Gute Impfung, schlechte Impfung
Serie Teil 7: Das Geschäft geht vor – Zeckenimpfung in NÖ
Anstatt über Nutzen und Risiko der FSME-Impfung zu informieren, gibt es Werbung mit Gruselfaktor.
Im Sommer 1920 erlitten mehrere Waldarbeiter in der Gegend um Wiener Neustadt eine Infektion und entwickelten eine Gehirnentzündung mit Symptomen, welche die Ärzte an Kinderlähmung erinnerten. Es dauerte bis in die 1950er-Jahre, bis der Wiener Mikrobiologe Hans Moritsch die FSME-Viren als Auslöser der Krankheit identifizieren konnte. Dass diese brandgefährlich sind, musste Moritsch gleich selbst erfahren. Er infizierte sich bei Laborarbeiten mit den Viren und starb mit gerade 41 Jahren.
Die Viren sitzen in den Speicheldrüsen der Zecke vorne am Stechwerkzeug. (Zecken beißen nämlich nicht, sie stechen.) Die Infektion erfolgt sehr rasch, unmittelbar nach dem Stich. Bei der noch deutlich häufigeren durch Zecken übertragenen bakteriellen Borreliose befinden sich die Krankheitserreger hingegen im Darm der Tiere. Die Übertragung dauert hier deutlich länger. Wenn es gelingt, die Zecken binnen 24 Stunden zu entfernen, ohne sie zu quetschen, kann eine Infektion durch die Borrelien meist verhindert werden.
Rekord-Impfquoten
Dass bald das Frühjahr kommt, merkt man in Österreich durch Plakate und Werbeaktionen für die "Zeckenimpfung", die von einem Team rund um den Wiener Virologen Christian Kunz entwickelt worden ist. Seit 1981 laufen die Impfkampagnen. Sie setzen in ihrer Gestaltung eher auf Grusel denn auf Information und das Geschäft läuft bis heute prima. Kein anderes Land erreicht bei einer Impfung, die selbst zu bezahlen ist, vergleichbare Impfquoten von mehr als 80 Prozent.
Zecken wandern westwärts
Impfexperten belegen den Erfolg der Impfung mit historischen Vergleichszahlen. Vor Einführung der Impfung gab es rund 700 Fälle von FSME pro Jahr. Zuletzt waren es knapp mehr als 100. Dabei zeigt sich während der letzten Jahre ein deutlicher Trend: Die trockenen Regionen des Ostens behagen den Zecken bzw. den von ihnen verbreiteten Viren immer weniger. In Ungarn ist die FSME in den letzten Jahren beinahe ausgestorben – trotz geringer Impfrate. Und auch in Niederösterreich und dem Burgenland geht die Zecken-Gefahr stark zurück. Gegenteilig ist die Lage in den westlichen Ländern. Dies zeigt, dass sich der Klimawandel auf das FSME-Risiko ähnlich stark auswirkt wie die Impfung.
Eine Analyse aller Krankheitsfälle in der Steiermark zeigt, dass Kinder nach Zeckenstich nur extrem selten ernsthaft erkranken. Während 25 Jahren mussten sechs Kinder vorübergehend in die Intensivstation aufgenommen werden und nur ein Kind – ein fünfjähriges Mädchen – hat eine halbseitige Lähmung zurückbehalten. Gerade dieses eine Kind war allerdings vollständig geimpft.
In Österreich wird die Impfung ab dem ersten Geburtstag empfohlen, wenn man in einem "Endemiegebiet" lebt. Da auf den von den Impfstoff-Herstellern finanzierten Informationsseiten fast alle dicht bewohnten Gebiete rot eingefärbt sind, liegt das vermittelte Risiko, auf verseuchte Zecken zu treffen, bei fast 100 Prozent.
Häufige Nebenwirkungen
Bei Erwachsenen ist es schwierig, Nutzen und Risiko realistisch einzuschätzen. Zum einen können die Komplikationen der FSME deutlich heftiger ausfallen als bei Kindern. Doch auch die Impfung birgt Risiken: Alle zur Auswahl stehenden Produkte enthalten über Formaldehyd abgetötete FSME-Viren sowie Aluminiumhydroxid als Wirkverstärker. In der Fachinformation werden als Nebenwirkungen unter anderem Schüttelfrost, Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen, Erbrechen, Schlafstörungen angeführt. Und das waren nur Symptome aus der Rubrik "häufig" mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:10 bis 1:100. Nicht gerade beruhigend.
Alle Folgen der Serie finden Sie unter #impfen2019
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