"Scientists for Future"
"Beim Verkehr nehmen die Emissionen zu, statt ab"

Bei den jüngsten Klimaprotesten in Linz stellten sich auch die "Scientists for Future" hinter die Aktivistinnen und Aktivisten. Unter ihnen auch der Linzer Forscher Mirko Javurek (3. v. li.). | Foto: "Letzte Generation".
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  • Bei den jüngsten Klimaprotesten in Linz stellten sich auch die "Scientists for Future" hinter die Aktivistinnen und Aktivisten. Unter ihnen auch der Linzer Forscher Mirko Javurek (3. v. li.).
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Bei den jüngsten Klimaprotesten der "Letzten Generation" in Linz stellten sich auch die "Scientists for Future" hinter die Aktivistinnen und Aktivisten. Wir haben mit einem Mitglied – dem Linzer Forscher Mirko Javurek – über seine Beweggründe, Sorgen und Vorschläge gesprochen.

LINZ. Seit 2019 haben sich unter der internationalen Bewegung "Scientists for Future" rund 30.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem deutschen Sprachraum angeschlossen. Einer von ihnen ist Mirko Javurek (50). An der JKU forscht der Mechatroniker im Bereich Strömungs- und Wärmeprozesse. Seit ihrer Gründung ist er in der oberösterreichischen Regionalgruppe aktiv. Wir haben ihn zum Interview gebeten.

Warum engagieren Sie sich bei "Scientists for Future"?
Mirko Javurek:  Ziel von Scientist for Future ist es, die Klimaproteste und deren Forderungen als wissenschaftlich begründet zu unterstützen, und auch die Klimakatastrophe und die Klimaschutzmaßnahmen der Politik und Öffentlichkeit gegenüber verständlich zu machen. Ich bin in der oberösterreichischen Regionalgruppe von Anfang an aktiv, weil ich mir große Sorgen über drastischen Folgen der Klimakrise mache. Ich sehe es als wesentliche Verantwortung gegenüber den nächsten Generationen, dass wir jetzt rasch handeln und alles tun, um den nächsten Generationen eine lebenswerte Welt zu hinterlassen.

Wie wirkt sich der Klimawandel jetzt schon auf Linz aus?
Der Hitzesommer 2018 hat gezeigt, dass Oberösterreich im Vergleich zu anderen Bundesländern besonders stark von Hitze und Trockenheit betroffen war. Die Donaukraftwerke hatten durch den niedrigen Wasserstand eine deutlich reduzierten Stromerzeugung. Noch konnten diese Engpässe durch den Einsatz nicht nachhaltiger Stromerzeugung aufgefangen werden, aber wenn sich die Klimakatastrophe weiter verstärkt, wird das bald nicht mehr möglich sein. Die Flüsse erwärmen sich auch stärker, wodurch die Industrie mit der Kühlung Probleme bekommt.

Generell sind Städte wie Linz besonders stark betroffen: Die aktuell erreichte durchschnittliche globale Erderwärmung von 1,2 °C bedeutet in Städten bis zu 5 °C höhere Temperaturen, Tendenz leider stark steigend. Immer mehr Haushalte installieren Klimageräte, um die Hitze im Sommer besser ertragen zu können. Dass es im Winter kaum noch Schnee in Linz gibt, wird viele nicht stören, aber es bedeutet auch, dass viele Schigebiete in OÖ, wie zum Beispiel Kirchschlag bei Linz aufgegeben werden müssen, und der Dachsteingletscher schon stark geschrumpft ist, und bald verschwunden sein wird. Momentan sind die Auswirkungen in Linz also schon spürbar, aber wenn wir so lange warten, bis wir deutlich darunter leiden, ist es zu spät, um noch etwas dagegen tun zu können. Infos dazu liefert etwa der Klimaerlebnisraum.

Was fordern Sie von der Politik - im Speziellen der Stadtpolitik?
Ich sehe es positiv, dass an einer umfassenden Klimaschutz-Strategie gearbeitet wird. Allerdings verlieren wir gerade wertvolle Zeit, wenn wir noch ein Jahr auf die Ergebnisse warten, obwohl jetzt schon viel getan werden könnte. Und dann ist für mich noch nicht klar, ob für die Umsetzung der Strategie auch die entsprechend nötigen Budgets und politischen Entscheidungen getroffen werden. Ich sehe den dringendsten Handlungsbedarf beim Verkehr: Da nehmen die Emissionen weiterhin zu statt ab und machen Einsparungen in anderen Bereichen zunichte. Daher wäre es in Linz dringend nötig, den Autoverkehr zu reduzieren. Laut einer JKU-Studie könnten mehr als die Hälfte der Autofahrten jetzt schon eingespart werden, wenn der rote Teppich für den öffentlichen Verkehr, das Rad fahren und zu Fuß gehen ausgelegt würde, statt so wie bisher hauptsächlich für den Autoverkehr.

Ein Bau- beziehungsweise Planungsstopp von sämtlichen Straßenbauprojekten wie der Westring-Bahnhofsautobahn und der Ostumfahrung wären ein Anfang. In Paris dürfen ab 2024 keine Diesel-Fahrzeuge und ab 2030 keine Verbrenner-Fahrzeuge mehr fahren. Für den Ausbau des Radverkehrs braucht es ein ähnliches Budget wie in Graz, wo jeweils 10 Millionen Euro in 10 Jahren ausgegeben werden, statt wie in Linz derzeit 0,5 Millionen Euro - damit erreichen wir nie einen attraktiven, flächendeckenden Ausbau des Radverkehrs. Auch Projekte für den öffentlichen Verkehr wie die S-Bahnen ins Mühlviertel müssen entschlossen und rasch angegangen werden. Alle Stadtteile brauchen eine dicht getaktete Anbindung, auch am Abend und am Wochenende. Durchgehende Busspuren müssen eingerichtet werden, sodass Busse nie mehr im Stau stehen. Auch für Fußgängerinnen und Fußgänger muss mehr Platz geschaffen werden. Ein autofreier Hauptplatz sollte beispielsweise schon längst umgesetzt sein. 

Was kann jeder selbst tun, um seine persönliche CO₂-Bilanz zu verbessern?
Die größten Hebel liegen auch hier im Bereich der Mobilität: Fliegen und Autofahren haben den größten schädlichen Einfluss auf die persönliche CO₂-Bilanz. Bei der Ernährung bringen pflanzliche Biolebensmittel anstelle von Fleisch, Fisch und Milchprodukten am meisten. Beim Wohnen ist es die Energie fürs Heizen, die idealerweise durch gute Wärmedämmung möglichst reduziert und mit erneuerbarer Energie bereitgestellt wird, zum Beispiel durch eine Wärmepumpe mit Ökostrom oder eine Holzpelletsheizung anstelle von Gas oder Öl.
Mehr dazu in der Aufzeichnung meines VHS-Vortrags: HIER

Viele kritisieren die Klimaproteste als "zu radikal" – Stichwort Klima-Kleber. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Es ist traurig, dass es diese Art des Protests braucht, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Zehntausende Menschen sind im Rahmen der Klimastreiks auf die Straße gegangen und haben nicht ansatzweise die gleiche Aufmerksamkeit bekommen wie die aktuellen "radikaleren" Proteste. In der Geschichte gab es schon öfter ähnliche Situationen, wie zum Beispiel im Kampf gegen die Rassendiskriminierung, wo mit angemeldeten Demonstrationen, Petitionen und Gesprächen mit Politikerinnen und Politikern nichts erreicht wurde. Martin Luther King wurde damals auch stark kritisiert, heute ist er bekannt für seinen Einsatz, der zum Erfolg geführt hat. Teilweise wird sogar von "Klimaterroristen" gesprochen. Rechtswissenschaftler Professor Alois Birklbauer von der JKU meint dazu: "Wir brauchen eine Abrüstung der Worte. Die Bezeichnung "Klimaterroristen" für Aktivistinnen und Aktivisten ist völlig unangebracht. Wenn man beachtet, wie stark durch unterlassene Maßnahmen das Klima geschädigt wird, wäre es passender zu sagen, dass die größeren Terroristen in der Regierung sitzen." 

Wo können sich Interessierte seriös und leicht verständlich über den Klimawandel informieren?
Der Klimawandel ist für mich das komplizierteste globale Problem, mit dem sich die Menschheit je auseinandersetzen musste. Dementsprechend schwierig ist es, den Klimawandel einfach verständlich zu erklären. Nachdem die für den österreichischen Klimarat zufällig aus der Bevölkerung ausgewählten Menschen eine mehrtägige Intensivausbildung mit Klimaexpertinnen und -experten absolviert hatten, stellten viele von ihnen fest, dass sie für ihre erarbeiteten Vorschläge keine Volksabstimmungen empfehlen können. Ohne die Ausbildung hätten sie selbst die falschen Entscheidungen getroffen. Das zeigt, wie hoch der Informationsbedarf in der Bevölkerung noch ist. Ich möchte das aktuelle Buch "Earth for all" des Club of Rome empfehlen, von dem es HIER eine kostenlose Zusammenfassung gibt. Es schildert anschaulich anhand des Schicksals von vier verschiedenen Menschen in unterschiedlichen Erdregionen, wie wir durch eine bewusste Veränderung ein besseres Leben für alle erreichen können, oder aber auch, was auf uns zukommt, wenn wir zu spät handeln und zu wenig tun. Fakten in Form von Diagrammen und Texte sind beispielsweise HIER zusammengestellt. Dann ist da noch der 6. IPCC Bericht als seriöse, aber leider nicht unbedingt leicht verständliche Informationsquelle, von dem es HIER auch deutsche Übersetzungen gibt. Kernaussage: Es ist nach wie vor möglich, die globale Erwärmung zu begrenzen. Dafür sind allerdings eine sofortige globale Trendwende sowie tiefgreifende Treibhausgas-Minderungen in allen Weltregionen und allen Sektoren nötig.

AM 19. April um 18 Uhr lädt die "Letzte Generation" zum Krisengespräch im Seminarraum 2 des KHG-Studentenheims in der Mengerstraße 23 statt. Dort wird Mirko Javurek versuchen,  die Klimakrise anschaulich zu erklären. 

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