Statt schämen die Hilfe annehmen!
Zwei verstorbene Söhne, Depressionen und physisches Leid schier ohne Ende - ein Ehepaar erzählt.
PINZGAU (cn). Wer Kinder hat, kann das Leid der Pinzgauer Eheleute vielleicht ansatzweise erahnen, doch so richtig vorstellen wohl kaum. Ein Sohn der Familie verstarb im Alter von 19 Jahren bei einem Verkehrsunfall. „Ein anderer Autofahrer hat den Buben von hinten ,abgeschossen‘ und in Richtung Gegenverkehr geschoben“, erzählt Walter K.*. Und dann, vor zehn Jahren, der nächste große Schicksalsschlag: Ein anderer Sohn der Familie nimmt sich das Leben.
Nicht mehr leben wollen
Nach dem ersten Todesfall fällt Walter K.* in schwere Depressionen. Der einst nach außen hin so „gestandene Mann“ kann nicht mehr arbeiten und will nicht mehr leben. „Ich war drei Wochen lang in der Krisenintervention in Salzburg, anders wäre es nicht gegangen. Und obwohl man die Kraft und den Willen zum Überleben letztendlich selber aufbringen muss, hat man mir dort sehr geholfen.“
Auch noch lange danach bleibt Walter K.* in psychiatrischer Betreuung, er nimmt sowohl Medikamente als auch einen Psychologen in Anspruch.
Sehkraft von sieben Prozent
Dazu gesellen sich noch so viele Krankheiten, dass Gattin Erna K.* sagt: „Schneller wäre man mit einer Auflistung fertig, wenn man das aufzählen würde, was meinen Mann nicht erwischt hat.“ Walter K.* musste beispielsweise fünf Hüftoperationen mit Komplikationen, verknorpelte Nerven in den Händen, einen schweren Unfall mit der Motorsäge und einen Augeninfarkt erleiden. Seine Sehkraft beträgt nur noch sieben Prozent, wobei keinerlei Aussicht auf eine Verbesserung - wahrscheinlicher ist eine Verschlechterung - besteht.
Anderen Mut machen
Den Eheleuten geht es bei diesem Zeitungsartikel aber keineswegs darum, das Leid der Familie zu veröffentlichen, sondern sie wollen anderen Menschen mit Schicksalsschlägen Mut machen.
Und sie prangern auch folgendes an: „Bei uns sind psychische Erkrankungen nach wie vor ein Tabu. Deshalb scheuen sich Betroffene oft, sich zu ,outen‘ bzw. nehmen sie keine professionelle Hilfe in Anspruch. Dabei wäre das so wichtig und hilfreich!“ Und Herr K.* schildert folgendes: „Als ich einmal einem in der Region allseits bekannten Mann erzählt habe, dass ich in der Krisenintervention war, hat er mich gefragt, ob ich mich denn meiner gar nicht schäme.“
„Die Buben sind bei uns“
Doch zurück zum Mutmachen: Wie kann man so großes Leid wie den Verlust von Kindern aushalten, wie kann man Depressionen, körperliches Leid und Schmerzen so lange ertragen? Walter K.*: „Der Glaube war letztendlich hilfreich, doch zunächst habe ich sehr mit Gott gehadert. ,Warum nur‘, habe ich geschrien, und ,Was noch?‘ Dann heilt tatsächlich die Zeit ein wenig die Wunden. Die Familie ist natürlich sehr wichtig, die Selbsthilfegruppe, und in meinem Fall waren es auch unsere Tiere. Trotzdem gibt es immer wieder Zeiten der Trauer, und die muss man auch zulassen. Die Buben sind irgendwie stets bei uns, und wenn wir zum Friedhof gehen, sagen wir, dass wir zu ihnen gehen und nicht zum Grab.“
Am Schicksal gewachsen
Die Eheleute schildern auch, dass sie durch das Leid sensibler wurden, sich an kleinen Dingen erfreuen und dass sie froh sind, einander zu haben. Walter K.*: „Früher war ich dem Leben gegenüber viel negativer eingestellt, ich hatte kein Selbstvertrauen und viele Ängste. Durch das Schicksal bin ich als Mensch gewachsen.“ Und er sagt das mit einem so frohen und zuversichtlichem Gesichtsausdruck, dass man ihm gerne glaubt. Und hätte man einen Hut auf, würde man ihn ziehen.
Kontakt zum Ehepaar K.*: Tel. 0664-806664653 (Redakteurin C. Nothdurfter)
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