„Das ist einfach noch völlig unbegreiflich“

5Bilder

Die Künstlerfamilie Kedl erlebte die Erdbebenkatastrophe in Japan direkt mit, da Tochter Thetis mit ihrem Mann und Sohn in der Nähe von Tokio wohnt. Vergangene Woche sprachen ihr Bruder und ihre Mutter über die Geschehnisse der letzten Tage.
MARKT NEUHODIS (ms). Familie Kedl ist in der Kunst fest verwurzelt. So war Rudolf Kedl ein bekannter Bildhauer, ist Christine Elefant-Kedl Malerin und auch Talos Kedl ist freiberuflicher Künstler. Tochter Thetis hat sich hingegen Japan verschrieben.

Kunstgeschichte und Japanologie
Thetis Kedl wurde 1981 geboren und studierte Kunstgeschichte und Japanologie. Sie arbeitete in einer Galerie, studierte auch in Japan und war auch kurz in Oxford. Seit drei Jahren lebt die Markt Neuhodiserin in Japan und vor zwei Jahren heiratete sie den Bariton Daichi, der ebenfalls aus einer Künstlerfamilie stammt.Vor einem Jahr kam ihr Sohn Taikai („der große Ozean“) zur Welt. Mit ihrer Familie wohnte sie im Tokio-Vorort Saitama (ca. 7 Mio. Einwohner). „Wir haben dessen Familie als sehr offen kennengelernt“, berichtet Talos.
Zunächst keine Atomwarnung
„Freitag war das Erdbeben und ich habe abends noch mit Thetis telefoniert. Sie hat uns erzählt, dass es ihr und der gesamten Familie gut gehe. Da war von einer Atomwarnung noch keine Rede. Sie hat mir nur geschildert, dass das Erdbeben verheerend war und sie im erdbebensicheren Haus der Schwiegermutter sei!“, schildert Talos. „Japaner können mit Erdbeben gut umgehen und werden schon in der Schule auf solche vorbereitet. Selbst der Tsunami wäre noch bewältigbar gewesen. Aber dann kam auch noch die Atomgefahr hinzu“, weiß Christine Elefant-Kedl.

Alarmglocken nach Anruf
„Am Samstag rief mich dann ein befreundeter ehemaliger Radiologe an, der mir sagte, ich soll Thetis anhalten, sie soll Kaliumjodidtabletten kaufen. Da haben bei mir die Alarmglocken geläutet. Die Berichterstattung ist bei uns sicher viel objektiver als in Japan. Meine Mutter sprach da gerade mit meiner Schwester und versuchte sie zu beschwichtigen. Ich nahm ihr den Hörer weg und drängte mit Nachdruck, sie solle den nächsten Flieger nach Österreich nehmen. Ich wollte bei ihr ein wenig Panik erzeugen“, erinnert sich Talos.

Bei Botschaft interveniert
Das Problem für eine schnelle Ausreise war, dass ihr Sohn Taikai nicht in ihrem Reisepass vermerkt war, sie wollte das bis zum geplanten Urlaub im Sommer 2011 nachholen. Auf Anfrage bei der Botschaft erhielt Thetis die Antwort ein Notpass oder die Eintragung ihres Sohnes würde bis zu zwei Wochen dauern. „Ich habe dann sofort bei der Botschaft und im Außenministerium angerufen, wo uns Herr Weinberger weitergeholfen hat. Er hat im Außenministerium und in der Botschaft interveniert, dass meine Schwester so schnell als möglich das Land verlassen könne. Ich habe Thetis nochmal angerufen, damit sie alle wichtigen Dokumente zusammenrauft und sofort in die Botschaft fährt und danach zum Flughafen“, lässt Talos die Momente Revue passieren. Die 29-jährige Südburgenländerin tat wie ihr geheißen und ließ praktisch alles liegen und fuhr zunächst zur Botschaft, wo sie mit einem Notpass ausgestattet dann zu einem der beiden Flughäfen fuhr. Die Autobahn war teilweise aufgerissen und weitgehend leer. „Ihr Mann und Schwiegervater kehrten dann nach Hause zurück. Sie bekam dann einen Alitalia Flug nach Mailand.
Am Flughafen gab es dann das nächste Problem, denn die Beamten wollten zwar sie, aber nicht Taikai fliegen lassen, da er halber Japaner war und so auch einen japanischen Pass brauchte. Meine Schwester bekam am Flughafen einen Weinkrampf, wie sie uns später erzählte, und ein älterer Beamter hat ihr dann geholfen. Das Flugzeug hat über eine Stunde auf sie gewartet. Mit insgesamt fünf Stunden Verspätung landete sie schließlich in Mailand“, fasst ihr Bruder zusammen, der zwischenzeitlich checkte, welche
Flugmöglichkeiten es nach Wien gebe. Im Flugzeug selbst sorgte dann noch ein Kabelbrand für zusätzliche Aufregung und die Erleichterung auf europäischen Boden zu landen, muss für die junge Mutter groß gewesen sein.

„Es wird noch länger dauern“
„Um halb 11 am Sonntagabend ist sie in Wien angekommen und wir haben dann in meiner Wohnung übernachtet. Es wird sicher noch länger dauern, bis alles herauskommt und sie die Geschehnisse realisiert. Auch für uns ist das Ganze noch unbegreiflich“, sagt Talos. „Thetis wirkte zunächst gefasst, es folgten aber einige Weinausbrüche, da sie ihre Freunde und Familie zurücklassen musste und von einigen nicht weiß, wie es ihnen geht. Sie realisiert es noch nicht so ganz und es geht uns wohl allen so. Bei mir läuft das alles wie eine Filmschleife ab. Vielleicht baut da das Gehirn einen Schutzmechanismus auf. Es muss wie eine Apokalypse gewesen sein. Thetis funktioniert, weil sie funktionieren muss, meint Christine Elefant-Kedl.

Mann noch in Japan
Mittlerweile ist auch Thetis Schwiegermutter und ihre Schwägerin zu einer Freundin nach Ägypten geflogen. „Zunächst hat man meine Schwester nicht ernst genomen und gemeint, sie solle keine Panik verbreiten. Die Japaner wollten die Gefahr nicht wahrhaben oder schätzten die Situation einfach falsch ein. Auch weil der Informationsfluss im Land selbst im Verlgeich sehr gering war. Es wurde wohl vieles vertuscht, was im Westen bereits bekannt war“, berichtet Talos. Ihr Mann befindet sich noch in Japan. „Wir versuchen auch Daichi aus Japan herauszuholen, doch er will noch bleiben und ist zumindest in den Landessüden geflogen, weil er dort einige Termine hat. Damit ist er wenigstens aus der größten Gefahr heraußen“, zeigt sich Talos ein wenig erleichtert. Für ihn und seine Schwester war es nach ihrer Ankunft das wichtigste, eine Grundversorgung mit Kleidung und Windeln zu kaufen, da sie praktisch nur mit den Papieren aus Japan nach Österreich kam.
Thetis selbst sucht nach den Strapazen Ruhe und wollte auch keine weiteren Interviews mehr geben. „Es war einfach schon zuviel!“, bat sie um Verständnis.

„Völlig andere Welt“
Alle drei bestätigen, dass Japan von der Mentalität her völlig konträr zu Österreich ist. „Würde bei uns so etwas passieren, würden die Leute wohl Amok laufen. In Japan herrscht unglaubliche Selbstdisziplin. Man kommt sich dort nicht vor, wie in einem anderen Land, sondern wie auf einem anderen Planeten“, sagt Talos. „Schon die Tatsache, dass der Kaiser im Fernsehen spricht, zeigt das Ausmaß und wenn die Japaner, die normal keine Gefühle zeigen, weinen, merkt man, wie schlimm es sein muss. Doch die Mentalität in Japan ist derart, dass eine Flucht einem Gesichtsverlust gleichkommt. Die Japaner lassen ihr Land nicht im Stich. Ein Gesichtsverlust ist schlimmer als der Tod“, sagt Christine Elefant-Kedl.
„Die gesamte Katastrophe ist für uns noch näher, da wir ja einige Leute in Japan - auch außerhalb der Familie kennen - und damit ist es für uns noch schwerer, damit umzugehen, als wenn wir es als Unbeteiligte übers Fernsehen miterleben. Man kann sich kaum ausmalen, wie es ist, wenn man von Tausenden Toten hört, die Verwüstung sieht und immer den Gedanken hat, hoffentlich geht es allen Freunden, Verwandten und Bekannten gut“, sagt Talos.

Du möchtest regelmäßig Infos über das, was in deiner Region passiert?

Dann melde dich für den MeinBezirk.at-Newsletter an

Gleich anmelden

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Anzeige
Zweirad Goga veranstaltet in Oberwart beim Stadtpark ein Testfahren seiner E-Bikes mit neuester Technik. | Foto: GOGA
6

Teste Dein Lieblings-E-Bike!
Neueste Pinion- und MGU-Modelle zum Testfahren

In Oberwart heißt es am 26. April auf die Pedale, fertig, los! Nutze die Gelegenheit und teste Dein Lieblings-E-Bike im Stadtpark. OBERWART. Teste die Weltneuheit am E-Bike-Sektor im Stadtpark. Am 26. April 2024 findet im Stadtpark Oberwart von 10.00 bis 19.00 Uhr das E-Bike-Testen von Zweirad GOGA statt - dein Fahrradfachgeschäft mit Service und Verkauf. Der E-Bike Truck hat die komplette Pinion Modellvielfalt mit an Bord.  Präsentiert wird das Pinion E-Drive System mit dem Herzstück der...

  • Bgld
  • Oberwart
  • Katharina Podiwinsky
Anzeige
Die Kindergartenkinder legten eine Blühwiese an. | Foto: Michael Strini
20

Deutsch Schützen-Eisenberg
Wein und Radtourismus wichtige Standbeine

Der Wein spielt rund um den Eisenberg eine große Rolle. Die Gemeinde investiert auch in die Infrastruktur. DEUTSCH SCHÜTZEN-EISENBERG. Die Großgemeinde Deutsch Schützen-Eisenberg investiert trotz schwierigen Rahmenbedingungen in die Infrastruktur. "Die finanzielle Situation ist eine große Herausforderung. Kosten und Zinsen steigen ständig. Wir würden uns wünschen, dass der Gemeinde mehr Geld zum Handeln bleibt. Bei den Ertragsanteilen wird mittlerweile schon mehr als 50 Prozent abgezogen. Die...

  • Bgld
  • Oberwart
  • Michael Strini
Anzeige
Thomas Monetti, Karin Tinhof, Norbert Darabos, Barbara Weißeisen-Halwax, LH Hans Peter Doskozil, Intendant Gerhard Krammer und Organisator Werner Glösl, bei der Programm-Präsentation "KLANGfrühling 2024 voller FANTASIE.
9

Ortsreportage Stadtschlaining
Von OSG-Wohnbau bis Burgarena-Ausbau

Die Friedensstadt Schlaining wurde dank der großzügigen Unterstützung von Land, Bund und EU-Förderprogrammen zur kulturellen Metropole des Südburgenlandes ausgebaut. "Noch wird auf den Baustellen fleißig gearbeitet, die Burgarena wird jedoch modern und zeitgemäß am 1. Juli mit einem KIXX-Konzert feierlich eröffnet. Burg, Hauptplatz und Burgarena werden dann bis in die Adventzeit hinein mit tollen Events für Jung und Alt bespielt. Damit wird Schlaining als "Kultur-Hotspot" des Südburgenlandes...

  • Bgld
  • Oberwart
  • Peter Seper

Neu auf MeinBezirk.at
Sudoku - gratis und so oft du willst, spiele jetzt!

Jetzt kannst du Sudoku auf MeinBezirk.at spielen - gratis und unbegrenzt. So spielst du Sudoku: Wähle deinen gewünschten Schwierigkeitsgrad: leicht, mittel, schwer. Klicke ins gewünschte Feld, setze eine Zahl von 1 bis 9 ein - und fülle alle leeren Felder. Ziel des Rätsels: In jeder Zeile (waagrecht), Spalte (senkrecht) und jedem Block (3 mal 3 Zellen) soll jede Ziffer genau nur einmal vorkommen.

Hier findest du den aktuellen Mondkalender ab sofort. Jeden Monat neu. | Foto: RegionalMedien Burgenland
1 3

Gesundheit, Haushalt, Garten & Schönheit
Dein Mondkalender für den Mai 2024

Die RegionalMedien Burgenland präsentieren den aktuellen Mondkalender für April 2024. Ein Mondzyklus dauert ca. 28 Tage. Dabei durchläuft er verschiedene Phasen, die unterschiedliche Qualitäten haben. Nach alter Überlieferung sollte man bestimmte Arbeiten also stets zur richtigen Zeit erledigen. Vom Einpflanzen der Tomaten 🍅 bis hin zum Haare schneiden 💇 – die Mondphase kann darüber entscheiden, ob die roten Früchtchen zur Attraktion in der Nachbarschaft und dein Kopf zur Löwenmähne 🦁 wird....

Benzin- & Dieselpreise
Die billigsten Tankstellen im Burgenland

Hier erfährst du täglich, wo im Burgenland die billigsten Tankstellen zu finden sind, wie man günstig tankt, und wie man Sprit sparen kann - immer AKTUELL. BURGENLAND. In ganz Österreich ist es immer am günstigsten, am Vormittag zu tanken. Denn Tankstellen dürfen nur einmal täglich um 12 Uhr die Spritpreise erhöhen. Preissenkungen sind jedoch jederzeit in unbegrenzter Anzahl und Ausmaß möglich. Wir aktualisieren die Liste der günstigsten Tankstellen im Burgenland täglich mit den aktuell...

UP TO DATE BLEIBEN

Aktuelle Nachrichten aus dem Burgenland auf MeinBezirk.at/Burgenland

Neuigkeiten aus dem Burgenland als Push-Nachricht direkt aufs Handy

Bezirksblätter auf Facebook: MeinBezirk.at/Burgenland

ePaper jetzt gleich digital durchblättern

Storys aus dem Burgenland und coole Gewinnspiele im wöchentlichen MeinBezirk.at-Newsletter


Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.