Rechnitzerin im Interview
Geschäftsfrau überführte mit Raffinesse Kautionstrick-Betrüger

- Die taffe Geschäftsfrau Leopoldine Zöhrer (Broetchenstube.at) aus Rechnitz überführte eine Kautionstrick-Betrügerbande.
- Foto: Gernot Heigl
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Mit Raffinesse und perfektem Schauspiel überführte eine taffe Geschäftsfrau in Rechnitz - wie berichtet - fiese Kautionstrick-Betrüger. Schilderte den RegionalMedien Burgenland in einem Exklusiv-Interview den Hergang dieses 5-Stunden lang dauernden Kriminalfalls, in dem es um 86.000 Euro ging.
RECHNITZ. Mit „anonymer Kennung“ klingelte es am Handy der 65-jährigen Leopoldine Zöhrer. „Gegen 11.30 Uhr erklärte mir eine aufgelöst wirkende Frau mit ausländischem Akzent und leidend klingender Stimme, dass sie Polizistin sei und mich über eine große Katastrophe informieren muss. Meine Tochter habe nämlich in Wien einen schweren Unfall verursacht, bei dem eine junge Radfahrerin zu Tode gekommen ist! Unabhängig davon, dass ich nur einen Sohn habe, war mir sofort klar, dass mir die Frau einen Blödsinn erzählte!“
Tochter verursachte tödlichen Unfall
Aufgrund dieser „tragischen Nachricht“ erwartete die Anruferin wohl Schnappatmung bei der Rechnitzerin, die auf diesen Schwachsinn einstieg und schauspielerte. „Ich wollte, dass die Märchenerzählerin ausgeforscht wird, also habe ich einen hysterischen Weinanfall vorgegaukelt. Woraufhin mich die angebliche Polizistin mit den Worten ‚Regen sie sich nicht auf‘ beruhigte und sagte, dass sie mich mit einem Staatsanwalt verbinden wird, der mir helfen kann! Ich dürfe aber auf keinen Fall auflegen, sondern muss ständig in der Leitung bleiben!“

- Der polnische Staatsbürger fungierte als Geld-Abholer. Möglicherweise gibt es weitere Opfer.
- Foto: LPD-Burgenland
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86.000 Euro Kaution
Eine männliche Stimme erklärte ihr dann, dass die Tochter derzeit im Gefängnis sitzt aber gegen eine Kaution freigelassen werden könnte. Dazu müssten jedoch 86.000 Euro hinterlegt werden. „Plötzlich fragte mich der vermeintliche Staatsanwalt scheinheilig um den Namen meiner Tochter. Da mein Sohn Franz heißt, sagte ich spontan Franzi!“ Um ihre gespielte Verzweiflung den Betrügern gegenüber weiterhin glaubhaft wirken zu lassen, legte Leopoldine Zöhrer immer wieder Wein- und Schreiphasen ein, kombiniert mit Beteuerungen wie „Mein Kind. Ich muss meinem Kind helfen!“
Schließlich erkundigte sich der Anrufer, wie viel Geld die „sorgende Mutter“ in bar zu Hause habe. „60.000 Euro von einem gerade abgeschlossenen Hausverkauf“, log die Rechnitzerin vor. „Sonst haben sie nichts?“ „Doch, Goldmünzen, aber die sind auf der Bank!“ „Ok. Ich verbinde sie nun mit dem zuständigen Richter!“ Davor kam wieder dieses unzählige Male wiederholte „nicht auflegen, bleiben sie in der Leitung!“ Damit wollten die Betrüger verhindern, dass sie die Kontrolle über ihr „Opfer“ verlieren und es die Polizei alarmiert.
Durch List Polizei alarmiert
Also griff Leopoldine Zöhrer zu einer List und erklärte ihrem telefonischen Gegenüber, dass sie dringend auf die Toilette müsse, deshalb kurz ihr Handy auf den Küchentisch legen und danach das Gespräch weiterführen werde. In Wahrheit rannte die Frau zu ihrem Ehemann, nahm dessen Handy und alarmierte die Polizei in Rechnitz. Nach Kurzschilderung der Situation blieb ihr Gatte mit den Beamten in Verbindung, während sie zu ihrem Mobiltelefon zurückeilte und wieder mit den Betrügern sprach.
Fake-Goldmünzen in der Bank
Ein „Richter Doktor Hoffmann“ machte der Südburgenländerin dann klar, dass sie bei eingeschaltetem Handy ihre Goldmünzen von der Bank holen soll. Für den Fall, dass ihr Haus seitens der Täter bereits beobachtet wird, folgte die 65-Jährige den Anweisungen. Verbrachte in dem Geldinstitut einige Zeit und tat so, als ob sie wirklich ihren „Schatz“ eingepackt hätte. Beschrieb diese Fake-Handlung am Telefon phantasiereich, damit sich „Herr Rat“ in Sicherheit wiegt. Befolgte deshalb auch die Aufforderung des Anrufers, in ein nahegelegenes Kaffeehaus zu gehen. Was die Betrüger während des Lokalbesuches nicht mitbekamen, war, dass der Südburgenländerin dort ein als Gast getarnter Kriminalist zu verstehen gab, dass sie mit ihrer Hinhaltetaktik weitermachen solle und die Polizei bereits zahlreiche Zivilfahnder rund um ihr Haus postiert hatte.
Geräuschsimulation durch Schreibblock
„Natürlich war der Anrufer immer wieder misstrauisch und hat mir Fragen gestellt. Vermutlich aus dieser Vorsicht heraus wollte ‚Richter Doktor Hoffmann‘ eine Absicherung, dass ich wirklich so viel Bargeld bei mir habe. Deshalb forderte er eine genaue Aufschlüsselung der Scheine!“ Also zählte Leopoldine Zöhrer die imaginären Geldscheine. „Ich simulierte das Geräusch, in dem ich die einzelnen Seiten eines Schreibblocks durchblätterte!“ Ein inzwischen in ihr Haus geschlichener Kriminalist rechnete ihr die Anzahl von 10er-, 50er-, 100er- und 200er-Scheinen aus, um auf die Summe von 60.000 zu kommen.
Glaubwürdigkeit durch Google
Damit war der Anrufer aber noch nicht zufrieden, sondern wollte zusätzlich noch Details zu ihren Goldmünzen. „Also habe ich rasch über Google passende Prägungen gesucht, wie ‚Mozart‘ und ‚Philharmoniker‘ und ihm die beschrieben“. Nach dem auch diese „Glaubwürdigkeits-Hürde“ übersprungen war, ging es noch um den geplanten Übergabeort, der beim Bezirksgericht Oberwart stattfinden sollte. Während dieser Abstimmung zeigte ihr der anwesende Kriminalist eine Nachricht seiner Fahndungskollegen, dass soeben nahe ihres Wohnhauses drei Täter gefasst worden sind. In deren Auto lagen die Daten von Leopoldine Zöhrer.
Zu diesem Zeitpunkt befand sich „Herr Rat“ noch am Telefon. „Als ich ihn allerdings zum Treffpunkt nach Oberwart locken wollte, wurde das 5-Stunden-Gespräch seinerseits plötzlich beendet!“, schilderte die Geschäftsfrau, die in Rechnitz ihre „Brötchenstube“ betreibt. Seither ermittelt die Polizei in diesem Kriminalfall und veröffentlichte ein Bild jenes polnischen Staatsbürgers, der als „Geld-Abholer“ fungieren sollte. Hinweise zu weiteren Kautionstrick-Betrügereien nimmt das Landeskriminalamt Burgenland unter 059133 10 3333 entgegen. Empfehlung der Rechnitzerin bei solchen Fake-Anrufen: "Sofort auflegen! Gegebenenfalls bei seinem Kind nachfragen. Dann die Polizei verständigen!"


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