"Wir schicken niemanden weg"

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"Wer an diese Tür klopft, macht das nicht aus Jux und Tollerei." Wenn Wolfgang Waldburger die Tür der Urfahraner Hauptstraße 60 öffnet, stehen vor ihm Jugendliche, die ihr Zuhause verloren haben. Sie landen auf der Straße, schlafen mal hier, mal da, und landen schließlich im UFO, der Jugendnotschlafstelle der "Sozialen Initiative". Laut Gesetz haben Heranwachsende einen rechtlichen Anspruch auf angemessene Wohnverhältnisse, auf sozialpädagogische Hilfen und Betreuung. Und doch gibt es in Linz Straßenkinder.

Konflikte mit der Familie

"Im Jahr kommen etwa 110 neue Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren zu uns", sagt Waldburger. Das UFO bietet Platz für fünf Mädchen und fünf Burschen, dazu gibt es sechs Notschlafplätze. Die meisten Jugendlichen, die auf der Straße landen, haben Konflikte mit ihren Familien. Gewalt, Misshandlungen und sexueller Missbrauch treiben sie aus dem Haus. Manchmal sind es die Eltern selbst, die ihre Sprösslinge vor die Tür setzen. "Wenn Kinder 18 werden, glauben manche Eltern, sie sind nicht mehr zuständig. Zu diesem Zeitpunkt tun sie sich leichter, das Kind wegzuschicken. Da reicht oft ein kleiner Anlass wie eine abgebrochene Lehre oder ein Diebstahl." Für die jungen Erwachsenen ist die Situation besonders schwierig, denn mit der Volljährigkeit laufen sie Gefahr, durch alle sozialen Netze zu fallen. Die Kinder- und Jugendhilfe ist nicht mehr für sie zuständig und mit den Behörden stehen sie auf Kriegsfuß, meist sind sie zudem arbeitslos.

Gewalt erleben und ausüben

Manchmal ist es aber auch die Polizei, die die Eltern vor ihren Kindern schützen und gegen diese eine Wegweisung aussprechen muss: "In den vergangenen Jahren haben wir immer wieder erlebt, dass 14- oder 15-jährige von der Polizei von zu Hause weggewiesen werden, weil sie etwa gewalttätig gegen die Mutter werden." Bernd Innendorfer von der Polizei erklärt: "In den meisten Fällen passiert so etwas nicht einfach so. Dahinter steckt eine jahrelange Geschichte. Bei einer Eskalationen müssen wir Maßnahmen treffen. Da gehört das Betretungsverbot dazu. Betrifft es junge Menschen, setzen wir uns mit der Kinder- und Jugendfürsorge in Verbindung." Bis die weitere Vorgehensweise geklärt werden kann, landen viele der Kinder im UFO.

Niederschwelliges Angebot

In der Urfahraner Haupstraße bieten sieben Betreuer den jungen Menschen einen Schutzraum, in dem sie einmal durchatmen können und sich nicht sofort mit Forderungen konfrontiert sehen. "Wir sind ein niederschwelliges Angebot und wollen für ein möglichst breites Spektrum eine Anlaufstelle sein. Bei uns kommt man etwa auch unter, wenn man einen Hund oder eine Suchterkrankung hat. Eine Nacht lang kann man auch anonym bleiben", sagt Waldburger. 90 Nächte kann man insgesamt in der Notschlafstelle nächtigen. Weggeschickt wurde noch niemand. "Es gibt sonst keine derartige Einrichtung in Oberösterreich und ich möchte keinen 18-Jährigen in eine normale Notschlafstelle schicken. Das ist kein geeignetes Umfeld für Jugendliche. Wenn sich ein 18-Jähriger mit einem 50-jährigen chronischen Alkoholiker das Zimmer teilen muss, darf man sich nicht wundern, wenn er die Perspektive verliert", so der Sozialarbeiter. Vor allem Minderjährige werden bei Bedarf rasch in speziellen WGs und Wohneinrichtungen untergebracht. "Bei uns muss man um 9 Uhr draußen sein und darf erst um 18 Uhr wieder herein. Das ist schon hart, vor allem wenn es draußen kalt ist und man sich nichts leisten kann."

Entwicklungschancen bieten

Das UFO bietet neben Schlafplätzen auch Beschäftigungs-, Informations- und Freizeitangebote sowie Beratung und Begleitung. Alle zwei Wochen kommen eine Friseurin und eine Ärztin vorbei und die Jugendlichen haben die Möglichkeit, Wäsche zu waschen. Ein wichtiger Ansatzpunkt, um die Kids wieder von der Straße zu holen, ist die Tagesstruktur. "Wir haben ein Arbeitsprojekt in Kooperation mit dem Trödlerladen. Die Tätigkeit trägt dazu bei, dass die Kinder den Tagesrhythmus nicht gänzlich verlieren. Für viele ist das der erste Schritt in einen geregelten Arbeitsalltag." Das Ziel lautet, die Jugendlichen aus ihrer prekären Lage herauszuführen und ihnen Entwicklungschancen zu geben. Denn viele der jungen Menschen haben weder einen Schulabschluss noch eine Ausbildung. "Die meisten hanteln sich von einem Aushilfsjob zum nächsten. Wir versuchen, einen Schulabschluss zu ermöglichen, damit sie wenigsten die Basis für eine weitere Ausbildung haben", sagt Waldburger. Besonders wichtig ist dem UFO-Leiter und seinem Team jedoch, nichts über den Kopf ihrer Klienten hinweg zu entscheiden. "Wir brauchen unbedingt den Auftrag des Jugendlichen. Dafür hat man dann auch seine Energie. Damit bringt man in kurzer Zeit sehr viel weiter."

Die meisten der UFO-Klienten schaffen den Absprung. "Die Umstände, unter denen sie zu uns kommen, sind meistens sehr schlimm. Aber sie blicken immer positiv auf die Zeit zurück, die sie hier verbracht haben", freut sich Waldburger, dass viele seiner ehemaligen Schützlinge dem UFO immer wieder einen Besuch abstatten – viele mit ihren eigenen Familien.

Das UFO befindet sich in der Hauptstraße 60 in Urfahr. Es steht für alle offen, die Hilfe brauchen – egal ob Jugendliche oder Eltern. Mehr Infos erhalten Sie unter 0732/714058 oder www.soziale-initiative.at

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