Die Glocken schweigen

Der erste Vollmond nach der Frühjahrs-Tag-und-Nacht-Gleiche erhellt heute die Nacht. Und damit bestimmt er den Termin für das Osterfest. Die Christen in aller Welt vollziehen in der Karwoche die Passion Christi nach. "Kar" ist ein uraltes Wort, das sich in vielen europäischen Sprachen findet und in einem Bedeutungszusammenhang von Liebe (engl. to care, franz. caresser, ital. cari) Wendung und Umkehr steht.
Ab dem Abend des Gründonnerstag verstummen die Glocken, um die grundsätzliche Verwandlung, die im Gange ist, zu verdeutlichen. Die Glocken, etwa die großen alten Wetterglocken wie der "Stier von Breitenwang", aber auch die Kuhglocken sollen das Unheil fern halten. Doch in der Karwoche nimmt genau dieses Unheil seinen Lauf: Jesus wird zum Tod verurteilt und gekreuzigt.
Früher gab es in vielen Orten statt der wohlklingenden Glocken große hölzerne Schlagwerke auf den Kirchtürmen. Und die Minstranten klingeln nicht, sondern Ratschen ersetzen die kleinen Glöckchen, mit denen etwa die Wandlung angekündigt wird.
Die Verwendung von Glocken und Glöckchen zu kultischen Handlungen ist nicht auf das Christentum beschränkt. Sowohl das Gewand der sibirischen Schamanen, als auch das jüdische Priestergewand ist mit Klöckchen versehen. Und so verwundert es auch nicht, wenn sich in den einheimischen Sagen sowohl der Zug der Percht, als auch das Muatesheer durch Geklingel hörbar macht.
Doch zurück zu den großen Kirchenglocken. Diese brechen ihr Schweigen im Ostermorgen um die Auferstehung zu verkünden. In vielen Gemeinden im Außerfern sind es die berühmten Glocken der Gießerei Löffler aus Hötting bei Innsbruck. Und Tannheim hat hier eine Sonderstellung. Denn der Turm von St. Nikolaus in Tannheim birgt das einzige vollständige Löffler-Geläut, das noch existiert.