Kinderbetreuung
"Ein echter Notstand" bei Plätzen für Integrationskinder

Die Wartelisten für Plätze in Integrationskindergärten sind lange. | Foto: woodpencil/panthermedia
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Nicht alle Kinder mit Beeinträchtigungen haben in Linz einen Betreuungsplatz. Besserung ist kaum in Sicht, denn die Verantwortlichen von Stadt und Land schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu.

LINZ. Wie viele Eltern von Kindern mit Beeinträchtigungen hat auch Frau U. eine Odyssee hinter sich. Seit November letzten Jahres ist ihre heute fünfjährige Tochter ohne Betreuungsplatz. Sie leidet an frühkindlichem Autismus und braucht intensive Unterstützung. Für den Kindergarten war das zu viel. "Die haben gesagt, dass meine Tochter hier falsch ist, weil sie eine 1:1-Betreuung braucht", so Frau U. Doch auch bis dahin war die Zeit begrenzt. Zuerst durfte sie nur zwei Stunden in der Integrationsgruppe des Kindergartens sein, dann drei Stunden. Vor dem Mittagessen musste Frau U. ihre Tochter wieder abholen, weil sie gefüttert werden muss. Einen Beruf kann sie deshalb nicht ausüben: "Seit meine Tochter die Diagnose hat, bin ich zu Hause." Der Mann geht arbeiten, sie versorgt die Tochter und den älteren Bruder. Ungewöhnlich ist die Situation der 35-Jährigen nicht. "Ich kenne viele Eltern, die diese Probleme haben", berichtet Frau U. der BezirksRundSchau.

Warten auf den Wartelisten

Keinen Betreuungsplatz hat mittlerweile auch der fünfjährige Sohn von Frau D, der an einer Atrophie im Klein- und Großhirn leidet. Bis vor zwei Monaten war er in einer Integrationsgruppe in Linz. Dann hat er eine neue Diagnose bekommen: Neuronale Ceroid-Lipofuszinose, eine seltene Krankheit, die auch Kinderdemenz genannt wird. Die Lebenserwartung ist zehn bis zwölf Jahre. "Man kann es behandeln, aber der Prozess wird nur verlangsamt", sagt Frau D. Schon davor durfte er nur zwei Stunden im Kindergarten bleiben, als er angefangen hat zu stolpern, war Schluss. "Sie haben gesagt, es geht nicht mehr, weil sie ihn nicht die ganze Zeit an der Hand halten können", hieß es. Heute sitzt er im Rollstuhl. "Es wird nur schlimmer mit ihm", sagt die verzweifelte Mutter. Wie es weitergeht, weiß sie nicht. Ihr Sohn ist auf diversen Wartelisten, ihre Pflegekarenz ist ausgelaufen und sie muss gerade klagen, weil er nur Pflegestufe 1 bekommt. 

Klagen werden immer massiver

Einzelfälle sind das keine. "Bei uns in der Beratungsstelle für Menschen mit Behinderung werden die Klagen über die fehlende Kinderbetreuung im Elementarbereich immer häufiger und massiver", berichtet eine Sozialarbeiterin. Wenn jemand überhaupt einen Platz bekommt, dann oft nur für wenige Stunden. Mit einem Beruf lässt sich das kaum vereinbaren. Dabei wären Integrationsgruppen gerade für Kinder mit Autismus besonders wichtig, da sie im Umgang mit gesunden Kindern wachsen. Für berufstätige oder arbeitssuchende Eltern, hier vor allem für Alleinerziehende, bedeutet das nicht zuletzt auch ein veritables finanzielles Problem. Längst sprechen Beteiligte von einem echten Notstand.  

Uneinigkeit über Verantwortung

Über die Gründe für die Misere wird viel diskutiert. Fakt ist, dass es zu wenig Plätze gibt, sowohl für "I-Kinder" als auch in heilpädagogischen Gruppen. So haben im Juni in Linz insgesamt 232 Integrations-Kinder einen Kindergarten besucht, 40 waren vorgemerkt. Damit schafft es die Stadt laut eigenen Angaben zwar, jedem rechtzeitig angemeldeten Kind, zumindest im verpflichtenden Kindergartenjahr einen Platz zur Verfügung zu stellen, für jüngere Kinder gilt das freilich nicht. Über Qualität und Stundenzahl der Betreuung sagt das ohnehin noch nichts aus. Auch die Pädagogen leiden unter dem hohen Erwartungsdruck der Träger und der Eltern.

Stadt verweist auf Land

Aus Sicht der Stadt fehlt es einerseits an heilpädagogischen Gruppen, für deren Errichtung das Land zuständig ist. Andererseits mangelt es an "Stützkräften", die sich in Integrationskindergärten um die I-Kinder kümmern. "Leider sind die diesbezüglichen Budgetmittel des Landes gedeckelt, sodass die vom Land finanzierten Assistenzkräfte nicht ausreichen, um den notwendigen Betreuungsaufwand der Integrationskinder abzudecken", heißt es aus dem Büro von Sozialreferentin Karin Hörzing zur BezirksRundSchau. Die Stadt Linz leiste einen außerordentlichen Beitrag zur Problemlösung, indem sie bereits jetzt deutlich mehr Assistenzkräfte zur Verfügung stelle, als vom Land Oberösterreich finanziert werden.

Land verweist auf steigende Budgets

Ob mehr Geld alleine die Krise lösen kann, ist angesichts des generellen Personalmangels im elementarpädagogischen Bereich fraglich. Beim Land OÖ will man die Kritik jedenfalls so nicht auf sich sitzen lassen und verweist auf die steigenden Budgetmittel. So seien die Beträge für Stützkräfte seit 2019 von 12,26 Millionen Euro auf aktuell 13,3 Millionen Euro gestiegen. Heilpädagogische Gruppen werden gänzlich vom Land finanziert. "Der Bedarf ist von den Rechtsträgern der Bildungsdirektion bekannt zu geben und wird - wie auch sonst - von der Bildungsdirektion geprüft", heißt es aus dem Büro der Bildungsreferentin LH-Stellvertreterin Christine Haberlander. 

"Besser als nichts"

Den betroffenen Familien bringt der Streit um die Verantwortung keine Verbesserung. Zumindest Frau U. und ihre Tochter haben ab September eine neue Perspektive, dank eines Betreuungsplatzes in einer heilpädagogischen Gruppe außerhalb der Stadt. Das ist zwar weit weg und mühsam, aber "besser als nichts". Frau D. hängt nach wie vor in der Luft.

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