B'hofens Wort-Schatz
Viele Jahre war das Schreiben für Gertrude Mücke Luxus. Während sie in der elterlichen Weberei mitarbeitete, hatte die heute 96-Jährige keine Zeit ihrer künstlerischen Neigung nachzugehen. Mit der Pensionierung kam die Zeit und auch der Erfolg. Die B'hofenerin verfasste mehr als 210 Gedichte, 15 Theaterstücke und Bücher. Heute ist sie die älteste Mundartdichterin Österreichs.
Die, 1915 in Zürich geborene, Gertrude Mücke wollte jahrzehntelang nur eines – Zeit haben, um schreiben zu können, wann immer ihr danach war. Dieser Wunsch wurde ihr lange verwährt. Sie musste schon mit 15 Jahren die Schule verlassen, um in der elterlichen Weberei in Seekirchen mitzuarbeiten. Die jetzige Bischofshofenerin erinnert sich: „Ich erledigte Vorbereitungsarbeiten, direkt in der Weberei wollte ich nicht arbeiten, dort war es immer so laut. Mit 16 Jahren kümmerte ich mich bereits um die Bilanzbuchhaltung für den gesamten Betrieb. Aber was ich wirklich wollte, war Lehrerin werden und schreiben. Gerne schrieb ich in mein Tagebuch, doch wenn ich meinen Vater hörte, schlug ich schnell das Bilanzbuch auf, damit er mein Tagebuch nicht entdeckte.“
Mit dem Theater kam ihr Durchbruch
Bereits in jungen Jahren spürte Gertrude Mücke die Liebe zum Schreiben und hielt ihre Berg- und Skitouren in Gedichten und Texten fest. „Auch in der Schule hatte ich immer gute Aufsätze geschrieben und die Lehrer versuchten meinen Vater stets zu überreden, mich studieren zu lassen, doch ohne Erfolg“, erinnert sich die heute 96-Jährige. Erst nach ihrer Pensionierung kam die Zeit zum Schreiben und niemand konnte Gertrude Mücke mehr Papier und Stift abnehmen.
Mit dem Theaterstück „Die Protestantenvertreibung von Goldegg“, das 1981 im örtlichen Schloss Premiere feierte, feierte Mücke auch ihren ersten Erfolg. „Ich hatte Blut geleckt“, lacht die Dichterin und Buchautorin heute, „kurz darauf gründete ich in meinem Heimatort Bischofshofen eine Theatergruppe und heuerte Bischofshofener auf der Straße an, bei meinen Stücken mitzuspielen, die ich selbst schrieb und bei deren Aufführungen ich Regie führte.“ Auch der jetzige Bürgermeister Jakob Rohrmoser gehörte zu den Schauspielern, erinnert sich Mücke an diese, wie sie selbst sagt, schönsten zehn Jahre ihres Lebens. Von den insgesamt 15 Theaterstücken zu unterschiedlichsten Themen aus ihrer Feder wurden 13 in Bischofshofen dargeboten. „Als ich aufhörte das Theater zu leiten, war es auch mit der Gruppe zu Ende“, bedauert Mücke diese Tatsache. Neben den Lustspielen schrieb die leidenschaftliche Wanderin über 210 Gedichte, Bücher und hielt unzählige Vorträge. Das alles ging ihr leicht von der Hand: „‚Den Seinigen gibt's der Herr im Schlaf‘, so sagt man doch“, lacht Gertrude Mücke, „oftmals bin ich nachts wach geworden und habe gute Zeilen für Gedichte oder konkrete Ideen im Kopf gehabt, die ich sogleich niederschrieb. Es durfte mich nur niemand stören, dann ging das Schreiben ganz von selbst. Heute könnte ich nicht mehr dichten, es scheint mir selbst, als hätte ich bereits alles gesagt.“ Mittlerweile ist die rüstige 96-Jährige die älteste Mundartdichterin Österreichs und mit vielen Ehrungen, wie dem Kulturpreis der Stadt Bischofshofen und der Verdienstmedaille des Landes Salzburg für Theaterleistungen ausgezeichnet worden. Nicht zuletzt ihr berühmtestes Gedicht „Österreich“, welches wie sie sagt zum Renner wurde, trug dazu bei. „Alle wollten dieses Gedicht über unsere neun Bundesländer immer wieder hören. Mittlerweile trage ich es stets mit mir herum – in meinem Gedächtnis“, freut sich Mücke, die weiß, dass ihre Gedichte sie geistig fit halten, „wenn ich Zeit dazu habe oder nicht schlafen kann, sage ich mir das Gedicht selbst vor – wenn ich das nicht mehr kann, weiß ich, dass ich vergesslich geworden bin.“
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