Unterwegs mit Rollstuhl
"Für mich ist Barrierefreiheit ein Muss, für dich ein Plus"

Beim letzten "Gehspräch" verdeutlichten Silke Haider und Hermann Rainer, dass Barrierefreiheit in Linz nach wie vor nicht ausreichend gewährleistet ist. | Foto: BRS/Sarah Püringer
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  • Beim letzten "Gehspräch" verdeutlichten Silke Haider und Hermann Rainer, dass Barrierefreiheit in Linz nach wie vor nicht ausreichend gewährleistet ist.
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Die Linzer Rollstuhlfahrerin Silke Haider wohnte lange im Bulgariplatz-Viertel: Letzten Mittwoch erzählte sie der BezirksRundSchau beim "Gehspräch" des Vereins "Linz zu Fuß", mit welchen Barrieren sie hier und in ihrem Alltag zu kämpfen hat.

LINZ. "Für mich ist Barrierefreiheit ein Muss, für andere ein Plus", erklärt Rollstuhlfahrerin Silke Haider. Sie nahm vergangenen Mittwoch, 17. April, zusammen mit dem Verein "Linz zu Fuß" mit auf eine Tour durchs Bulgariplatz-Viertel. Schnell wird klar: Barrierefrei ist hier nichts – Keine der unzähligen Ampeln kann die 37-Jährige bei Grün überqueren. Dafür sind die Schaltungen einfach zu kurz und die Gehsteigkanten zu hoch. Knöpfe, die die Dauer der Grünphase für die Rollstuhlfahrerin verlängern würden, fehlen. Immer wieder muss Tourguide Hermann Rainer den Rollstuhl kippen, um überhaupt die Straße überqueren zu können. Haider, die früher beim Klimabündnis tätig war, arbeitet heute als HR-Expertin bei Silhouette. Privat ist sie häufig rund um den Bulgariplatz unterwegs, nicht zuletzt, weil hier auch die Krabbelstube ihres Kindes liegt. Für die 37-Jährige ist Barrierefreiheit ein Thema der Inklusion, von dem nicht nur Personen im Rollstuhl profitieren: Stufen, schmale Wege oder andere Hindernisse können auch schnell für ältere Menschen oder Leute mit Kinderwägen zum Hindernis werden.

Unterwegs mit dem Rollstuhl

Zur Beginn der Tour macht Haider klar: "Ich kann nur von meiner Warte aus erzählen. Die Bodenbeschaffenheit empfindet jeder Rollstuhlfahrer anders. Es gibt aber genug offensichtliche Barrieren". Eine dieser Barrieren lässt nicht lange auf sich warten: E-Scooter oder Plakatständer zwingen die Rollstuhlfahrerin häufig zum Anhalten. "Ich muss dann Passantinnen und Passanten bitten, mir den Weg freizuräumen", so Haider. Abgesehen davon werden auch Autos, die beim Parken auf den Gehweg ragen, zum Problem. Um auch noch dem Gegenverkehr gut ausweichen zu können, müssten alle Wege mindestens zwei Meter breit sein. "Was viele verwechseln: Fußgängerfreundlich bedeutet nicht gleich Rollstuhl-freundlich", weiß Haider. Bei der Unterführung am Hinsenkampplatz hat sie etwa alleine keine Chance. Auch große Pflastersteine stellen sie vor eine Herausforderung. Beim Queren der Straße bleibt der 37-Jährigen nichts anderes übrig, als den Fahrrad-Streifen zu nutzen – eine Notlösung, schließlich gelten Personen im Rollstuhl auch als Fußgängerinnen oder Fußgänger. Neben den hohen Gehsteigkanten wird bei der Tour aber auch das Blindenleitsystem zum Problem: "Hier kommen sich verschiedene Arten von Barrierefreiheit in die Quere. Es ist wichtig und gut, dass es diese gibt, man müsste aber eine passende Lösung für alle finden", so Haider. Bis es diese gibt, nimmt sie weiterhin die Gefahr in Kauf, sich in Konkurrenz mit den Fahrrädern zu begeben.

Hier ist für Silke Haider gezwungenermaßen Stopp: Treppen unterbrechen in der Hamerlingstraße den Gehweg. Für die Rollstuhlfahrerin bedeutet das ein Umdrehen, Umwege und einen Zeitverlust. | Foto: BRS/Sarah Püringer
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Gefährlich sind außerdem Wege, die plötzlich von Stufen unterbrochen werden, wie es in der Hamerlingstraße der Fall ist. "Das ist auch für die Gruppe der Blinden und Sehbeeinträchtigen ein großes Aufreger-Thema in Linz", weiß eine der Teilnehmerinnen. Bei der Tour durchs Bulgariplatz-Viertel wird klar: Für die Rollstuhlfahrerin gibt es keine kurzen Wege. Sie kann keine Abkürzungen nehmen, geschweige denn schnell eine Straße ohne gesicherten Überweg queren. Das führe häufig zu Umwegen, die schon einmal fünf Minuten kosten. Für längere Wege nimmt Haider ausschließlich ihren elektrischen Rollstuhl oder das Auto. "Bei meinen Reisen habe ich die Erfahrung gemacht, dass Fahrradstädte, wie Hamburg oder Kopenhagen, hinsichtlich Barrierefreiheit einfach viel weiter sind", berichtet sie.

Unterwegs mit den Öffis

Barrierefreiheit würde sich die Rollstuhlfahrerin auch bei ihren Fahrten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln wünschen. Zwar gibt es in Linz Niederflurfahrzeuge, aber die Haltestellen sind das Problem. "In den letzten Jahren hat sich zwar einiges getan, aber es ist zu einer Problemverlagerung gekommen", erklärt Haider. Als Negativbeispiel nennt sie die Mozartkreuzung in Fahrtrichtung Universität, weil hier die Gehsteig-Höhe nicht passt. Bei Fahrten mit dem Bus kommt hinzu, dass der Fahrer oder die Fahrerin händisch die Rollstuhlrampe ausklappen muss. Auch hier verweist Haider auf Hamburg oder Kopenhagen, wo Fahrgäste diese Aufgabe übernehmen können: "In Fahrradstädten werden Mitfahrende ganz anders eingebunden. Es herrscht ein anderes Verständnis dafür, wie man sich gegenseitig hilft" – Verständnis, das in Linz manchmal fehlt: Busfahrerinnen und Busfahrer würden nicht immer Sensibilität beweisen.

Unterwegs als Mutter mit Kinderwagen

"Egal, ob als Mann oder Frau im Rollstuhl, Barrierefreiheit ist immer ein Thema", meint Haider während der Tour. Was sie aber schon bemerkt habe, ist, dass ihre Rolle als Mutter zusätzliche Anfeindung brachte. Als Mama eines zweijährigen Kindes nutzt sie mit einer persönlichen Assistenz manchmal die Öffis. Schon öfter trat dabei der Kinderwagen in Konkurrenz mit dem Rollstuhl und Fahrgäste beschwerten sich, dass Mutter und Kind nebeneinander zu viel Platz in Anspruch nehmen würden. Wo Enge tatsächlich zum Problem werden könne, sind Wickelräume, die sich häufig in barrierefreien Toiletten befinden. Eine Separierung wäre nötig – natürlich ebenfalls ohne Barrieren. In der Stadt weiß Haider nur von zwei öffentlichen Toiletten für Rollstuhlfahrende. Daher freut sie sich auch sehr, dass am neuen inklusiven Spielplatz im Volksgarten eine weitere entstehen soll.

"Mein Wunsch ist, gefragt zu werden"

Zum Abschluss der Tour betont Haider: "Mein Wunsch ist, gefragt zu werden. Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer müssen in die Stadtplanung miteinbezogen werden". Aber nicht nur Einzelpersonen, sondern auch verschiedene Organisationen, sollten Teil sein. Dadurch wären nachträgliche Anpassungen Geschichte. Ähnlich sieht es Rainer, der sich für ganzheitliches Denken ausspricht: "In Linz liegt der Fokus eindeutig auf den Autos, dann auf den Fahrrädern und erst zuletzt auf den Fußgängerinnen und Fußgängern. Das schafft eine Konkurrenz um Fläche. Sowieso sind Einzelkonzepte wenig sinnvoll". Denn, was für manche eine Verbesserung bedeute, könne für andere hingegen eine Verschlechterung sein. Mehr Infos zum Verein "Linz zu Fuß" und ähnlichen Touren: linzzufuss.at

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