100 Jahre Burgenland
Einweihung der Holocaust-Gedenkstätte am Neusiedler Kirchenplatz
Unter der Federführung der Historiker Martin Pieber und Sepp Gmasz, Obmann des Vereins Neusiedler Stadtarchiv, lies die Stadtgemeinde Neusiedl eine Holocaust-Gedenkstätte am örtlichen Kirchenplatz errichten.
NEUSIEDL. Am vergangenen Freitag wurde das Mahnmal am Neusiedler Kirchenplatz offiziell enthüllt und gesegnet.
Dunkles Kapitel der burgenländischen Geschichte
Das Jubiläumsjahr 2021 ist Anlass für viele Festakte zum jungen Bestehen unseres Heimat-Bundeslandes. Doch die Geschichte des Burgenlandes ist auch untrennbar mit dunklen Kapiteln verbunden. Dem vermutlich prägendsten Ereignis unserer jungen Zeitgeschichte nahm sich Pieber an: Er recherchierte in mühevoller Arbeit die Neusiedler Opfer der nationalsozialistischen (NS) Schreckensherrschaft und lies gemeinsam mit der Stadtgemeinde ein Mahnmal für sie errichten.
"Schewa Kehilot"
Insgesamt sieben Gemeinden im heutigen Nord- und Mittelburgenland – nämlich Eisenstadt, Mattersburg, Kobersdorf, Lackenbach, Deutschkreutz sowie die Neusiedler Bezirksgemeinden Frauenkirchen und Kittsee – zählten zu den damaligen "Schewa Kehilot", was so viel wie "Siebengemeinden" bedeutet, so Pieber. Von ihnen seien 350 Menschen aus dem Bezirk Neusiedl nachweislich der NS-Euthanasie zum Opfer gefallen, darunter Roma, Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung oder schlichtweg solche, die nicht dem Idealbild der NS-Herrschaft entsprachen. Und diese "Euthanasie-Maschinerie" wurde in fast jeder burgenländischen Gemeinde durchgesetzt.
Roma und Romnija
Katharina Graf-Janoska stellte dar, wie ihre Vorfahren im heutigen Gebiet vom Bezirk Neusiedl lebten und später der NS-Herrschaft zum Opfer fielen. Dabei erklärte sie, dass die Vorstellung des "fahrenden Volks" längst überholt sei, und die Roma und Romnija vielmehr als sesshafte Mitbürger des Burgenlandes agierten und aus diesem – ihrem gewohnten – Alltag schlagartig herausgerissen wurden. 80 bis 90 Prozent von ihnen wurden ermordet, etwa im Zuge der "Aktion T4". Die wenigen, die die Konzentrationslager überlebten, kamen ohne Identität wieder zurück.
Abschließend meinte Graf-Janoska: "Wir sind keine 'Zigeuner', sondern Ärzte, Anwälte, Lehrerinnen und vor Allem 'stolze Burgenländer'!"
Gedenktag
Die weiteren Gedenk-Ansprachen von politischer Seite sowie die Segnung durch Pfarrer Michael Wüger wurden von Musikstücken in Erinnerung an die Neusiedler Opfer der NS-Euthanasie – dargebracht von Johanna Ensbacher, Roman Grinberg und Ferry Janoska – untermalt.
Auch Nachkommen einiger KZ-Überlebender wohnten der Einweihung und Enthüllung der Holocaust-Gedenkstätte bei.
Pieber wünschte sich abschließend, dass man zum Beispiel den 27. Jänner als "Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust" nun auch in Neusiedl begehen könne.
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