"Dieses Leben ist eine Berufung"

Foto: privat

Mit 15 Jahren trat Michaela Pfeiffer-Vogl in den Orden der Marienschwestern vom Karmel ein. Ende August feierte sie ihr 40-jähriges Profess-Jubiläum. Warum sie dieses Leben nie bereut hat, erzählt die Ordensschwester im Interview.

StadtRundschau: Sie waren noch sehr jung, als Sie sich für ein Leben als Nonnen entschieden.
Pfeiffer-Vogl:
Zu meiner Zeit war das nicht ganz unüblich, dass Mädchen gleich nach der Pflichtschule ins Kloster gingen. Heute ist das kaum mehr vorstellbar.

Wann haben Sie gespürt, dass Sie so leben wollen?

Mit 14 Jahren kam ich in die damalige Haushaltungsschule nach Erla, die von den Marienschwestern vom Karmel geführt wurde. Die Schwestern und ihr Leben haben mich sofort fasziniert. Der erste Anruf kam jedoch schon im Sommer davor.

Was ist damals passiert?
Ich machte damals ein Praktikum bei den Schwestern in Schiltern, NÖ, und half dort in der Küche. Damals habe ich zum ersten Mal etwas gespürt, mich angesprochen gefühlt. Eine innere Stimme hat mich gefragt, warum ich nicht in die Heilige Messe gehe. Der Drang war so stark, dass ich ab diesem Zeitpunkt jeden Tag um sechs Uhr früh in die Messe gegangen bin. Dieses innere "Gezogen-werden" ist bei jedem anderes und man kann es auch nur schwer beschreiben. Fragen Sie einmal Liebende – die können das auch nicht.

Wie wird man dann zur Nonne?
Ich habe drei Jahre lang mit der Gemeinschaft gelebt, bevor ich ins Noviziat eingetreten bin. Dabei handelt es sich um eine intensive Einführungszeit, die damals ein Jahr dauerte und heute zwei Jahre dauert. Danach feiert man die erste Profess. Diese erneuert man fünf Jahre lang, bevor man die ewige Profess ablegt. Dabei verpflichtet man sich der Hingabe an Gott.

Wussten Sie, worauf Sie damit verzichten?
Nein, natürlich weiß man das in diesem Alter nicht voll. Daher gibt es auch diese lange Zeit des Eingewöhnens, in der man die Gemeinschaft kennenlernt und entscheiden kann, ob dieses Leben das Richtige für einen selbst ist.

Und Sie haben Ihre Entscheidung nie bereut?
Als ich schon im Orden war, heiratete meine Schwester und als sie ihr erstes Kind bekam, sagt sie zu mir: „Du kannst dir nicht vorstellen, wie beglückend es ist, ein Kind zu bekommen.“ Es stimmte, das konnte ich nicht und wusste auch, dass ich es nie können werde. Aber ich sagte: „Und du kannst dir nicht vorstellen wie beglückend es ist, sich ganz Gott hinzugeben.“ Die Ehe und der Eintritt in den Orden – beides ist eine Berufung und beides muss man mit ganzem Herzen leben. Das gilt auch für herausfordernde Zeiten. Meine Berufung hat sich durch dieses Erlebnis noch einmal stark vertieft.

Der Verzicht auf Ehe und Beziehung hat Sie nie gestört?

Ich weiß, warum ich verzichte – um frei zu sein für etwas Größeres. Mit jeder Entscheidung lässt man andere Möglichkeiten zurück. Das sagt man jungen Menschen heutzutage zu wenig. Das Leben geht nicht ohne Verzicht, aber man muss ihn im positiven Sinne sehen: Man verzichtet auf etwas, um etwas anderes in voller Fülle zu leben. Außerdem verzichtet man im Kloster nicht auf Beziehungen.

Wie meinen Sie das?
Unser ganzes Leben ist Beziehung. Das Gebet ist Beziehungsgeschehen zwischen Gott und Mensch. Wir lieben Gott und unsere Mitmenschen mit ein und demselben Herzen. Und die Gemeinschaft übernimmt auch eine Verpflichtung für ihre neuen Mitglieder. Das hat Ähnlichkeiten mit einer Familie, in der alle füreinander da sind. Das Gemeinschaftsleben ist ein wesentlicher Zug des Ordenslebens.

Wie hat ihre Familie reagiert, als Sie ins Kloster gingen?
Ich komme aus einer kinderreichen Familie. Wir waren 13 Geschwister und ich eines der jüngsten. Meine Familie hat von Anfang an sehr positiv reagiert und meine Entscheidung auch ein Stück weit mitgetragen. Obwohl meine Mutter schon meinte, dass ich mir noch etwas Zeit lassen sollte. Ich habe ihr meine Beweggründe dann in einem Brief erklärt. Meine Eltern mussten ja unterschreiben, da ich noch minderjährig war.

Die Marienschwestern vom Karmel sind ein recht offener Orden, der auch Seniorenheime und Kurhäuser betreibt ...
Einer unserer Grundsätze ist, den lebendigen Gott dort zu bezeugen, wo man steht. Der Kontakt mit Menschen von außen tut uns gut, wir lernen viel dazu. Ich bin sehr glücklich mit der kontemplativen Lebensweise im Tätig-Sein. Kloster und Beruf schließen sich nicht aus. Ich selbst habe die Ausbildungen zur Krankenschwester und zusätzlich zur Heilmasseurin und Bademeisterin gemacht. Auf natürliche Weise zu heilen hat mir sehr viel Freude bereitet. Heute übe ich meinen gelernten Beruf nicht mehr aus, da ich seit 1994 Generaloberin bin.

Wie sieht der Alltag der Marienschwestern aus?
Im Mutterhaus in Linz sind wir 30 Schwestern. Hier sind auch unsere Ordensleitung, die Ordensjugend und die Paramentik untergebracht sowie Schwestern, die hier ihren Lebensabend verbringen. Trotz unterschiedlicher Berufe gibt es bei uns Fixpunkte im Tagesablauf, wie etwa das Stundengebet. Der Tag beginnt um 6.25 Uhr mit der Laudes, dem Morgengebet, und danach der Heiligen Messe. Viele meditieren vorher in ihrem Zimmer, in der Kirche oder im Meditationsraum. Jede Schwester hält mindestens eine halbe Stunde Meditation am Morgen oder abends. Für mich ist es mein Elixier in der Früh. Von 8 Uhr bis zum Mittagsgebet um 11.30 Uhr wird gearbeitet. Danach gibt es Mittagessen sowie freie Zeit bis 13.30 Uhr. Bis 17 Uhr wird wieder gearbeitet, anschließend ist Gebetszeit, um 17.30 Uhr die Vesper und danach das Abendessen. Später folgt die Komplet, das kirchliche Abendgebet, sowie eine geistliche Lesung. Mein Tag endet um 21 Uhr. Ich stehe dafür lieber früher auf.

So einen Tagesablauf können sich viele Junge nicht mehr vorstellen. In vielen Klöstern mangelt es an Nachwuchs ...
In letzter Zeit gab es bei uns verstärkt Anfragen von Frauen, die im Kloster stille Tage verbringen oder eine Zeitlang bei uns mitleben wollen. Viele wollen sich einmal zurückziehen, ausspannen oder auch schauen, ob dieses Leben etwas für sie wäre. Dennoch gibt es nur wenige, die ins Kloster eintreten. Es gibt sehr viele Menschen, die sich im kirchlichen Bereich engagieren, doch die meisten wählen eine andere Lebensform.

Was braucht es für ein Leben im Orden?
Durchhaltevermögen, Treue, einen guten Umgang mit Herausforderungen. Man muss eine Gott-Suchende sein. Ich kann nur aus meiner eigenen Erfahrung erzählen. Dieses Leben ist eine Berufung. Wenn man sie mit ganzem Herzen lebt, ist es eine sehr beglückende Erfahrung und führt zur Fülle des Lebens.

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