„Den Gefahren des 21. Jahrhunderts trotzen“
Das österreichische Bundesheer steht vor dem größten Veränderungsprozess seiner Geschichte. Obstlt Nussbaumer äußert sich zur Situation, den Gefahren des 21. Jahrhunderts und zur Abberufung des ehemaligen Generalstabschefs General Edmund Entacher.
Derzeit laufen heiße Diskussionen über die Abschaffung der Wehrpflicht in Österreich und weitere Modellvorschläge kursieren in den Medien. Wie stehen Sie als oberster Vertreter der St. Johanner Krobatin Kaserne zu diesem Thema?
JOHANNES NUSSBAUMER: „Die laufenden Diskussionen über die Wehrpflicht haben sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Truppe hohe Aufmerksamkeit erlangt. Erste Auswirkungen dieser Debatte zeigen sich beim Einrückungstermin – Jänner 2011. Verunsicherte Wehrpflichtige erkundigten sich, ob sie überhaupt noch einrücken müssen. Das österreichische Bundesheer steht vor dem größten Veränderungsprozess seiner Geschichte und ein solcher ist auch notwendig. Wir brauchen eine Reform, um fit zu werden für die Herausforderungen, vor die uns das 21. Jahrhundert stellt. Das sind die organisierte Kriminalität, der internationale Terrorismus, ethnische Konflikte, totalitäre Ideologien, fundamentalis-tische Religionen, Energie- und Ressourcenprobleme aber auch Cyber-Defence. Die Sicherheitsstrategie ist durch die Politik zu erarbeiten und dem Ressort als Grundlage vorzugeben. Danach müssen die politischen Vorgaben in konkrete strategische Aufträge des Bundesheeres übersetzt werden. Die grundlegende Frage muss dabei immer sein: Was muss das Heer der Zukunft leisten? Und erst danach kann der Generalstab seriöse Berechnungen darüber anstellen, wie viel Mann und welches militärische Gerät für die gestellten Aufgaben notwendig sind und was das kostet.“
Was halten Sie davon, das aktuelle System zu verabschieden?
JOHANNES NUSSBAUMER: „Das System hat sich bewährt und ich bin der Meinung, dass es beibehalten werden soll, aber Verbesserungen zugelassen werden müssen. Würde das aktuelle System verworfen werden, gingen viele Fähigkeiten und jede Menge Know-how verloren.“
Sie sprechen von Verbesserungen im bestehenden System – welche wären nötig/möglich?
JOHANNES NUSSBAUMER: „Die Anzahl der Funktionssoldaten müsste reduziert werden, sprich Zivilbedienstete könnten als Wachen, in der Küche oder als Kraftfahrer eingesetzt werden. So könnten die Soldaten gezielten Aufgaben zugeteilt werden und würden nicht mehr nur der Systemerhaltung dienen. Mit Aktionen wie dem innovativen Ausbildungs- und Dienstbetrieb wird bereits in diese Richtung gesteuert und die Dienstzeit aber auch die Freizeit der Rekruten besser gestaltet.“
Eine sinnvollere Gestaltung der Wehrpflicht wäre, Vorbereitungskurse für spätere Freiwilligendienste anzubieten, oder?!
JOHANNES NUSSBAUMER: „Das passiert zum Teil bereits, indem bei uns 24 Soldaten pro Jahr zu Rettungssanitätern ausgebildet werden, die im Anschluss vollwertig vom Roten Kreuz übernommen werden können. Auch die Truppengebirgsausbildung und der abzulegende 16-stündige Erste Hilfe Kurs zielen in diese Richtung.“
Spielen wir das Szenario Berufsheer durch – was muss bei der Umsetzung bedacht werden?
JOHANNES NUSSBAUMER: „Einige Faktoren müssen in diesem Fall berücksichtigt werden: Wie werden die Soldaten rekrutiert – über das AMS, zentral in den Landeshauptstädten oder über Stellenausschreibungen? Welche Qualifikationen sollen die Bewerber aufweisen und die Rahmenbedingungen wie z.B. der Lohn und die Arbeitsumstände müssen stimmen, um das bestqualifizierte Personal auch tatsächlich rekrutieren zu können. Wie lange ist die Verpflichtungsdauer und welches Ausstiegsszenario ist nach der Dienstleistung beim Heer vorgesehen? Das alles gilt es im Vorfeld zu hinterfragen.“
Stellt sich in diesem Szenario auch die Frage, ob Freiwilligenorganisationen alleine bei Umweltkatastrophen zurecht kommen würden?
JOHANNES NUSSBAUMER: „Feuerwehr, Rotes Kreuz, Wasser- und Bergrettung sind im Falle einer Katastrophe natürlich die ersten vor Ort und für den Katastrophenschutz unheimlich wichtig. Die Frage ihrer Durchhaltefähigkeit stellt sich aber bei länger anhaltenden Einsätzen. Das Bundesheer hat die Manpower, kann sich selbst versorgen und die Kommunikation herstellen – das ist der entscheidende Vorteil des Katastrophenschutzes bzw. der -hilfe durch das Heer.“
Im Falle der Einführung eines Berufsheeres sind auch Kasernenschließungen im Gespräch. Wäre St. Johann betroffen und wenn ja, wie würde das den Bezirk betreffen?
JOHANNES NUSSBAUMER: „Ob die Krobatin Kaserne betroffen wäre, ist derzeit nicht absehbar. Bei einer Schließung müssten aber zurzeit 201 Bedienstete im Bataillon, 26 Bedienstete anderer Dienststellen und 18 Personen der Gebäudeaufsicht anderweitig untergebracht werden bzw. im Fall nach Salzburg auspendeln. Ob man das Problem mit Umschulungen oder Verwendung des Personals in anderen Ressorts lösen kann, ist fraglich.“
Ganz zu schweigen vom Wegfallen der Kaserne als Wirtschaftsmotor im Bezirk. Was würde die Schließung in wirtschaftlicher Hinsicht bedeuten?
JOHANNES NUSSBAUMER: „300 Soldaten werden täglich von Zubringerfirmen mit Gebäck, Fleisch, Getränken usw. versorgt, das sind Ausgaben an die Region im Wert von 600.000 Euro. Weitere 100.000 Euro jährlich bringt das Soldatenheim an Umsatz. 50.000 Euro werden für die Wäscherei, 470.000 Euro für Bautätigkeiten jährlich ausgegeben und wiederum 400.000 Euro fallen an Betriebskosten an. Dazu kommt das Einkommen des Personals mit 5 Millionen, das der Rekruten mit 1,5 Millionen Euro jährlich – welches wiederum in der Region ausgegeben wird. Viel Geld, das dem Bezirk verloren ginge.“
Landeshauptfrau Burgstaller spricht von einer geplanten Volksbefragung zum Thema. Was halten Sie davon?
JOHANNES NUSSBAUMER: „Nach dem Primat der Politik ist das Parlament für die Festlegung eines Wehrsystems zuständig. Also liegt die Verantwortung grundsätzlich bei der Politik. Wenn dort keine Einigung passiert, erwarte ich eine gründliche Aufbereitung der Zahlen, Daten und Fakten für die Bürger. Die Basis an Hintergrundwissen muss unbedingt zur Verfügung gestellt werden.“
Können Sie abschließend ein Statement zur Abberufung des ehemaligen Generalstabschefs General Edmund Entacher abgeben?
JOHANNES NUSSBAUMER: „Ich bedaure die, im Zusammenhang mit der Diskussion über die Wehrpflicht getroffene, Abberufung von General Edmund Entacher sehr, den ich für einen geradlinigen und kompetenten Offizier halte, der in der Truppe hohe Anerkennung genießt. Ich glaube auch, dass es die Pflicht eines Generalstabschefs ist, als Experte zu beraten und auf potenzielle Probleme aufmerksam zu machen.“
Interview: Julia Baumgärtner
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