100 Jahre Burgenland
Spuren der Roma-Verfolgung in der Monarchie
Anlässlich des Attentats auf eine Roma-Gruppe in Oberwart im Februar 1995 möchten wir die barbarischen Spuren der Roma-Verfolgung aufspüren, bis zurück zur Monarchie.
AUTORIN DR. INGRID NAGL-SCHRAMM
BURGENLAND. Man würde Kaiser Karl VI. gerne zujubeln als Vorkämpfer für das Frauen-Herrschaftsrecht, wenn man nicht wüsste, dass er es aus purer Berechnung getan hat. Und nur wegen einer einzigen Person: wegen seiner Tochter Maria Theresia. Als römisch-deutscher Kaiser von 1711 bis 1740, Erzherzog von Österreich, König von Ungarn und Kroatien, hatte er nicht nur mit diplomatischen Mitteln darum gekämpft, seiner Tochter den Thron zu sichern. Wieviel an grausig mittelalterlicher Überzeugungsarbeit er dabei geleistet hatte, will man im Detail gar nicht so genau wissen.
Ohrenabschneider
Man würde ihm irrsinnig gerne als Pionier der Aufklärung huldigen, doch im Grunde trat Karl VI. die Menschenrechte mit Füßen. Was er den Zigeunern antat, (bitte um Verzeihung für das politisch nicht korrekte, aber historisch stimmige Wort), war nahezu unüberbietbar grausam. 1720 ordnete er an, die Zigeuner (pardon) aus den österreichischen Erblanden auszusiedeln. Für jene, die sich nicht vertreiben hatten lassen, ordnete er 1725 an, sie mit einem Brandzeichen auf dem Rücken zu stigmatisieren. Ein Jahr später legte er nochmals nach und verfügte, alle männlichen Roma hinrichten zu lassen und den Frauen und Kindern unter 18 Jahren ein Ohr abzuschneiden.
Maria Theresia nahm ihnen die Kinder weg
Seine Tochter Maria Theresia betrachtete ihre "Zigeunerpolitik" unter dem aufklärerischen Aspekt der Seelenrettung. Sie richtete ungeheures Leid an, indem sie den Müttern die Kinder wegnahm, um sie in gute christliche Häuser zur Umerziehung zu stecken. Es mag kurios klingen, aber unter den Türken hatten die Roma einen wesentlich besseren Status. Sie zogen mit den Osmanen in der Zeit der Türkenkriege von Schlacht zu Schlacht als hochgeschätzte Waffenschmiede und als Musiker in den Militärkapellen.
Während die Zisterzienser vom Stift Heiligenkreuz die Roma in ihrem Herrschaftsgebiet in der Region Neusiedl nicht duldeten, wussten die Batthyánys ihre Fähigkeiten zu schätzen. In ihren prächtigen Palästen spielten die Zigeuner (pardon) auf. Ihre unsterblichen Melodien gingen in die Musikgeschichte ein. Denn was wäre die Operette ohne Zigeunermusik?
Diese Geschichte ist Teil des Buches "Pannonische Streifzüge" von Dr. Ingrid Nagl-Schramm und Andrea Glatzer, welches im Sommer erscheinen wird.
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