Vinzenzhaus-Leiterin im Interview: "Das Fest ist eine Auszeit vom Alltag"
Gfrornergasse: Gabriele Kienzl über Weihnachten im Wohnheim für alkoholkranke Obdachlose.
Wie ist die Stimmung zu Weihnachten im Vinzenzhaus?
GABRIELE KIENZL: Weihnachten macht viele Männer sehr nachdenklich, besonders der Verlust der Familienkontakte schmerzt sie. Andererseits freuen sich die Männer auf das gemeinsame Feiern. Einige bringen ihre Freundin, den Freund, den Bruder oder auch die Kinder mit zu unserer Weihnachtsfeier.
Wie wird Weihnachten gefeiert?
Am Vormittag schmücken die Bewohner und Mitarbeiter gemeinsam das Haus. Aus den Tischen im Speisesaal werden zwei lange Tafeln gemacht und festlich dekoriert. Um 18 Uhr beginnt dann die Weihnachtsfeier mit einem Festtagsbuffet, für das zumeist mindestens zwei Bewohner den ganzen Tag in der Küche gearbeitet haben.
Nach dem Essen wird gemeinsam gesungen, danach bekommt jeder ein persönliches Geschenk.
Was freut die Männer dabei am meisten?
Die Männer freuen sich über die Ruhe an diesem Tag. Es gibt keinerlei Erwartungen, jeder darf da sein, wann und wie er will. Sie freuen sich auch, dass jeder bei der Weihnachtsfeier herzlich willkommen ist und natürlich über das gute Essen.
Wobei tun sie sich schwer?
Beim Vorbereiten des Festes, weil sie nicht wissen, welche Erinnerungen hochkommen werden.
Ist so ein Fest für eine Einrichtung wie das Vinzenzhaus wichtig?
Jedes Fest ist wichtig, wenn es bewusst gefeiert wird. Es ist ein Augenblick des Innehaltens, der Rückschau und des Blicks nach vorne. Es ist eine Möglichkeit, zusammenzukommen, gemeinsam für ein paar Stunden aus dem Alltag auszusteigen und das Leben zu genießen.
Was bedeutet Weihnachten für Sie persönlich?
Für mich ist Weihnachten ein Fest des Dankes und der Hoffnung. Wir erinnern uns daran, dass Jesus unter widrigsten Umständen geboren wurde, flüchten musste und danach ein Leben gelebt hat, das für viele Menschen auch 2.000 Jahre später noch vorbildhaft ist. Er hat die Welt verändert.
Gabriele Kienzl leitet seit zwölf Jahren das Vinzenzhaus der Caritas in der Gfrornergasse. Die 45-Jährige ist diplomierte Sozialarbeiterin und hat eine Ausbildung in Sozialmanagement.
Die Einrichtung Vinzenzhaus besteht seit 30 Jahren und richtet sich an wohnungslose Männer über 30 Jahre, die einen Alkoholentzug abgeschlossen haben. 37 Männer werden hier bis zu zwei Jahre lang betreut. Das Vinzenzhaus verfügt auch über ein Notquartier mit fünf Betten, sieben Männer werden in Startwohnungen weiterhin betreut. Die Einrichtung hilft den Männern nicht nur dabei, ein alkoholfreies Leben zu führen und ihre Wohnsituation zu verbessern, sondern auch bei der Schuldenbewältigung und bei der Jobsuche.
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