"Bis alles zu Tode beruhigt ist"
Was läuft schief in der Innenstadt?

"Man hat nicht auf uns Geschäftsleute gehört", sagt Gerhard Waschier angesichts der reihenweisen Geschäftsschließungen in der Wolfsberger Innenstadt. | Foto: MeinBezirk.at
  • "Man hat nicht auf uns Geschäftsleute gehört", sagt Gerhard Waschier angesichts der reihenweisen Geschäftsschließungen in der Wolfsberger Innenstadt.
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Reihenweise schließen die Geschäfte in der Wolfsberger Innenstadt. Fünf sind es allein heuer am Hohen Platz und in der Johann-Offner-Straße. Gerhard Waschier, Obmann der Wolfsberger Werbegemeinschaft und selbst Unternehmer, schlägt Alarm: Die Stadt stirbt aus, die Stadtpolitik müsse endlich umdenken.

MeinBezirk.at.: Herr Waschier, allein heuer gab es am Hohen Platz vier Geschäftsschließungen, eine weitere in der Johann-Offner-Straße wurde bereits angekündigt. Wie wird sich die Wolfsberger Innenstadt innerhalb der nächsten Jahre entwickeln?
GERHARD WASCHIER: "Es wird mit Sicherheit noch weniger Geschäfte geben. Einerseits werden einige altersbedingt zusperren, weil es keine Nachfolger gibt. Andererseits gibt es kaum Neuansiedelungen, weil die Innenstadt nicht mehr attraktiv ist. Warum sollte ich mich als junger Unternehmer zum Beispiel am Hohen Platz ansiedeln? Geschäfte wie der „Chili Fraunz“ oder „Fesch und frech“ – beide mittlerweile geschlossen – brauchen Frequenz, diese geht mehr und mehr zurück."

Wie stark ist der Frequenzrückgang in Zahlen?
Seit 2018 – dem letzten „normalen“ Jahr vor dem großen Umbau und der Coronakrise – beobachten wir am Hohen Platz einen Frequenzrückgang von etwa 30 Prozent pro Jahr. Es fehlen die Parkplätze, und die letzten Kunden, die noch in der Stadt einkaufen, werden durch teils übertriebene Strenge der Parkwächter aus der Innenstadt hinausgeprügelt – das muss man wirklich so sagen. Dass es am Hohen Platz weiter bergab gehen wird, ist abzusehen. Es ist kein Geheimnis, dass die Raiffeisenbank innerhalb der nächsten Jahre weg sein wird."

War der große Umbau des Hohen Platzes der Anfang vom Ende?
"Wie es ausgeführt wurde, war definitiv ein Fehler, aber eigentlich hat das Ganze schon vor 30 Jahren begonnen, als sich die Politik in den Kopf gesetzt hat, dass die Innenstadt unbedingt beruhigt werden müsste. Eine Stadt sollte aber nicht ruhig sein, sie muss pulsieren. Anstatt zu überlegen, wie man die Stadt ruhiger macht, sollte man sich eher überlegen, wie man sie belebt."

Sie sagten, der Umbau des Hohen Platzes war ein Fehler. Warum genau?
"Weil sämtliche Einwände von uns Geschäftsleuten – diejenigen, die hier ihren Lebensunterhalt verdienen – ignoriert wurden. Heute sieht man, dass sich alle unsere Bedenken bewahrheitet haben: Die Begegnungszone funktioniert nicht, denn der Hohe Platz ist weiterhin eine Rallyestrecke. Die Anzahl der Parkplätze ist zu gering, die Beleuchtung ist hässlich und unpassend. Und eine Beschattung ist anscheinend nicht möglich. Wie es sich derzeit abzeichnet, wird man dieselben Fehler demnächst am Getreidemarkt machen, bis alles zu Tode beruhigt ist."

Das klingt alles sehr pessimistisch. Ist die Innenstadt überhaupt noch zu retten?
"Ja, mit den richtigen Aktionen. Die Innenstadt muss kinder- und familienfreundlicher werden. Eltern, Großeltern und ihre Kinder müssen gern in die Stadt kommen und nicht kilometerweit gehen müssen, weil sie in der Stadt einen Strafzettel riskieren. Man könnte zum Beispiel den Parkplatz für die Gemeindemitarbeiter bei der Hammerbrücke der Öffentlichkeit zugänglich machen, um mehr Parkflächen zu schaffen. Wir haben auch angeregt, den Weihnachtsmarkt vom Rathaus auf den Hohen Platz zu verlegen. Hier gäbe es eine ebene Plattform, die den ganzen Advent leer steht, aber auch dieser Vorschlag wurde abgelehnt. Man hat den Eindruck, der Hausverstand sei vollkommen abhanden gekommen."

Wie meinen Sie das?
"Beispiel KuKuMa. Da wird die Innenstadt wegen drei Ständen und zwanzig Besuchern für den Verkehr gesperrt. Man muss da so flexibel sein und sagen: Wenn kaum Leute am Markt sind, muss der Verkehr durchfließen. Wenn die Besucherzahlen dann tatsächlich einmal explodieren sollten, kann man noch immer absperren. In Wolfsberg weiß A nicht, was B tut, es hapert an der Kommunikation. Ein gutes Beispiel dafür war die Aktion „Kärntner VolksKultTour“, die am 2. September stattgefunden hat, am selben Tag wie der Schnäppchenmarkt, der KuKuMa und das Repair Café. Als ich 14 Tage vor dem Termin beim Stadtmarketing angerufen habe, wusste man dort gar nicht, dass es diese Veranstaltung überhaupt gibt. Wie soll man sich als Geschäftsinhaber so kurzfristig vorbereiten?"

Müsste das Stadtmarketing gestärkt werden?
"Definitiv. In Villach gibt es für diese Aufgabe neun Vollzeitkräfte – allesamt Profis –, in Wolfsberg gerade einmal eine. Natürlich ist Wolfsberg nicht so groß wie Villach und kann kein großes Team finanzieren, aber bei uns fehlt es schon am Bewusstsein für die Wichtigkeit des Stadtmarketings. Es müsste zumindest zwei Marketingprofis geben, die sich ausschließlich darum kümmern."

Sie äußern auch Kritik an der Pop-Up-Aktion der Stadtgemeinde und des KWF. Warum?
"Prinzipiell wäre das eine gute Maßnahme, nur ist das Auswahlverfahren zu hinterfragen. Warum zahlt man Sozialbetrieben die Miete, die ohnehin schon ihre Mitarbeiter gefördert bekommen? Und so sehr ich die Lavanttaler Tischler schätze, aber hier einen leeren Raum mit Möbeln zu bestücken, bringt keine Menschen in die Stadt. Man sollte sich vielleicht auch einmal überlegen, die alteingesessenen Betriebe zu fördern, damit diese überhaupt in der Stadt bleiben."

Sie selbst betreiben ein Juweliergeschäft, das seit 1891 am selben Standort ist. Denken Sie auch über einen Standortwechsel nach?
"Uns geht es nicht schlecht, weil wir nicht nur das Geschäft betreiben, sondern auch online stark sind. Wenn die Entwicklung in der Innenstadt aber so weitergeht, wird sich sicher auch die Standortfrage stellen. Eine weitere Beruhigung, zum Beispiel durch eine Fußgängerzone, wäre für mich ein Grund, sofort zu schließen."

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