100 Jahre Burgenland
Oberwart - Hauptstadt vom Staat "Leithabanat"
In Oberwart wurde 1921 ein eigener Freischärler-Staat gegründet, der aber nur wenige Wochen existierte.
OBERWART. Nach Ende des 1. Weltkriegs war die Region "Deutsch-Westungarn" bis 1921 im "politischen Niemandsland" zwischen Ungarn und Österreich gefangen.
Gerade im Bezirk Oberwart war damals der Gegensatz deutlich zu spüren, während die Stadt Oberwart eher zu Ungarn tendierte, waren die umliegenden - großteils deutschsprachigen Gemeinden - für einen Anschluss an Österreich.
Unsichere Situation
"Die meisten Oberwarter dienten im k.u.k. Infanterieregiment 83 an mehreren Fronten, zuletzt 1917 an der 12. Isonzo-Schlacht. Unter Oberst Anton Lehar kämpften die Soldaten als Regiment 106 an der Piave und sicherten im Oktober 1918 den Rückzug einiger Einheiten", berichtet Wilhelm Hodits aus Oberwart.
Das Regiment 106 wurde am 14.11.1918 in Szombathely aufgelöst und die Soldaten kehrten zurück, aber ihre Heimat gab es quasi nicht mehr. "Der Landstrich gehörte zur ungarischen Republik, der letztendliche Status war aber ungeklärt, da viele Gemeinden zu Deutsch-Österreich wollten. Oberwart war dagegen, weil man fürchtete, dass man als ungarischsprachige Menschen in Österreich eine Minderheit wäre", so Hodits.
Gegen Räte-Republik
Es kam immer wieder zu Konflikten aufgrund der unklaren Lage. Im März 1919 wurde die Räterepublik ausgerufen, die allerdings in Oberwart auf wenig Gegenliebe stieß.
"In Oberwart gab es keine Kommunisten und wenig Sozialisten. Darum wurden auch Befehle aus Budapest kaum oder sehr verzögert ausgeführt. Die Macht hatten Volkskommissar Franz Molnar und Johann Posch mit seiner "Roten Garde". Der Widerstand gegen die Räterepublik von Bela Kun wuchs und so kam es auch in Oberwart zu einem Aufstand, der allerdings nach kurzer Zeit niedergeschlagen wurde. Einige Offiziere flohen in die Steiermark und reihten sich ins Kommando von Anton Lehar ein. Aber auch die Räterepublik selbst hielt sich nicht lange und so kam es auch in Deutsch-Westungarn zum Machtwechsel", schildert Hodits.
Oberwart für Ungarn
Am 10.9.1919 sah der Vertrag von St. Germain vor, dass Deutsch-Westungarn an Österreich geht, wobei dies aufgrund Verzögerungen aus Ungarn und einigen Konflikten noch bis 1921 dauerte. "Während in den meisten Gemeinden dies positiv aufgenommen wurde, war man in Oberwart weniger begeistert und versuchte das zu verhindern. Es gab zähe Verhandlungen und den Versuch Gebiete um Oberwart an Ungarn zu binden", schildert Hodits.
Um die Übergabe der westungarischen Dörfer an Österreich zu verhindern, bildeten sich im ganzen Land Freischärlergruppen, bei denen aber Angehörige, die aus den betroffenen Gebieten selbst stammten, eher die Ausnahme darstellten.
Freischärler gegen Gendarmerie
In Oberwart hatte das I. Freischärlerkorps unter dem Kommando von Oberleutnant Arpad Taby seinen Kommandositz. Als die österreichische Gendarmerie nun am 28. August 1921 versuchte, mit 11 Kolonnen das Burgenland zu besetzen, wurde die für Oberwart vorgesehene Kolonne 7 vor Pinkafeld in ein Gefecht verwickelt.
Es gab Verletzte auf beiden Seiten sowie zwei Tote auf ungarischer Seite. Auch die Kolonne 8, die über Markt Allhau nach Oberwart vorrücken wollte, wurde bereits kurz nach dem Grenzübertritt zur Umkehr gezwungen. Die ungarischen Kräfte zogen sich nach Oberwart zurück. Das ermöglichte den Gendarmeriekolonnen wieder vorzurücken, doch beim Ortseingang von Oberwart war Schluss. Es kam wieder zu Gefechten, die die Gendarmerie erneut zurückwarf.
Hauptstadt von Leithabanat
Am 4.10.1921 wurde in Oberwart von den Freischärlern unter Pal Prónay der unabhängige Staat "Leithabanat" ausgerufen, der allerdings von keinem Staat weltweit anerkannt, nur wenige Wochen existierte. Ziel Prónays war der erneute Anschluss an Ungarn nach Durchführung einer Volksabstimmung. Doch unterschiedliche Ansichten der "freien Königswähler", zu denen Prónay gehörte, sowie den "Karlisten", die den ehemaligen Kaiser und König Karl I. unterstützten, machten die Pläne zunichte.
Das "Leithabanat" endete mit dem Abzug der Freischärler am 10. November 1921 und dem endgültigen Einrücken der österreichischen Gendarmerie. Am 26. November 1921 marschierte die 4. Brigade des österreichischen Bundesheeres in Oberwart ein und somit wurde Oberwart schließlich endgültig ein Teil von Österreich bzw. des Burgenlandes.
Kaiser in Oberwart
In all den Querelen trug es sich zu, dass der ehemalige Kaiser und König Karl I. am Weg nach Ungarn am 27. März 1921 (Ostersonntag) auch durch Oberwart fuhr. Karl I. war inkognito in der Begleitung des Rotenturmer Grafen Erdődy auf einem vom Pinkafelder Gastwirt Lehner geliehenen Pferdefuhrwerk zu seinem ersten Restaurationsversuch nach Ungarn unterwegs, der aber scheiterte.
In seinen Aufzeichnungen hielt Karl fest, dass sein Wagen in Oberwart wegen der Auferstehungsprozession anhalten musste. Die Passagiere stiegen aus und knieten vor der Prozession nieder, bevor die Reise weiterging.
Zahlreiche Bauwerke
Trotz der herrschenden Not entwickelte sich Oberwart weiter. Es entstand ein neuer Park am Hauptplatz, das Krankenhaus wurde 1925 erweitert und 1931/32 zur modernsten Anstalt des Landes ausgebaut. 1927/28 wurde eine Molkerei errichtet, 1924 eine „Gewerbliche Fortbildungsschule“ und 1929 eine Hauptschule bzw. „Bürgerschule“, wie sie damals hieß, errichtet. Ebenso wurde 1925 die Bahnlinie Oberwart-Pinkafeld nach Friedberg verlängert und ans österreichische Bahnnetz angeschlossen. Oberwart wurde in der zweiten Hälfte der 20er Jahre zum landwirtschaftlichen Umschlagplatz des südlichen Burgenlandes.
Die politische Situation war in Oberwart ziemlich stabil, Bürgermeister Alexander Sisko blieb in dieser Funktion von 1903 bis 1938 nur mit Unterbrechungen von 1913 bis 1917 und während der Räteherrschaft. 1938 erfolgte nach einem Skandal seine Enthebung.
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