Fernpass-Paket
Der Fernpass-Ausbau – das trojanische Pferd

Es sind nun 23 Jahre, seit ich mich mit dem Thema Verkehr an der Fernpassbundesstraße, innerhalb einer Bürgerbewegung befasse. Die Inhalte blieben stets dieselben, nur die Gewichtung der Sichtweisen, hat sich wahrnehmbar positiv verändert. Die Aussagen sind jetzt mehr von der Vernunft getragen, als von Emotionen. Die Fakten zur Situation an der B179 sind leicht aufgelistet:
Das natürliche Verkehrswachstum vom Durchreise- und Transit-Verkehr, findet auch hier bei uns statt. Es ist verursacht durch ein geändertes Urlaubsverhalten der nördlichen Nachbarn, die immer kürzer, aber öfter in den Süden fahren. Dann sind die Schichtwechsel in Hotels noch immer vorwiegend an Wochenenden, und der Ausbau der Tourismusorte in Inner-Tirol schritt immer weiter fort. Das Außerfern, Gurgltal und Mieminger Plateau wurden zur Durchzugs-Region. Das Konsumverhalten geht immer mehr hin zu online-Bestellungen, was mehr Einzeltransporte erfordert. Die Großkonzerne betreiben ständig eine Profitmaximierung, die immer günstigere aber entferntere Produktionsstandorte erfordert, und sie halten ihr Lager auf der Straße in Form von fahrenden Lkws. Das sind nur einige Faktoren, die wir außer dem Kaufverhalten in der Region wenig beeinflussen können.

Wer sich neben dem natürlichen Verkehrswachstum noch zusätzlichen Verkehr wünscht, der kann dies mit Maßnahmen erreichen, die die Strecke von Deutschland nach Italien über Reutte noch attraktiver machen. Jede Straßen-Begradigung und Verminderung von Steigungen, macht die Strecke interessanter für Wohnwagen-Gespanne und Sattelschlepper – Sommer wie Winter. Jede natürliche Barriere macht sie uninteressanter. Die 7,5-Tonnen-Beschränkung für alle Fahrten, die nicht im Ziel- und Quellverkehr in unserer und den umliegenden Regionen von Ravensburg bis Trentino ihre Ursache haben, beruht aber genau auf diesen natürlichen Barrieren. Wer nun einen Fernpass-Scheiteltunnel bauen will, der beseitigt die Grundlage von der 7,5t-Beschränkung. Wenn die Grundlage weg wäre, wäre logischerweise auch die Beschränkung weg. Da ist es besser an die Logik als an wackelige Studien zu glauben. Was wären wirklich die Folgen, wenn man die Route sukzessive immer komfortabler machen würde? Kämen wir dann schneller von Reutte nach Innsbruck? Mit Sicherheit nicht. Die errechnete Zeitersparnis von 4 Minuten wäre mehrfach aufgehoben, durch den Zuwachs von neuem Verkehr. Das Verkehrsvolumen ist nämlich keine Konstante, sondern passt sich immer den Gegebenheiten an, so wie sich am Markt alles nach Angebot und Nachfrage richtet. Von Norden kommend zum Brenner hin wäre es außerdem über Reutte um 80km kürzer als über Kufstein. Ein breiter, gerader Straßenteppich wird immer geschätzt. So mancher Arbeitnehmer könnte sich überlegen, auf der anderen Seite des Fernpasses Arbeit anzunehmen, weil es jetzt doch einfacher ginge. Empirisch bewiesen ist, dass der Mensch geneigt ist, täglich nicht immer gleich weit sondern gleich lange zu fahren. Wo man Straßen sät, wird man Verkehr ernten. In unserem Fall wäre es so, dass die Akzeptanz der Fernpassstraße, von allen Seiten stark zunehmen würde, aber die Kapazität gleich bliebe. Es bliebe eine zweispurige Straße mit der Kapazität von heute. Der Stau könnte sich dadurch nur deutlich vergrößern, so wie es Ausbauten anderswo gezeigt haben.

An diesem Punkt denken dann manche gerne an eine „große Lösung“. Der Zubringer zu großen Tunnels macht dann aber eine vierspurige Straße erforderlich, also eine Autobahn. Die Akzeptanz dafür ist in der Bevölkerung immer weniger vorhanden, weil sie inzwischen genau weiß, dass der schmale Talboden vom Zwischentoren zu Lasten des Siedlungsraums, und der Lebensqualität verloren ginge. Wer will schon in einem „kleinen Wipptal“ wohnen? Außerdem respektiert man inzwischen, dass es zwischen den Alpen-Ländern eine Vereinbarung namens „Alpenkonvention“ gibt, die vorgibt, dass es keine weiteren Ausbauten zu höherrangigen Nord-Süd-Verbindungen durch die Alpen geben darf. Wer einen Durchstich durch die Alpen fordert, sollte die Fertigstellung des längst im Bau befindlichen Brennerbasis-Tunnels mit der Unterinntal-Trasse wünschen, bevor er einen weiteren Ausbau andenkt.

Der Stimmung betreffend der Vorstellung vom „Fernpass-Paket“ war zu entnehmen, dass all diese oben angeführten Sachverhalte nun von viel mehr Menschen respektiert werden, als dies früher der Fall war. Verbreitet bleibt aber die Forderung, dass endlich „etwas getan werden müsse“. Etwas zu tun, des Tuns wegen, kann aber auch kontraproduktiv sein. Bevor man „etwas tut“ muss man sicher gehen, dass es das Verkehrsvolumen begrenzt oder beibehält, aber keinesfalls vergrößert. Daher dürften nur Verkehrs-dosierende und begrenzende Maßnahmen angedacht und geplant werden. Diese werden aber mehr logistischer, als bautechnischer Natur sein. Die Dosierampel hat sich bewährt, weil große Geschwindigkeitsunterschiede rasch zu Stau-Bildungen führen, die sich dann lange nicht mehr auflösen. Verkehrsfunk-Information über die Landesgrenzen hinweg, kann helfen. Manche Linksabbiegespuren wurden bereits beseitigt, alle noch nicht, und auch einen Zebrastreifen gibt es noch.
Die Beibehaltung der 7,5t-Beschränkung wurde inzwischen als Maxime erkannt. Das versöhnt die harten Fronten früherer Diskutanten. Auch, dass eine Straße mit begrenzter Kapazität, nicht unbegrenzt Verkehr aufnehmen kann, wird allseits verstanden. Die Idee der „Alpentransitbörse“ kommt jetzt nach 20 Jahren, erstmals wieder als „Slot-System“ auf den Tisch. Erst für den Schwerverkehr über den Brenner, irgendwann auch für den Reise-Verkehr. Denn bei jedem Zug, Schiff und Flugzeug wird akzeptiert, dass diese eine beschränkte Aufnahmekapazität haben; so ist es auch bei der Straße. Bevor alles steht wird es notwendig werden, Autofahrten durch die Alpen zu buchen. Der Preis könnte sich sogar nach Angebot und Nachfrage richten, um zugleich den Verkehr zu entflechten. Immerhin setzen wir uns in Fahrzeuge und keine Stehzeuge wenn wir von A nach B kommen wollen. Die Kooperationsmöglichkeiten bei Autofahrten in die gleiche Richtung könnte verbessert werden, und auch das Angebot auf der Schiene könnte für Urlauber adäquater gestaltet werden. Ein Bündel von sanften Maßnahmen hilft, eine Aufweitung des „Flaschenhalses“ B179 hingegen überschwemmt. Und die vorgestellte Fernpass-Maut wird uns Tiroler kommerziell und mental mehr trennen, als Touristen abschrecken. Das sollte auch nicht gewollt sein, wenn ein Tunnel selbst-finanzierend betriebswirtschaftlich geführt werden will.

DI(FH) Siegfried Kerle, Verein Alpentransit Außerfern
01.02.2024

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