackene Inszenierung auf die Bühne. Es muss ja nicht grad Regietheater im konservativen Burgenland erwartet werden. Die Klientel wünscht das sicher nicht, aber ein paar Ideen darf man sich schon erhoffen. Bei dieser Aufführung würde es einen Defibrillator benötigen, um Schwung in die Operette zu bringen. Man vermisst die feine Klinge. Subalterne, die durch Wasser waten (warum eigentlich?), Fischerboote, die im letzten Akt im Hintergrund hin- und herfahren (klüger wäre es gewesen, dem See eine sinnvolle Rolle zuzuordnen), durchschnittsdumme Helfer eines Gefängniswärters – das alles vermiest einem fast die Aufführungen. Fast deshalb, weil durchwegs tolle Sänger auf der Bühne agieren. Henryk Böhm als witziger Oberst Ollendorf, der nach Rache für abgewiesene Liebe dürstet, und der für die Rache ausersehene Jan – in der Titelrolle des Bettelstudent, (Gert Henning Jensen) stehen an der Spitze des sehr guten Ensembles. Extra erwähnt werden muss noch die sehr junge Cornelia Zink als Laura. Sie singt die Koloraturen mit solcher Leichtigkeit, als wäre sie seit Jahren auf allen Bühnen der Welt gestanden. Bravo! So verneige ich mich vor dem musikalischen Niveau, nicht aber vor der der Runduminszenierung. Der „Bettelstudent“ von Carl Millöcker hätte wohl einen anderen Zirkusdirektor gebraucht, etwa wie Emmi Werner, die in München eine umjubelte Inszenierung hingelegt haben soll.
Der Bettelstudent ist bis 24.8.2013 in Mörbisch zu hören (!) und zu sehen. Tickets@seefestspiele-moerbisch.at.
Nächstes Jahr steht Anatevka auf dem Spielplan der Seebühne.
Damit ist das vollmundig verkündete Mekka der Operette Geschichte, aber vielleicht wird damit ein neues, interessantes Kapitel in Mörbisch aufgeschlagen. Frische Luft, nicht nur vom See, wird hier dringend benötigt.
Reinhard Hübl
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