Interview
"Ich hoffe sehr, dass man nicht nur kurzfristig Feuerwehr spielt"

Otto Tremetzberger zieht nach acht Jahren im Stadtkulturbeirat eine positive Bilanz über die "Kulturstadt Linz". | Foto: BRS
  • Otto Tremetzberger zieht nach acht Jahren im Stadtkulturbeirat eine positive Bilanz über die "Kulturstadt Linz".
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Der scheidende Stadtkulturbeirats-Vorsitzende Otto Tremetzberger spricht im Rundschau-Interview über Geld, Corona, Ehrenamt und den Sinn von Kunst und Kultur.

LINZ. Der Stadtkulturbeirat ist ein beratendes Gremium der Stadt Linz in kulturpolitischen Fragen und besteht aus 24 Mitgliedern verschiedenster Bereiche. Von 2016 bis 2021 war der Autor, Medien- und Kulturmanager Otto Tremetzberger Vorsitzender.

Sie waren acht Jahre im Stadtkulturbeirat. Wie hat sich die Kulturstadt Linz in dieser Zeit entwickelt?
Otto Tremetzberger: Meine erste Periode war noch von Kürzungsdiskussionen geprägt. Ab etwa 2019 hat sich das doch geändert. Wir haben 2020/21 eine Erhöhung der Förderung für die freie Kunst- und Kulturszene um jährlich circa 250.000 Euro. Die Stadt hat damit zum ersten Mal seit Langem auf die prekäre Situation der Initiativen reagiert. Auch haben Politik und Verwaltung das Corona-Problem sehr gut erkannt und die Freie Szene bei der Wiederankurbelungsförderung „Pakt für Linz“ mit einer Million Euro berücksichtigt.

Worauf führen Sie diesen Sinneswandel zurück?
Es ist gelungen, ein breites politisches Bewusstsein für die schwierige Situation der Kunst und Kultur herzustellen, insbesondere der freien.

"Das strukturelle Defizit ist offensichtlich"

Corona belastet die Stadtfinanzen. Befürchten Sie nicht, dass irgendwann auch die Kultur wieder auf der Kürzungsagenda steht?
Das strukturelle Defizit bei den Initiativen ist ja offensichtlich und ich hoffe sehr, dass man nicht nur kurzfristig Feuerwehr spielt, sondern sich auch mittel- und langfristig Gedanken macht, wie man diesen Nachholbedarf abdeckt und diese positive Entwicklung nicht wieder rückgängig macht.

Bei Kulturpolitik geht es – so hat man den Eindruck – fast ausschließlich ums Geld. Hat der Stadtkulturbeirat auch über anderes diskutiert?
Wir haben über Kulturpolitik an sich diskutiert. Ich finde eine Auseinandersetzung und einen Dialog zwischen den Kulturschaffenden und der Politik wichtig. Da gibt es ein grundlegendes gegenseitiges Misstrauen, aber ich habe eine große Dialogbereitschaft in den letzten Jahren gesehen.

"Gute Zusammenarbeit mit der Politik"

Wie war die Zusammenarbeit mit der Politik?
Ich habe die Zusammenarbeit mit allen Mitgliedern des Kulturausschusses, die auch im Beirat beratend teilnehmen, sehr positiv wahrgenommen. Die Zusammenarbeit mit der Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer jedenfalls auch. Man muss ihr zugutehalten, dass sie sich wirklich für den Bereich interessiert und Lösungen sucht. Das gilt auch für den Bürgermeister Klaus Luger, sonst wäre diese Erhöhung ja nicht zustande gekommen. Auch der Kulturamtsleiter Julius Stieber kennt die Szene gut.

Die FPÖ kritisiert immer wieder Förderungen im Kulturbereich, etwa für das Lentos. Wie publikumswirksam muss Kunst eigentlich sein?
Es ist vielleicht auch ein Ergebnis der Pandemie, dass das nicht mehr so im Mittelpunkt steht. Man denkt nicht mehr nur an Zahlen, sondern auch an Inhalte und grundsätzliche Fragen, etwa wozu wir Kultur überhaupt brauchen, in welche Richtung sie sich entwickeln kann und vor allem, was die Organisationen und Initiativen von der Politik brauchen, damit sie arbeiten können.

"Massiver Nachholbedarf"

Und was ist das?
In der technischen Infrastruktur gibt es einen massiven Nachhol- und Investitionsbedarf. Viele haben nicht die Möglichkeiten und Ressourcen gehabt, Veranstaltungen virtuell zu realisieren. Das wird man auch in den nächsten Jahren im Auge haben müssen.

Wie durchlässig sind die großen Institutionen, wenn es um die regionalen Kunst- und Kulturschaffenden geht?
Ein wichtiger Aspekt bei unseren Stellungnahmen und Gesprächen mit den Leitern der Institutionen waren Maßnahmen und Strategien, um diese Häuser möglichst zu öffnen – für ein breites Publikum und für die Linzer Kulturschaffenden. Ich habe schon das Gefühl, dass sich alle Institutionen diesen Anspruch zu Herzen nehmen.

Seit dem Musiktheater hört man immer, die Kulturstadt Linz sei nun voll „ausgebaut“. Wo orten Sie noch Baustellen?
Die Grundlage unserer Arbeit war immer der Kulturentwicklungsplan und da ist einiges noch abzuarbeiten. Wir sind, was die schrittweise Erhöhung der Förderungen betrifft, noch nicht dort, wo man sein könnte und sollte. Und dann gibt es eine ganze Reihe von Themen, die wir als Beirat in den letzten Jahren nur andiskutiert haben, zum Beispiel das Thema Interkulturalität, Fair Pay oder die Frage nach leistbaren Räumen.

"Am Land bäckt man kleinere Brötchen"

Sie sind seit 17 Jahren auch Geschäftsführer vom Freien Radio Freistadt. Wie unterscheidet sich Stadtkultur von der Kultur auf dem Land, abgesehen von den großen Einrichtungen?
Die urbane Kultur ist in weiten Bereichen eine ganz andere als die ländliche. Das Angebot ist viel breiter, vielfältiger, es gibt viel mehr Akteure und es geht um viel mehr Geld. Im Vergleich dazu backen die Initiativen am Land oft sehr kleine Kuchen. Man ist zwar vor Ort relevanter und sichtbarer als eine Initiative von vielen in der Stadt, aber arbeitet natürlich unter ganz anderen und viel kleineren Voraussetzungen.

Was würden Sie am Stadtkulturbeirat ändern?
Das Gremium arbeitet ehrenamtlich und es stellt sich die Frage, ob man die Mitglieder nicht irgendwie entschädigen sollte. In den letzten Jahren war der Großteil bei allen Sitzungen präsent, hat sich an den Arbeitsgruppen beteiligt, war engagiert und dafür muss man den Leuten wirklich dankbar sein.

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Anmerkung: Die Zusammensetzung des neuen Stadtkulturbeirats dürfte Anfang des Jahres 2022 feststehen.

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