Probleme im Alltag
50.000 Salzburger haben Schwierigkeiten beim Lesen
Am 8. September ist Weltalphabetisierungstag. Zu diesem Anlass macht das "abc-Salzburg" mit der Aktion "Bookcrossing" im Bischofshofener Karo auf den Bedarf nach Basisbildung im ganzen Land aufmerksam. Wir haben uns mit zwei Expertinnen über die Lage im Pongau und im ganzen Land unterhalten.
SALZBURG, BISCHOFSHOFEN. Circa 50.000 Salzburgerinnen und Salzburger haben Schwierigkeiten längere Texte sinnerfassend zu lesen, vor allem wenn schwierige Wörter darin vorkommen. Somit haben 15 Prozent der heimischen Bevölkerung Bedarf an Basisbildung. Eine Problematik, die in der öffentlichen Debatte weitestgehend ausgeblendet wird. Anlässlich des Weltalphabetisierungstages am 8. September machte das Basisbildungszentrum „abc-Salzburg“ mit Bookcrossing-Aktionen im Salzburger „Forum 1“ und im Bischofshofener „Karo“ auf die Thematik aufmerksam. Die Geschäftsführerin des „abc-Salzburg“, Gerhild Sallaberger, und die pädagogischen Leiterin und Beraterin, Birgit Loibichler, haben mit uns über die Lage im Land Salzburg und über die kostenlosen Basisbildungskurse gesprochen.
Spezialisierung auf Muttersprachler
„Wir haben uns auf Personen spezialisiert, deren Muttersprache Deutsch ist.“, erzählt Birgit Loibichler. Über 60% der Kursteilnehmerinnen und -Teilnehmer an den Standorten Bischofshofen und Salzburg seien dieser Gruppe zuzurechnen. „Unterschiedliche Einrichtungen in Österreich haben sich auf unterschiedliche Zielgruppen eingestellt“, stellt die Expertin klar. Auch bei den Kursen des „abc-Salzburg“ seien all jene willkommen, die einen Bedarf an Basisbildung haben. Die Demografie der Personen, die sich beim Bildungszentrum melden, sei ebenso vielseitig wie deren Anforderungen an die Kursleitungen.
Digitalisierung verschärft die Situation
Sallaberger und Loibichler stellen bei ihren Angeboten eine Ballung in der Altersgruppe der 45- bis 55-Jährigen fest. Die betroffenen Personen stünden meist fest im Berufsleben und es gebe eine Reihe von potentiellen Auslösern, die zur Entscheidung führen, sich für einen Kurs anzumelden. „Manche können ihre Kinder nicht in der Schule unterstützen und andere haben Probleme mit Dokumentationen im Arbeitsalltag“, nennt Loibichler einige Beispiele. Die zunehmende Digitalisierung verschärfe die Situation für die Betroffenen: „Immer öfter werden E-Mails statt Anrufen gefordert und rund um Corona musste ohnehin alles am Smartphone erledigt werden.“
Überwindung ist im Pongau schwieriger
Bei den Problemen im Alltag stellen die beiden Expertinnen auch einige Unterschiede zwischen den Betroffenen an ihren beiden Standorten in Bischofshofen und der Stadt Salzburg fest. „In ländlichen Regionen wird etwa Schalterpersonal immer öfter durch Automaten ersetzt“, erzählt Loibichler. Dadurch würden den Betroffenen potentielle Möglichkeiten genommen, ihre mangelnde Basisbildung durch persönliche Gespräche zu kompensieren. Gerhild Sallaberger ergänzt außerdem, dass die Hemmschwelle sich Hilfe zu suchen, im Pongau höher sei als in der Stadt Salzburg: „In Regionen, wo jeder jeden kennt, fällt es den Leuten schwerer sich zu outen. Die Stigmatisierung des Themas ist einfach noch viel zu hoch.“ Der Abbau ebendieser Stigmatisierung sei eines der Hauptziele des Basisbildungszentrums. „Das Ziel ist es, einen Basisbildungskurs mit demselben Selbstverständnis zu machen wie beispielsweise einen Yogakurs“, gibt sich die Geschäftsführerin hoffnungsvoll.
Bücher verschenken und Aufmerksamkeit stiften
Einen Beitrag zur Erreichung dieses Ziels wollte man auch mit der Bookcrossing-Aktion leisten, die am Donnerstag im Bischofshofener Karo über die Bühne gegangen ist. Dabei wurden von der Rupertus Buchhandlung gestiftete Bücher kostenlos ausgegeben, die nach dem Lesen wiederum weitergeschenkt werden sollen. Bürgermeister Hansjörg Obinger (SPÖ) teilte die Bücher gemeinsam mit der Gründerin des "abc-Salzburg", Brigitte Bauer, und den Leiterinnen der Bischofshofener Kurse aus. Obinger kennt die Organisation bereits seit 2005 und ist sich des Bedarfs an Basisbildung bewusst. Auch am Gemeindeamt müsse man immer wieder Menschen beim Ausfüllen von Formularen unterstützen: "Die Niederschwelligkeit auf der Gemeinde erleichtert Amtswege für die Betroffenen", meint der Bürgermeister. Er räumt aber ein, dass es auch abseits des Weltalphabetisierungstages mehr Aufmerksamkeit für die Basisbildung bräuchte, um Betroffene besser zu unterstützen. "Wir bekommen oft das Feedback, dass sich viele gerne schon früher gemeldet hätten, wenn sie unser Angebot gekannt hätten", erzählt Brigitte Bauer und ergänzt weiters: "Sie sind dann alle sehr froh, dass sie den Schritt gemacht haben und sich gemeldet haben."
Individuelle Beratungen für Interessierte
Für all jene, die Interesse an einem Basisbildungskurs haben, empfehlen Sallaberger und Loibichler einen Anruf beim regionalen Beratungstelefon unter der Nummer 0699 1010 2020. „Hier kann jeder seine Vorstellungen darlegen und wir kümmern uns individuell um das richtige Angebot“, stellt Loibichler klar. Die kostenlosen Kurse des abc-Salzburg finden einmal wöchentlich statt und orientieren sich zeitlich am Zyklus eines Schuljahres. Ansonsten haben die Kurse aber nichts mit der klassischen Schule zu tun. „Das hat mit Schule nichts zu tun. Man muss hier nichts machen, man darf. Das ist das wichtigste“, erklärt ein ehemaliger Kursteilnehmer in einem Interview, das uns die Geschäftsführerin vorspielt. Neben den Kursen des „abc-Salzburg“ gibt es auch andere Basisbildungsangebote im ganzen Land, etwa beim „Bfi Salzburg“, im Bildungszentrum Saalfelden, beim Verein „Viele“, im Kursangebot der "Volkshochschule" oder im Clearinghouse vom „SOS Kinderdorf.“
Das kostenlose ALFA-Telefon informiert ebenso über die kostenlosen Kursangebote.
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