Mal anders gefragt
Der Tätowierer Michael Graßler aus St. Andrä
Michael Graßler aus St. Andrä bringt Farbe unter die Haut. Wir haben ihn in einer kreativen Schaffenspause in seinem Studio „Kernöl-Ink.“ ganz persönlich befragt.
Rund 27 Prozent aller Österreicher haben ein Tattoo, jeder zehnte trägt mehr als nur eines. Mit der wachsenden Popularität dieser Form des Körperschmucks ist auch der Beruf des Tätowierers stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Höchste Zeit, einmal bei einem Lavanttaler Tätowierer hinter die Kulissen zu blicken.
Was war dein allererstes Tattoo und wie haben deine Eltern reagiert?
Ich ließ mir mit 15 Jahren einen Playboy-Bunny als Freundschaftstattoo beim mittlerweile verstorbenen Wolfsberger Tätowierer Michael Supan stechen. Meine Eltern – explizit mein Papa – hat damals sogar das „Ok“ gegeben. Er hatte aber nach Jahren mal beiläufig erwähnt, dass dieses Einverständnis eine schlechte Idee war, da sie scheinbar der Startschuss für meine optische Veränderung war.
Kannst du dich noch an dein erstes selbst gestochenes Tattoo erinnern?
Klar, das trag ich noch immer auf meinem Oberschenkel. Das war ein Charakter aus einem Manga-Comic. Grässlich.
Wann stand für dich fest, dass du das Tätowieren beruflich ausüben willst?
Eigentlich hatte ich nie den Gedanken, Tätowierer oder Künstler zu werden. Unsere ganze Familie ist kreativ bewandert. 2011 meinte mein damaliger Tätowierer, ich solle es einmal selbst versuchen. Und da bin ich.
Kommt es vor, dass du Motivwünsche ablehnst?
Als Tätowierer hat man eine Verantwortung gegenüber dem Kunden, diesen über mögliche zukünftige soziale Probleme aufzuklären. Gerade wenn Kunden unter der Altersgrenze mit der Einverständniserklärung der Eltern kommen, stößt man des fteren auf Motive oder vielmehr Körperstellen, welche ich für das allererste Tattoo nicht als vorteilhaftempfinde. Auch Symbole oder Schriften mit negativem Beigeschmack werden abgelehnt.
Hand auf’s Herz: Hast du jemals ein Tattoo richtig „verhaut“? Was macht man als Tätowierer in so einer Situation?
Jeder fängt klein an. Natürlich hatte ich auch Gurken dabei, alles andere wäre gelogen. Man versucht es zu kaschieren, und zu 99 Prozent funktioniert das auch. Auch Tätowierer haben mal schlechte Tage oder Gedanken im Kopf und sind nicht ganz bei der Sache - dies ist nur allzu menschlich. Mittlerweile weiß ich, wo meine Stärken liegen, und steche, was mir liegt. Auch das ist ein Lernprozess.
Du bist verheiratet und stolzer Vater einer kleinen Tochter. Hast du eine persönliche Altersgrenze, unter der du ihr dein Einverständnis für ein Tattoo verweigern würdest?
Für mich ist klar: Vor der Volljährigkeit gibt’s kein Tattoo. Ich denke an die Schulzeit zurück: mit 14 oder 15 Jahren soll man wissen, was man einmal werden will. Wer macht denn heute schon noch das, für das er sich damals entschieden hat? Woher soll jemand wissen, dass sein Tattoo, das er sich mit 16 mit dem Einverständnis der Eltern stechen lässt, tatsächlich ewig sein Wunschmotiv bleiben wird? Es kommen genügend Kunde für Cover-Ups, also Überarbeitungen ihrer nicht mehr gewollten Motive. Dies zeigt mir, dass auch das Alter eine entsprechende Rolle spielt.
Welche Tattoos trägst du selbst? Wie viele sind das?
Viele meiner Tattoos sind Portraits von geliebten Menschen oder Fotografien, welche mir gefallen haben. Ansonsten habe ich den jeweiligen Künstlern freie Hand gelassen. Nicht alle haben eine tiefere Bedeutung, also ist auch viel Quatsch dabei. Ich kann nur sagen, der Oberschenkel hinten ist noch frei. Wie viele Tattoos das sind? Keine Ahnung.
Was war die kurioseste Geschichte, die du bisher in deiner Berufslaufbahn erlebt hast?
Ein Kunde hatte einen Tattoo-Termin ausgemacht. Kurz vorher hat mich die Polizei angerufen und gefragt, ob dieser Termin der Wahrheit entspräche. Der Grund: Die Kundschaft war Träger einer Fußfessel, daher musste der Termin freigegeben werden.
Hast du beobachtet, dass Tattoofreunde jetzt mehr Geld für ihre Körperkunst ausgeben, wo Urlaube und Freizeitmöglichkeiten nur eingeschränkt möglich sind?
Finde ich nicht. Was über die letzten Jahre aber geändert hat ist, dass mittlerweile gleichmäßig auf das ganze Jahr verteilt tätowiert wird. Früher waren der Juni und Juli eher schwache Monate.
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