Meine, deine und die eine Wahrheit
Integrationsexperte Bahri Trojer im BB-Interview über "Interkulturelle Kompetenz".
TAMSWEG. Interkulturalität bezeichnet den gegenseitigen Austausch zwischen Kulturen. Wie merkt jemand, ob er/sie in diesem Bereich "kompetent" ist?
BAHRI TROJER: "Ob jemand interkulturelle Kompetenz hat oder nicht, hängt davon ab, wie viel Verständnis man für andere Kulturen hat bzw. wie bereit jemand ist, sich in interkulturellen Überschneidsituationen angemessen zu orientieren und zu verhalten. Dazu gehören Sachkompetenz, Sozialkompetenz, Selbstkompetenz und Handlungskompetenz. Interkulturelle Kompetenz kann als Sammelbezeichnung für vielfältige Anforderungen in sozialer und kommunikativer Hinsicht gelten, die z. B. Empathie, Konfliktfähigkeit, Ambiguitätstoleranz (die Fähigkeit, mehrdeutige Situationen, widersprüchliche Handlungsweisen und Unsicherheiten zu ertragen) etc. umfasst. Dafür ist Offenheit bzw. Bereitschaft zu Reflexion sehr wichtig."
Was mache ich, wenn interkulturelle Kommunikation in eine negative Richtung verläuft, z. B. in Streit abdriftet? Wie komme ich mit meinem Gesprächspartner aus so einer Situation gut raus?
TROJER: "Missverständnis ist die häufigste Form menschlicher Kommunikation. In solchen Situationen gibt es – wie die Chinesen sagen – immer drei Wahrheiten: meine Wahrheit, deine Wahrheit und die Wahrheit. Probleme gibt es immer, weil wir die Welt unterschiedlich wahrnehmen. Deshalb müsste man Kommunikationsprobleme identifizieren bzw. wahrnehmen, um sie lösen zu können. Bei einer interkulturellen Kommunikation ist die Argumentation und die Überzeugungsarbeit sehr wichtig. Es ist sinnvoll, sich für eine gute Kommunikation kulturspezifisches Wissen anzueignen, wenn man verstärkt mit einer oder mehreren kulturellen Gruppen zu tun hat. Unter kulturspezifischem Wissen werden dabei 'Codes und Tabus' verstanden, die im Alltag dieser kulturellen Gruppen eine Rolle spielen. Dies sollte aber nicht dazu führen, dieses Wissen automatisch auf alle Mitglieder dieser Kultur zu übertragen, denn letztendlich sind es Individuen, die uns begegnen und nicht ganze Kulturen."
Endet erfolgreiche Interkulturalität nach einer gewissen Zeit nicht zwangsläufig in Transkulturalität (Verschmelzung der Kulturen)?
TROJER: "Ja, Interkultur ist ein permanentes Ereignis, ist ein dynamischer Prozess. Die einfache Erklärung: wenn Menschen aus zwei unterschiedlichen Kulturen interagieren, dann entsteht das Dritte: die Interkultur und die Entwicklung geht in diese Richtung – Transkulturalität."
Wenn Sie noch etwas sagen wollen, auf das keine der obigen Fragen abzielt, dann können Sie das gerne nun tun.
TROJER: "Die interkulturelle Kompetenz ist die notwendige Voraussetzung für eine angemessene, erfolgreiche und für alle Seiten zufriedenstellende Kommunikation, Begegnung und Kooperation zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen.
Also, ein Mix von Wissen, Haltungen und Fähigkeiten, die es einer Person ermöglichen, mit Angehörigen anderer Kulturkreise vorurteilsfrei, kultursensibel und wirkungsvoll zu interagieren. Und somit bedeutet 'Interkulturelle Kompetenz', Grenzen zu erkennen und zu tolerieren, die eigene Position zu erklären, die fremde Position zu verstehen und aus diesem Verständnis gemeinsame Handlungsspielräume zu schaffen."
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