Vulkan-Alarm auf mediterraner Trauminsel - Expertise aus Wien

- Von der Geologischen Bundesanstalt in der Neulinggasse aus wird gerade in internationaler Zusammenarbeit intensiv geforscht um Hilfe für die Insel Vulcano zu leisten.
- Foto: GBA
- hochgeladen von Robert Krickl
Aktuell gehen Meldungen über eine erhöhte vulkanische Aktivität auf der italienischen Insel Vulcano um die Welt. Die Geologische Bundesanstalt (GBA) in Wien liefert aufgrund ihrer umfangreichen Forschungstätigkeiten in der Region eine Einschätzung der Situation und trägt aktiv zur Gefahrenerkennung bei.
Die „Mutter aller Vulkane“ regt sich im Mittelmeer
Nach den aufsehenerregenden Ereignissen auf der Kanarischen Insel La Palma, meldet sich nun auch ein anderer europäischer Vulkan in den Schlagzeilen der weltweiten Nachrichtenportale zurück: Vulcano, eine der Liparischen Inseln nördlich vor Sizilien. „Nomen est omen“ – ihr antiker Name wurde weltweit zum Begriff für Feuerberge. Bis heute ist die namensgebende „Mutter aller Vulkane“ aktiv – und dies gerade so stark wie schon lange nicht mehr. Auch österreichische Medien titelten „Vulkanalarm auf der Trauminsel“. Könnte das schon bald ein Albtraum für die rund 1000 Einwohner*innen der Insel werden? Könnte es auch weiträumige Auswirkungen geben, wie wir sie noch von der Lahmlegung des Luftverkehrs im Jahr 2010 durch den isländischen Vulkan Eyjafjallajökull in Erinnerung haben? Zu diesen bangenden Fragen kann die Wissenschaft Antworten zu geben.
Was uns die Geschichte lehrt
Von der Antike bis in die Neuzeit kam es regelmäßig zu Ausbrüchen auf Vulcano. Die letzte große Eruption liegt schon weit über hundert Jahre zurück: Heftige Ausbrüche von 1888 bis 1890 veranlassten viele Einwohner*innen, darunter sogar den damaligen Eigentümer der Insel, diese fluchtartig zu verlassen und nie wieder zurückzukehren. Der gesamte Bereich um den Hafen, inklusive tropischer Gärten und Weinberge, wurde damals durch Asche und Lavabrocken zerstört und blieb jahrzehntelang unbewohnbar. Erst nach 1920 wurde die Insel sukzessive wieder erschlossen, erste Tourist*innen kamen nach 1955, unter anderem auch in Folge der Dreharbeiten zum Film „Vulcano“ mit Anna Magnani – dem italienischen Konkurrenzprodukt zum bekannteren Film „Stromboli“ mit Ingrid Bergmann (Stromboli ist ein weiterer bekannter Vulkan der Liparischen Inseln).
Die Eruptionen hatten sich 1888 schon im Vorfeld angekündigt: Vor dem Ausbruch berichtete der Betriebsdirektor der lokalen Schwefelminen davon, dass die Temperaturen der zahlreichen Fumarolen (Austrittsstellen vulkanischer Gase) immer stärker anstiegen, bis sich sogar der Schwefel selbst entzündete und die zum Abbau verurteilten Sträflinge so in Angst versetzt waren, dass sie gezwungen werden mussten die Arbeit fortzusetzen – ehe sie von den Ausbrüchen überrascht wurden. Für die Wissenschaft sehr wertvoll stellten sich die Aufzeichnungen des Schweizer Vulkanologen Armin Baltzer (1842-1913) heraus, der Vulcano mehrere Jahre zuvor besucht hatte und bereits 1874 erste Vorzeichen, wie kleine Explosionen im Krater, beschrieb.
Geologische Expertise aus Österreich soll helfen
Aktuell scheinen sich einige Anzeichen zu wiederholen, die kurz vor dem Ausbruch im 19. Jahrhundert stattfanden. Tatsache ist, dass sich sowohl die Temperatur als auch der CO2-Ausstoß der Fumarolen entlang des Kraterrandes sowie auch bei einer Messstation am Fuß des Vulkanes stark erhöht haben. Darüber hinaus ist es in den letzten beiden Monaten auch zu einem starken Anstieg der Mikrobebenaktivität gekommen. Italienische Vulkanolog*innen sind alarmiert und haben die Überwachungsaktivitäten verstärkt. Derzeit ist die weitere Entwicklung allerdings noch schwer abschätzbar. Zeiten mit höherer Aktivität hat es immer wieder in den letzten hundert Jahren gegeben. Man muss sich bewusst sein, dass Vulcano ein aktiver Vulkan ist, der nur gerade „schläft“. Aus diesem Grund haben auch Wissenschafter*innen der österreichischen Geologischen Bundesanstalt (GBA) in den Jahren 1999 bis 2008 in EU- und FWF-finanzierten Projekten gemeinsam mit italienischen und japanischen Kolleg*innen umfangreiche Untersuchungen mittels Aerogeophysik und Geoelektrik durchgeführt. Die diesbezügliche Expertise aus Österreich ist international hoch angesehen und gefragt. Als Resultat lieferten die damaligen Studien auf Vulcano einen umfangreichen Datensatz als Grundlage für weitere Monitoringaktivitäten. Gerade dieser kann nun sehr hilfreich bei der Evaluierung des Eruptionspotentials sein, sollte sich die Situation auf der Insel weiter verschärfen.
Besonders wertvoll erscheint nun ein von der GBA erstellter Basisdatensatz, der durch aeromagnetische Vermessung (magnetische Messungen aus der Luft, durchgeführt bei systematischen Hubschrauberflügen) von Vulcano generiert wurde. Während einer damaligen „Ruhephase“ des Vulkansystems aufgenommen, stellt sie einen Referenzwert für die Magnetisierung des Untergrundes zu einer nichtaktiven Zeit dar. Erhitzt sich das Gestein nun durch erhöhte vulkanische Aktivität über eine bestimmte Temperatur (sogenannte Curie-Temperatur), so verliert es seinen Magnetismus und bei einer abermaligen Befliegung des Gebietes würde sich eine markante Minderung des örtlichen Magnetfeldes zeigen. So könnte man feststellen, ob die eingangs erwähnten Änderungen bei Temperatur und Chemie an den Fumarolen lediglich die Folge von lokale Erscheinungen sind, oder die Auswirkungen von tiefen Aktivitätsänderungen im gesamten Vulkansystem darstellen. Österreichische Geophysiker*innen der GBA verfolgen daraufhin die Situation nun genau und evaluieren derzeit die Sinnhaftigkeit einer magnetischen Wiederholungsmessung.
Aufgrund der langen Forschungstätigkeit besteht auch ein intensiver Kontakt mit Ansässigen der Insel Vulcano, die wertvolle Beobachtungen teilen – während sie immer mehr um ihre Sicherheit bangen. Diese Woche mussten mehr als 200 Bewohner*innen der Hafenregion ihre Häuser verlassen, da es zu vermehrten Gasaustritt und Temperaturerhöhungen der Fumarolen am Kraterrand der Fossa, dem jüngsten Krater der Insel, kam. Ein Teil dieser Gase könnte in den Klüften absinken, so bis ins bewohnte Gebiet vordringen und eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die Bevölkerung darstellen. Doch eine Gefahr droht nicht nur von den Dämpfen und einer eventuellen Eruption. In einem nördlichen Seitenkrater, der Forgia Vecchia, wie im östlichen Bereich der Fossa gibt es Zonen, die bereits von Hangrutschungen betroffen waren. Stärkere Erdbeben könnten hier in Zukunft abermals Rutschungen verursachen, die dann nicht nur den Siedlungsbereich auf Vulcano selbst, sondern durch das Auslösen von Tsunamis auch andere Küstenbereiche des Mittelmeers in Mitleidenschaft ziehen könnten. Um dies zu beobachten, haben nun Wissenschafter*innen der Fernerkundungsgruppe der GBA damit begonnen, mit Satelliteninterferometrie die weitere Entwicklung zu beobachten. Hier macht sich einmal mehr bezahlt, dass die GBA als Resultat jahrzehntelanger praxisorientierter Grundlagenarbeit auch im Bereich der Untersuchung von Rutschungen und anderen Naturgefahren international anerkannte Expertise erarbeitet hat.
Einstweilen laufen ständig Meldungen zwischen Wien und Vulcano hin und her. Es mehren sich dabei Berichte über die Beunruhigung der lokalen Bevölkerung – wie etwa der ansässige Appartementvermieter Alfredo Gennaro berichtet. Seine Familie lebt nun schon in zweiter Generation auf Vulcano. Sie alle setzen auf das Wissen und Können der Wissenschafter*innen, vor einem Ausbruch rechtzeitig warnen zu können. Im Regelfall kündigt sich eine Eruption auch mit entsprechend starken Erdbeben vorab an. So konnten sich schon 1888 alle angesprochenen Sträflinge der Schwefelminen rechtzeitig in die Höhlen des Faraglione retten. Aber Vulcano bleibt auch 130 Jahre nach dem letzten Ausbruch unberechenbar. Niemand kann sagen, wie stark die nächste Eruption sein wird. Und genau das macht wohl auch einen namhaften Teil der Faszination für die tausenden Urlauber*innen aus, die jährlich die Insel stürmen. Hotelbesitzer*innen hegen wohl schon Hoffnungen auf einen stark gebuchten Sommer, nach zwei katastrophalen Covid19-Saisonen – sofern der Vulkan mitspielt und sich doch noch besänftigt… Die Wissenschaft hat einstweilen ein scharfes Auge auf allen Aktivitäten des Feuerbergs und ist bemüht alle Zeichen zu lesen, um notfalls rechtzeitig Alarm zu schlagen.



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