Wirbel um Erreichbarkeit im Krankenstand

- SP-Arbeitnehmersprecher Günter Kraft im Interview mit den Bezirksblättern.
- Foto: Zeiler
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Wenn der Chef anruft, muss der Arbeitnehmer abheben – laut jüngstem Urteil des Obersten Gerichtshofes.
BEZIRK TULLN / NÖ / WIEN. Mitarbeiter müssen dem Arbeitgeber auch im Krankenstand zur Verfügung stehen, wenn die Auskünfte nicht auf einem anderem Weg eingeholt werden können und der Firma sonst wirtschaftlicher Schaden droht, so das jüngste Urteil des Obersten Gerichtshofes.
Die Bezirksblätter baten den Tullner Günter Kraft zu einem Interview. Er ist Arbeitnehmersprecher des SP-Landtagsklubs.
BEZIRKSBLÄTTER: "War dieses Urteil aus Ihrer Sicht schon lange fällig?"
KRAFT: "Das angesprochene Urteil ist eine Einzelfallentscheidung und aus meiner Sicht bringt das Urteil des Obersten Gerichtshofes keine Klärung – vielmehr führt es zu einer allgemeinen Verunsicherung der Betroffenen.
Aber für die Zukunft gilt nach wie vor der Grundsatz: Wer krank ist muss natürlich nicht ständig für den Chef erreichbar sein!"
"Was bedeutet das für die Mitarbeiter – was raten Sie dem Kranken, wenn er angerufen wird oder Mails bekommt?"
"Der OGH vertritt die Meinung, dass Arbeitnehmer erreichbar sein müssen, wenn es um unbedingt erforderliche Informationen geht, deren Vorenthaltung zu wirtschaftlichen Schaden des Unternehmens führen würden und der Genesungsprozess nicht beeinträchtigt wird. Im Zweifelsfall ist das jedenfalls genau zu prüfen und ich empfehle sich gegebenenfalls bei den Gewerkschaften oder mit der Arbeiterkammer Rücksprache zu halten".
"Müsste nicht die Firma dafür sorgen, dass jeder Mitarbeiter entsprechend vertreten wird – wie bei Konsumierung des Urlaubs?"
"In diesem Zusammenhang appelliere ich auch an die Unternehmungen dieses Urteil nicht falsch zu verstehen und den betroffenen Arbeitnehmer nicht unnötig zu kontaktieren."
"Natürlich muss man unterscheiden, um welche Art der Krankheit es sich handelt ..."
"Die Gesundheit steht im Vordergrund und im Krankheitsfall hat der Arbeitnehmer alles für seine rasche Genesung zu tun und alles was den Krankheitsverlauf verlängert oder eine rasche Genesung schädigt zu unterlassen. Dasselbe gilt natürlich auch für den Dienstgeber".
"Aus Arbeitnehmersicht: Wo führt das Ihrer Meinung nach hin? Die Tendenz immer und überall erreichbar..."
"Es bedarf hier strengerer gesetzlicher Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmer. Die Gesundheit steht im Vordergrund, denn Menschen sind keine Maschinen".
Sagen Sie uns Ihre Meinung unter tulln.red@bezirksblaetter.at
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