Corona-Krise
"Einsamkeit und Leere drücken daher massiv auf die Seele"

Psychotherapeutin Andrea Auinger aus Ansfelden über die seelischen Auswirkungen der Corona-Krise und über Strategien wie man diese am Besten verarbeitet.

Haben Klienten in der Corona-Krise mehr Bedarf nach Zuspruch?
Auinger:
Während des 1. Lockdowns hat sich teilweise das Phänomen der „Erleichterung“ bemerkbar gemacht. Viele meiner KlientInnen fanden es auch erleichternd, durch den allgemeinen Lockdown (alle sitzen im gleichen Boot) ohne schlechtem Gewissen daheim zu sein. Sie bekamen plötzlich viel Verständnis von außen: „Jetzt weiß ich erst, wie es dir gehen muss“. Dieses „Runterfahren“ wurde ja von vielen – die in keinen systemrelevanten Berufen arbeiten – als Innehalten und Entstressung erlebt.

Ängste nehmen zu

Nachdem die Pandemie nun schon fast seit 10 Monaten unser Leben beherrscht, merke ich, dass Ängste zunehmen, Depressionen sich wieder verstärken. Nun kommen Zukunftsängste, Exisenzängste massiv dazu. Auch bei Menschen, die das bis jetzt ganz gut geschafft haben. Das Ganze dauert schon zu lange, die physischen Kontakte fehlen. Leider auch das Licht, weil wir uns nun im Herbst bzw. bald Winter befinden. Einsamkeit und Leere drücken daher massiv auf die Seele. Es fehlen die Gespräche mit KollegInnen, ein Treffen am Abend, Kino oder Theater, ein Busserl, ein Drücker, eine Umarmung. Die Pandemie wird noch SPÜRbarer. Für mich ist es mehr dieses physical distancing, das eine Schwere macht.

Ausgrenzung erlebt

Positiv Getestete bzw. Erkrankte haben oft auch Ausgrenzung erlebt, die ihnen nun – wo sie wieder gesund sind – richtig bewusst wird. Diese Stigmatisierung wird oft beklagt, das wiederum kann Depressionen, Stimmungsschwankungen oder soz. Ängste hervorrufen. Manchen kostet das auch extreme Überwindung, den Weg zum Therapeuten zu gehen und darüber zu reden.
Paarthemen werden zur Zeit mehr. Viele Paare, die schon längere Zeit immer wieder im Homeoffice sind, die Kinder beschulen müssen und eventuell noch die eigenen Eltern zu versorgen haben, gelangen an ihre Grenzen. Diese Überforderung wirkt sich dem Partner/der Partnerin gegenüber in Überreiztheit, Aggression aus – man fühlt sich unverstanden oder nicht gut unterstützt. Wobei ich schon auch bemerke, dass andere wieder zueinander finden und die Bedeutung des/der anderen, seine/ihre Anwesenheit wieder mehr schätzen lernen. Das Gemeinsame rückt dann in den Vordergrund. Es gibt keine „Ablenkung“ durch andere Freizeitaktivitäten, man ist aufeinander angewiesen und erkennt darin auch wieder den Wert der Partnerschaft. Es ist also sehr unertschiediich.

Wie hat sich das Betreuungsangebot aufgrund von Corona verändert?
Es wird nun verstärkt auch mit digitalen Medien gearbeitet. Ich habe derzeit ca. 30% meiner Therapien online oder übers Telefon. Und es funktioniert hervorragend. Wenn Vertrauen und Beziehung hergestellt ist, kann man auch über diese Medien gut arbeiten. Natürlich unter der Voraussetzung, dass man daheim Ruhe hat und die Sicherheit, ungestört und unbeobachtet zu sein. Deswegen bleibt oft der Wunsch, in die Praxis kommen zu dürfen, im persönlichen Kontakt bestehen. Dieser persönliche Kontakt ist oft auch eine Möglichkeit, etwas Abwechslung in den anstrengenden Tag mit Homeschooling, Homeoffice usw. zu bekommen. Die Krankenkassen unterstützen Online-Therapie finanziell jetzt im selben Ausmaß wie bei Präsenz-Treffen. Dafür bin ich sehr froh. Mit einigen gehe ich auch spazieren, um sie so in die Bewegung (auch gedanklich) zu bringen. Dabei baue ich dann gern auch Atem- und Achtsamkeitsübungen ein, welche die KlientInnen bei ihren eigenen Spaziergängen anwenden können.

Was hilft gegen die schlechte Stimmung in der Corona Krise? Welche Tipps und Strategien gibt es gegen die schlechte Stimmung?
Ich empfehle immer Bewegung an der frischen Luft. Egal ob Sonne oder Regen. Bewegung und frische Luft sind wichtig für unser Gehirn, das Grübeln darf dann nämlich etwas Pause machen. Ob Laufen oder Spaziergänge, Natur tut immer gut. Atemtechniken sind ebenso sehr hilfreich. Beim Spazierengehen oder beim Liegen auf der Couch kann ich zB beim Ein- und Ausatmen mitzählen (hilft gegen Gedankenkreisen, da das Gehirn dadurch mit etwas anderem beschäftigt ist). 2-3 tiefe Atemzüge (Nase ein – Mund aus) und danach im eigenen Atemrhythmus weiteratmen (beim Einatmen bis 5 zählen, beim Ausatmen bis 0 runterzählen).

Yoga und Bewegung

Weiters Achtsamkeitsübungen: nehmen Sie zB beim Händewaschen bewusst wahr, wie sich das anfühlt (die Kälte/Wärme des Wassers, ...), die Farben in der Natur (jetzt im Herbst besonders schön) bewusst wahrnehmen und sie in sich hinein atmen, als würde man Energie aufsaugen.
Neben der Bewegung ist aber auch die Entspannung, das zu sich kommen sehr wichtig. Meditationen, Entspannungstechniken (Jacobson Muskelentspannung), Yoga sind über Youtube daheim auch im Wohnzimmer eine gesunde Alternative.
Und nicht zuletzt besinnen Sie sich auf Ihre Ressourcen. Was macht mir Spaß oder was hat mir früher (als Jugendliche/r) Spaß gemacht? Viele meiner KlientInnen entdecken jetzt wieder das Backen, Malen, Nähen, .... gerade jetzt wo Weihnachten kommt, kann man heuer wieder auf Selbstgebasteltes umschwenken. Das macht auch den Kindern Spaß. Beim Spaziergang Kastanien, Blätter, Moos ,.... sammeln und daheim etwas Schönes basteln. Und bei allem ist auch wichtig, eine positive Grundstimmung versuchen zu aktivieren. Affirmationen können dabei unterstützen 
Und nicht auf den Spaß vergessen. Zu einem Lieblingssong durch die Wohnung tanzen und sich auspowern, tankt die Seele auf und taugt auch den Kindern.

Anzeige
Foto: Cityfoto
8

Innovationen von morgen
"Lange Nacht der Forschung“ am 24. Mai

Unter dem bundesweiten Motto „Mitmachen. Staunen. Entdecken.“ bietet Oberösterreich bei der elften Auflage der Langen Nacht der Forschung 2024 (#LNF24) am Freitag, 24. Mai 2024 von 17 bis 23 Uhr ein breit gespanntes LIVE-Programm. In zehn Regionen in Oberösterreich laden rund 140 Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Technologiezentren und innovative Unternehmen dazu ein, einen Blick in die faszinierende Welt der Forschung zu werfen. Auf Entdecker:innen jeden Alters wartet ein...

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus Linz-Land auf MeinBezirk.at/Linz-Land

Neuigkeiten aus Linz-Land als Push-Nachricht direkt aufs Handy

BezirksRundSchau Linz-Land auf Facebook: MeinBezirk.at/Linz-Land - BezirksRundSchau

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus Linz-Land und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du willst eigene Beiträge veröffentlichen?

Werde Regionaut!

Jetzt registrieren

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.