Energie-Versuchskaninchen im schicken Wohnviertel
250 Haushalte im "Viertel Zwei" testen unter der Führung von Wien Energie neue Technologien rund um den Strom.
LEOPOLDSTADT. Die Gebäude, die innerhalb der letzten zehn Jahre zwischen Vorgartenstraße und Trabrennbahn Krieau aus dem Boden geschossen sind, fügen sich unter dem Namen "Viertel Zwei" zu einem hippen Büro- und Wohnviertel zusammen. 7.000 Menschen arbeiten und leben hier mittlerweile, und das Viertel Zwei heftet es sich auf die Fahnen, dass es ein wenig anders und nachhaltiger ist als vergleichbare Neubaugebiete - dass das gesamte Grätzel autofrei ist, und den Bewohnern und Büroangestellten gleichzeitig zwei Elektroautos für Ausfahrten zur Verfügung stehen, ist ein Beispiel dafür.
Zwar gibt es mit der OMV-Zentrale im Hochhaus des Grätzels ein unübersehbares Aushängeschild des "alten" Energiesektors, die Bewohner der 250 Wohnungen, die zuletzt bezogen wurden, sollen aber, zumindest was Strom betrifft, in die Zukunft schauen. Sie wurden "urban pioneers" getauft und werden Innovationen am Energiemarkt testen, in einem Projekt, das von den Immobilienentwicklern IC Development und Wien Energie koordiniert wird.
Immer gleich viel zahlen oder spekulieren
Der erste Schritt wird sein, dass die 250 Haushalte unter drei neuen Wien-Energie-Tarifen wählen können: Einer wird eine monatliche Flatrate sein, "auf der anderen Seite des Spektrums", so Michael Strebl, Geschäftsführer von Wien Energie, "gibt es die Market-Rate: der Strom wird zum jeweils aktuellen Preis abgerechnet." Dazwischen angesiedelt ist der Time-of-Use-Tarif mit billigerem Strom in jenen Zeiten, in denen weniger Energie verbraucht wird, also untertags und am Wochenende. Über eine Onlineplattform können die Bewohner den für sie passenden Tarif auswählen, ihren Verbrauch einsehen und zwischen Tarifen wechseln. Nach der Testphase im Viertel Zwei könnten die Tarife, je nach Erfolg, auch anderswo angeboten werden.
Das Viertel sei ein ideales Umfeld für ein solches Projekt, so Strebl. Die Bewohner sollen die Produkte nicht nur testen, sondern auch an der Entwicklung mitarbeiten. Einbringen können sie sich etwa in Workshops zu Themen wie Mobilität. Sie werden sich beispielsweise darüber austauschen, wie Verkehrsmittel am besten geteilt werden können - wer mitmacht, bekommt Servicepunkte, die er im Viertel Zwei einlösen kann.
Strom selbst handeln mit Blockchains
Wien Energie, so Strebl, war einer der ersten europäischen Energieproduzenten, der die Blockchain-Technologie für ein Geschäft eingesetzt hat - konkret wurde Gas aus Dänemark gekauft. Diese Führungsrolle möchte man behalten und auch im Viertel Zwei mit Blockchain experimentieren. Blockchains sind ja vor allem im Zusammenhang mit der Kryptowährung Bitcoin bekannt, können aber in anderen Bereichen auch genutzt werden. Vereinfacht geht es um fälschungssichere Datenübertragung, mit der auch Verträge abgeschlossen werden können. Es könnte etwa ein Bewohner mit einer Photovoltaikanlage Strom an einen Nachbarn verkaufen, wenn er ihn selbst nicht braucht - ohne dass sich die beiden jedes Mal mühsam über den Preis und andere Bedingungen einig werden müssen.
Zunächst werden im Viertel Zwei aber sogenannte Nodes und Wallets in den Stromzählern verbaut. Damit können die Verbrauchsdaten über eine Blockchain abgebildet und weitere Tests durchgeführt werden. Wie genau es dann weitergeht, ist auch Wien-Energie-Chef Strebl noch nicht ganz klar: "Aber Innovation passiert nicht, indem man Dinge von vorne bis hinten durchplant. Man wirft einmal einen Stein vor sich hin und schaut, was dann passiert."
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