Flutwelle schluckt Brautpaar
Zwerge, Feen und Co.: Die WOCHE stellt in einer fünfteiligen Serie "Sagen aus dem Lavanttal" vor.
LAVANTTAL. In der neuen WOCHE-Serie "Sagen aus dem Lavanttal" entführt uns der Schriftsteller Wilhelm Kuehs in die magische Welt der Feen, Geister, Könige und Perchten. Zum Auftakt erfahren Sie, liebe WOCHE-Leser, wie das Lavanttal entstanden ist.
Schätze aus alten Tagen
Noch heute kann man in der Nähe der Burgruine Reisberg auf etwa achthundert Meter Seehöhe versteinerte Muscheln und Meeresschnecken finden. Ein mächtiger See muss einst das Lavanttal bedeckt haben.
Heirat verbindet eben
Vom Reisberg bis hinüber zur Burg Hardneidstein muss sich das Wasser ausgedehnt haben. Hier wie dort lebte ein altes und ehrwürdiges Rittergeschlecht. Seit Jahrhunderten schätze man einander, und jetzt wollte man die freundschaftlichen Bande durch die Heirat des jungen Burggrafen von Reisberg mit der einzigen Tochter des Ritters Hartneidstein festigen. Am Tag nach der Hochzeit lag der See still und friedlich da. Die Morgensonne zeichnete goldene Flecken auf die Wellen, und das junge Paar wurde von den Eltern hinunter zur Anlagestelle begleitet.
Himmel verfinstert sich
Mit kräftigen Ruderschlägen trieb der junge Burggraf den Kahn durch das Wasser. Seine Frau lachte, als sie sah, wie er sich ins Zeug legte, aber dann bemerkte sie die dunklen Wolken über der Saualpe. "Da zieht ein Gewitter auf", sagte sie. "Ein ganz fürchterliches Gewitter." "Bis das losgeht, sind wir schon lange zu Hause", antwortete der Burggraf und ruderte schneller. Kaum hatte er das gesagt, verdunkelte sich der Himmel, erste Tropfen fielen, und der Sturm peitschte den See. Der Regen fiel immer dichter, schon verschwand das Ufer im Regenschleier, und die Wellen warfen das Boot hin und her. Nur mit Mühe hielten sich der Graf und seine junge Frau fest, doch nicht lange, und das Boot schlingerte, lief voll Wasser und ging unter.
Das Wasser abgelassen
Von Kummer und Zorn getrieben, befahlen die beiden Burgherren, dass der See verschwinden müsse. Am südlichen Ende, dort wo heute Lavamünd liegt, brach man durch die Felswand. Die Leichen des Brautpaares fand man auf einem Hügel. Eng umschlungen lagen sie da, kaum von Schlamm und Algen bedeckt. Auf diesem Hügel baute man eine Kirche und gründete das Benediktinerkloster St. Paul. Die Stelle, an der das Brautpaar gefunden wurde, kann man heute noch sehen. Der Paulusbrunnen im Klosterhof markiert diesen Ort.
ZUR SACHE:
Die Sage "Die Entstehung des Lavanttals" stammt aus dem neuen Buch "Kärntner Sagen" von Wilhelm Kuehs. Die Illustrationen hat der Tiroler Jakob Kirchmayr beigesteuert.
Die knapp 200 Seiten starke Sammlung von neu erzählten Kärntner Sagen des Lavanttaler Schriftstellers ist im Tyrolia-Verlag erschienen.
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