Urteil in Tamsweg
Polizist wegen fahrlässiger Tötung schuldig gesprochen
Heute fand am Bezirksgericht Tamsweg die Verhandlung betreffend des Todesfalls eines 15-Jährigen statt. Der Junge starb bei einer Verfolgung im November 2021. Der angeklagte Polizist wurde zu zwei Monaten bedingter Haft verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
TAMSWEG. Die Verteidigung plädierte heute, Mittwoch, 22. Februar, für einen strafrechtlichen Freispruch. Der angeklagte Polizist betonte, dass ihm der tragische Unfall sehr leid tue. Er bekannte sich nicht-schuldig und wollte nichts weiter zu den Vorwürfen sagen. Die Staatsanwaltschaft warf ihm in ihrer Anklage fahrlässige Tötung vor. Insgesamt fünf Zeuginnen und Zeugen wurden heute im Prozess geladen sowie auch das Gutachten des Unfallsachverständigen diskutiert. Letztendlich wurde der Angeklagte von der Richterin im Sinne der Anklage verurteilt. Sein Verteidiger meldete sofort Berufung an. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.
Die Anklage
Die Bezirksanwältin verlas heute, Mittwoch, die Anklage der Staatsanwaltschaft. Diese beschuldigt den Angeklagten der fahrlässigen Tötung. Er habe die im Straßenverkehr gebotene und auch zumutbare Sorgfaltspflicht außer Acht gelassen. Während der Verfolgung des Mopedfahrers über den unwegsamen Feldweg habe er mit dem Polizeifahrzeug einen zu geringen Tiefenabstand zu dem Moped des Jugendlichen eingehalten. Als dieser stürzte, wurde er von dem Polizeibus überfahren, wodurch er unter dem Fahrzeug eingeklemmt wurde und letztendlich vor Ort seinen Verletzungen erlag.
Verteidigung
Der Verteidiger des Angeklagten betonte heute im Prozess die Unschuld seines Mandanten: „Dem Angeklagten tut es unendlich leid. Er hat selbst 15 Minuten versucht den Jungen wiederzubeleben. Er hat auch selbst zwei Kinder und es tut ihm wirklich leid. Aus meiner Sicht ist er strafrechtlich freizusprechen. Das hätte jedem Polizisten passieren können."
Seiner Argumentation nach, hätte der Polizist nicht anders reagieren können. Es kam ein Funkruf wegen des Mopedfahrers, der mit stark überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war. Es soll definitiv keine Hetzjagd gewesen sein. Man habe über die Verfolgung hinweg versucht, den Mopedlenker mit Blaulicht und Folgetonhorn anzuhalten. Der Abstand wäre stets gleichbleibend gewesen.
„Hätte man ihm nicht nachfahren sollen?", fragte der Verteidiger heute in die Runde. Was, wenn jemand durch den Mopedfahrer zu Schaden gekommen wäre. Es sei außerdem ein illegal auffrisiertes Moped gewesen, das über 100 km/h schnell ging; und auch ein anderer als der Besitzer hätte oben sitzen können.
Weiters verwies der Verteidiger auf das Gutachten des anwesenden Unfallsachverständigen Gerhard Kronreif. Laut diesem habe der Abstand grundsätzlich gepasst, und nur aufgrund der Besonderheit des Sturzes sei es zu dem tödlichen Unfall gekommen.
„Im Zweifel muss die für den Angeklagten günstigere Variante gewählt werden", so der Verteidiger.
Statement des Angeklagten
Im Prozess am Bezirksgericht Tamsweg gab der Angeklagte heute sein tiefstes Bedauern zum Ausdruck. Es sei ein schrecklicher Unfall gewesen. Er bekannte sich jedoch nicht schuldig. Auf weitere Äußerungen verzichtete der Beschuldigte.
Forderungen der Privatbeteiligten
Der Anwalt der Privatbeteiligten, Stefan Rieder, erhob gegenüber dem Angeklagten im Namen seiner Mandanten Anspruch auf Schmerzensgeld. 40.000 Euro werden dabei für die drei Geschwister und die Mutter des Opfers gefordert. Zuzüglich forderte ein weiterer Privatbeteiligter - mit Unterstützung eines weiteren Privatbeteiligtenvertreters- 100 Euro Teilschmerzensgeld wegen massiver psychischer Beeinträchtigung durch den Vorfall.
Sicht der Zeugen
Als Zeuginnen und Zeugen wurden in dem Prozess vier Polizeibeamte und ein ehemaliger Polizist geladen. Sie schilderten während ihrer Befragung den Sachverhalt grundsätzlich relativ ident. Man habe das Moped eine Zeitlang verfolgt, bis es auf einen Feldweg abbog. Der Lenker habe kein erkennbares Kennzeichen gehabt und kein Rücklicht. Generell sei er mit überhöhter Geschwindigkeit und sehr gefährlich gefahren. So habe der Jugendliche zum Beispiel mehrmals Kurven geschnitten und die Fahrbahnseite gewechselt. Auf den Feldweg konnten zwei der Beamten ihn dann mit ihrem Skoda nicht weiter verfolgen, da dieser aufzusitzen drohte. Darum rief man die Kollegen, welche den Mopedfahrer von der anderen Seite entgegenfuhren. Die Beamten warteten dann an diesem Ende des Feldweges, falls der Jugendliche umdrehen würde.
Als von der anderen Seite der Angeklagte mit seinem Polizeifahrzeug dem Moped entgegenkam, drehte der Jugendliche um und fuhr wieder zurück. Dann kam es zu dem Unfall bei dem das Hinterrad des Mopeds wegrutschte, der Lenker stürzte und mitsamt des Mopeds unter das Polizeifahrzeug geriet.
Den Angaben der befragten Polizistinnen und Polizisten zufolge, stieg man sofort aus und leistete Erste Hilfe. Gerade der Angeklagte habe während der Reanimation sofort eine Mund zu Mund Beatmung durchgeführt und es so kurzzeitig auch geschafft, das Unfallopfer zurückzubringen.
Generell gaben die Polizeibeamten an, den Mopedlenker mit Blaulicht und Folgetonhorn verfolgt zu haben. Über Funk sei auch der Name des Jungen gefallen. Dieser sei den meisten der am Einsatz beteiligten Beamten jedoch kein Begriff gewesen.
SV-Gutachten
Der Unfallsachverständige Gerhard Kronreif stellte sein Gutachten vor. Dieses habe sich, laut eigenen Angaben, seit der Erstellung im Februar 2022 nicht geändert.
Das Hinterrad des Mopeds sei im Bereich des Feldweges nach rechts weggerutscht und so sei das Fahrzeug nach links gestürzt. Dabei habe sich der Fußraster im Boden verhakt und es abrupt gestoppt.
Aufgrund der Umstände sei das Zweirad so wesentlich schneller zum Stillstand gekommen, als wenn der Lenker gebremst hätte. Im Falle einer Bremsung des Mopeds hätte der Sicherheitsabstand des Polizeifahrzeuglenkers von 7 bis 11 Metern für eine Vollbremsung ausgereicht. Laut dem Gutachten hätte bereits ein Abstand von 9 bis 13 Metern gereicht, um den Unfall zu verhindern. Generell sei mit einem so abrupten Stehenbleiben des Mopeds jedoch nur sehr schwer zu rechnen gewesen.
Schlussplädoyers
Der Rechtsvertreter der Familie, Stefan Rieder, erklärte, dass aus seiner Sicht den Angeklagten zumindest eine Teilschuld am dem tödlichen Unfall treffe. Er habe seine Sorgfaltspflicht außer Acht gelassen und nicht ausreichend Abstand gehalten. Auch Sinn und Zweck der Nachfahrt seien während des Einsatzes zu hinterfragen gewesen, vor allem als der Mopedfahrer bereits "in der Falle saß", weil an beiden Enden des Feldweges Polizeistreifen auf ihn warteten. Man hätte in diesem Fall jedenfalls mehr aufpassen müssen. Vor allem, weil aufgrund des Fahrverhaltens des Mopedfahrers auch klar gewesen sei, dass man ihn aus dem Vertrauensgrundsatz ausschließen hätte müssen. Er beantragte somit den Schuldspruch und Schmerzensgeld von 40.000 Euro für jedes der drei Geschwister und die Mutter.
Der zweite Privatverteter pflichtete ihm bei und beantragte 100 Euro Teilschmerzensgeld für einen weiteren Privatbeteiligten. Aus seiner Sicht habe man mit einem Sturz des Mopedfahrers rechnen müssen.
Der Verteidiger des Angeklagten plädierte hingegen darauf, dass sein Mandant laut Gutachten grundsätzlich genug Abstand eingehalten habe. Die Verfolgung war aus seiner Sicht alternativlos, weil schließlich durch das gefährliche Fahrverhalten des Mopedfahrers auch jemand zu Schaden kommen hätte können. Er nannte die Anschuldigungen eine "Überspannung des Sorgfaltsmaßstabes" und forderte einen Freispruch.
Das Urteil
Richterin Elvira Gonschorowski-Zehetner verurteilte den Beschuldigten heute im Sinne der Anklage zu einer bedingten Haftstrafe von 2 Monaten mit einer Probezeit von 3 Jahren. Er sei schuldig im Sinne der Anklage der fahrlässigen Tötung. Die Schmerzensgeldforderungen seien am Zivilrechtsweg zu klären.
Aus ihrer Sicht sei die Verfolgung des Mopedfahrers grundsätzlich richtig gewesen um auch die Identitätsfrage des Lenkers zu klären. Jedoch wäre ab dem Zeitpunkt, an dem in beide Richtungen des Feldweges die Polizei auf den Jugendlichen wartete, es zumutbar gewesen, den Abstand zu dem Moped zu vergrößern. Einen möglichen Sturz des Mopedfahrers hätte man in Betracht ziehen müssen.
Die Richterin gab jedoch auch einige Milderungsgründe an. Darunter sind der Umstand, dass er bis dato unbescholten ist, so wie auch sein engagiertes Mitwirken bei dem Versuch, den Jungen wiederzubeleben.
Der Verteidiger des Angeklagten meldete sogleich Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafhöhe an. Die Vertreter der Privatbeteiligten und die Bezirksanwältin gaben keine Erklärung ab. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.
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