Missbrauch im Wiener Kindergarten
Elternvertreter erwarten keine Anklage
Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen einen Pädagogen, der Kindergartenkinder sexuell missbraucht haben soll. Eine Elternvertreterin behauptet, dass die Gutachten der Kinder nicht aussagekräftig sind, weil sich die Kinder nicht an Datum und Uhrzeit erinnern können.
WIEN/PENZING. Ein Pädagoge soll mehrere Kinder in einem städtischen Penzinger Kindergarten sexuell missbraucht haben. Diese Vorwürfe wurden im Frühjahr bekannt, seitdem versucht die Stadt Wien das Vertrauen der Eltern zurückzubekommen. Erfolg gab es da jedoch kaum, wie eine Elternvertreterin im Gespräch mit der BezirksZeitung erzählt.
Doch der Reihe nach: Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt seit einigen Monaten gegen den Pädagogen P. Er soll von März 2020 bis April 2021 mindestens vier Kinder sexuell missbraucht haben. Zwölf Eltern haben bereits Ende Juni 2020 auffällige Verhaltensänderungen bei ihren Kindern beobachtet, die auf die mutmaßlichen Taten hindeuten könnten: Albträume, Bettnässen und die Weigerung, in den Kindergarten zu gehen.
Das steht im Untersuchungsbericht der Kinder- und Jugendanwaltschaft, welcher im Juli veröffentlicht wurde. In der Luft kreisen jedoch Vorwürfe der Vertuschung, weil die Eltern erst in diesem Jahr informiert worden sind.
Seitdem kündigte der zuständige Stadtrat und Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) eine unabhängige Ombudsstelle bei der zuständigen MA 10 (Kindergärten) an, an die sich Eltern sowie Pädagoginnen und Pädagogen wenden können. Mit einem "Reporting-Tool" sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Möglichkeit haben, Missstände (auch anonym) melden zu können. Weiters werden diese im Hinblick auf Kinderschutz geschult und das Kinderschutzkonzept der Stadt Wien soll weiterentwickelt werden.
Gutachten nicht aussagekräftig
In den vergangenen Monaten haben mehrere Kinder ihre Erfahrungen mit P. der Staatsanwaltschaft Wien geschildert. "Die ersten Gutachten wurden bereits abgeschmettert, weil sich die Kindergartenkinder nicht an Datum und Uhrzeit der Tat erinnern können", behauptet Elternvertreterin Katharina Kohlbach. Sie ist seit dem ersten Tag Teil einer Art "Krisenmanagement" im Kindergarten, weil mit ihr und anderen Eltern weitere Betroffene tagtäglich gesprochen haben.
"Es ist unglaublich. Unseren Kindern wird keine Stimme gegeben", beklagt Kohlbach und behauptet, dass die Gutachten auch abgeschmettert werden, weil "viel Fantasie" in ihren Geschichten vermutet wird. Die Vorwürfe gegen P. sind jedoch schockierend: Er soll die Kinder an Geschlechtsorgane berührt und ihnen Gegenstände in den Po gesteckt haben. Zwölf Anzeigen sind Kohlbach bekannt. "Deutlich mehr Eltern berichten über Symptome bei ihren Kindern", jedoch ist eine Anzeige bei der Polizei für die Betroffenen "eine große Belastung".
Die Elternvertreterin kritisiert auch eine Gutachterin, die zuständig für diese mutmaßlichen Missbrauchsfälle ist. "Sie nimmt sich kaum Zeit für Gutachten und diese sind nur oberflächig, wie mir Eltern berichten. Sie spricht auch nur kurz mit den Kindern", so Kohlbach. Angeblich wurden zwei bis drei Gutachten als "nicht aussagekräftig" gekennzeichnet.
Aus diesen Gründen zweifelt man, ob es überhaupt zu einer Anklage kommen wird: "Leider ist die Expertenmeinung zum Gerichtsverfahren, dass diese Delikte im österreichischen Rechtssystem in den seltensten Fällen zur Anzeige gelangen. Es ist sehr schwierig, mit so kleinen Kindern einen für das Gericht ausreichend exakten Tathergang zu rekonstruieren", sagt Kohlbach.
Wiederkehr-Büro schweigt zu Ermittlungen
Das Wiederkehr-Büro wollte auf Anfrage der BezirksZeitung keine Angaben zu den Vorwürfen geben: "Generell können wir zu allen strafrechtlich relevanten Fragen der Anfrage nichts sagen. Das ist Sache der Staatsanwaltschaft und wir werden vor dem Vorliegen ihres endgültigen Berichts auch nichts kommentieren", sagt Sprecher Manfred Kling.
Auch wenn sich Kohlbach über fehlende Einsetzung der Maßnahmen beschwert, sieht dies die Stadt Wien anders: "An den gesetzlichen Änderungen hinsichtlich Kinderschutzkonzept wird mit Hochdruck gearbeitet, dieses geht demnächst in Begutachtung und soll noch heuer im Landtag beschlossen werden". Die geplante Ombudsstelle soll in Kürze eingerichtet werden.
P. weiterhin im Innendienst
Und was passierte mit P. sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die im Zuge der Causa angeblich versetzt worden sind? P. befindet sich laut Sprecher Kling weiterhin im Innendienst. Die Kindergarten- und die Regionalleiterin wurden abgezogen, die Leiterin der zuständigen MA 10 hat ihren Job verloren, hieß es im Frühsommer. "Die MitarbeiterInnen stehen in einem aufrechten Dienstverhältnis zur Stadt Wien. Die Kindergartenleiterin ist weiterhin bei der MA 10 beschäftigt", so Kling. Wo die ehemalige MA 10-Leiterin heute beschäftigt ist, konnte nicht gesagt werden.
Dass diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch immer für die Stadt arbeiten, ist für die Elternvertreterin "nicht akzeptabel": "Das Fehlverhalten der MitarbeiterInnen ist bereits im Bericht der KJA dokumentiert und muss auch entsprechend Konsequenzen haben. Das Büro Wiederkehr hat hier die Verantwortung zu handeln".
Eine BezirksZeitung-Anfrage bei der Staatsanwaltschaft Wien blieb bis Donnerstagabend ohne Antwort.
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