Viva la France im Konzerthaus
Idiot éteindre le téléphone (Übersetzung per Google nachsehen), wird sich wohl Maestro Jun Märkl am Pult der Niederösterreichischen Tonkünstler gedacht haben, als, ehe er noch den Taktstock gehoben hat, ein Handy läutete. Für alle, die es nicht wissen sollten: im Musikverein sagt keiner „vergessen Sie bitte nicht ihr Telefon auszuschalten“, sondern drei noble Klingeltöne sind das Zeichen, dass das Konzert ohne akustische Störung verlaufen soll. Nun denn, manche verstehen es nicht.
Viva la France bedeutet, dass vier Komponisten der Grand Nation am Programm-Zettel aufscheinen. Mit dem siebenminütigen Pavane für Orchester von Gabriel Urbain Fauré macht das Konzert den wärmenden Auftakt, des von den Streichern dominierten Stückes.
Sein Lehrer Camille Saint-Saens vermittelt in „Das Ägyptische“ im Konzert für Klavier und Orchester. Ein auf und ab der Gefühlsschwankungen. Eine der Reisen des rastlosen Künstlers führte ihn in das Land der Pharaonen. Dort beendete er auch das fünfte und letzte Klavierkonzert. Eine geniale Seefahrt mit Freude und Hingabe. Markus Hennerfeind schreibt im Programm: „Ein Virtuosenkonzert erste Güte, dessen technischen Finessen…. sich aus dem musikalischen Fluss ergibt“. Virtuos ist auch der Pianist des Abend Stephen Hough. Der Engländer spielt das Stück ohne ein Notenblatt bis zur Erschöpfung. Die Schöpfung von Saint-Saens verlangt ihm alles ab, was einen großartiger Künstler ausmacht. Dirigent Märkl lächelt ihm immer zu, so als will er ihm sagen: He, du machst deinen Job gut. Mit lang anhaltender Applaus dankt das Publikum.
Der nächste französische Künstler ist Claude Debussy. Er bestreicht musikalisch England, Frankreich und landet schließlich in Spanien. Seine Biografie ist von Niederlagen und Triumphen geprägt. Der Prix de Rome bringt die Wende zu Positiven. Er bleibt trotz vieler Kontakte zu Musikerkollegen seiner Zeit eher ein Sonderling. Ich muss mich erst in die Musik einhören. Glaubt man, sich mit dem Stück vertraut zu haben, weiten sich die Töne in ganz andere Dimensionen aus. Ein wahrlich herausforderndes Werk für Orchester und Zuhörer. Das Klangbild ändert sich von Satz zu Satz. Die Klangfülle ist phänomenal, die Ästhetik kaum überbietbar. Mein Biorhythmus weiß gar nicht, was mit ihm geschieht. Und doch weiß ich nicht wie ich die Musik deuten soll. Während der kurzen Satz-Pausen von Debussy Werk, in der sich Menschen sinnloses Zeug erzählen, sich Schnäuzen, nießen, hüsteln, kiefle ich an „meinem“ Debussy. Wie ein blinder Don Quijote irre ich umher (Iberia!). Ein Kritiker soll eine feste Meinung haben und nicht zweifeln. Ich habe sie aber nicht. Es ist einfach schöne Musik. Tut mir leid, ich ticke anders.
Vom Bolero habe ich allerdings eine ausgeprägte Meinung, seit ich ihn zum ersten Mal gehört habe. Maurice Ravel hat sich Spanien als Reiseziel ausgesucht. Der „Bolero“ ist für das Hochamt musikalischen Genusses. Man verlässt auf Wolken getragen die Musikstätte. Die Rhythmik dieses Werkes, sein Anschwellen bis zur Ekstase, seine unglaubliche Lautmalerei ist einzigartig. Der Komponist meinte einmal: „Ich habe nur ein Meisterwerk erschaffen, das ist der Bolero, leider enthält er keine Musik“. Dem muss ich heftig widersprechen. Die Tonkünstler setzen die Bedeutung der Instrumentierung-Feinheiten im meisterlichen Stil um. Ein Maestro sagte mir einmal, der Bolero sei eines der schwierigsten Werke zum Dirigieren. Blödsinn meint ein anderer, schwierig ist eigentlich nur den gemeinsamen Schluss-Akkord zu schaffen. Wie auch immer, im Musikverein ist alles gelungen.
Merci beaucoup, Jun Märkl und den Tonkünstlern.
Die nächsten großen Konzerte der Tonkünstler im Musikverein:
15./16.12., Auferstehung, 28./29.12, Neujahrskonzert.
Reinhard Hübl
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