Warum wir keine Zwerge mehr sehen können

Salige von Ursula Fuchs-Hofer
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Bis ins 19. Jahrhundert war es ganz selbstverständlich, dass Zwerge, Elfen, Geister und Hexen die gleiche Realität hatten, wie heute etwa das Radio oder das Telefon. Was ist in der Zwischenzeit passiert, dass wir keine Zwerge mehr sehen können?
Wir haben uns verändert - die Zwerge nicht. Grundsätzlich liegt das "nicht mehr sehen können" am Bewusstsein der Menschen und nicht daran, dass es keine Zwerge mehr gäbe. Versetzen wir uns in das Leben unserer Vorfahren hinein, so gibt es gravierende Unterschiede. Die Menschen waren ganz überwiegend Analphabeten. Es galt für sie das gesprochene Wort und sonst nichts. Das was sie nicht in Erinnerung behielten, war für alle Zeit vergessen und verloren. Die Menschen hatten deswegen eine gigantische Erinnerungsfähigkeit und Kommunikationsdichte, die uns kaum noch vorstellbar ist. Überhaupt war die Aufmerksamkeit auf die Überlieferung und das Geschehene gerichtet. Das Erlebte wurde wieder und immer wieder in immer neuen Variationen erzählt. Demgegenüber war die uns so wichtige Zukunft, das was wir planen und erreichen wollen, eher untergeordnet.
Die Menschen waren viel weniger ICH-betont, sondern erlebten sich als Teil der Gemeinschaft, als Teil der Natur. Sie waren nicht gehetzt von einer abstrakten Zeit, sondern lebten mit den Zyklen des Tages und des Jahres und den damit verbundenen Feiern. Sie sahen an der Natur - die Pflanzen wachsen, die Pflanzen blühen, die Pflanzen verwesen und im nächsten Frühlung wird alles wieder zum Leben erweckt. Leben und Tod waren durchlässig und wandelbar. So konnten auch die Geister von Toten ganz leicht wieder zurück kommen.
Es gab keine Notwendigkeit, sich zu beschleunigen, denn alles hatte seine Zeit. Niemand kam auf die Idee, Gemüse und Obst zu ernten, bevor es reif war. Alles was die Menschen erlebten, war absolut real und wirklich. Niemand sagte: "das hast du dir nur eingebildet" oder "das hast du nur geträumt". Sondern den Zwerg hatte man sich nicht eingebildet, sondern man war ihm tatsächlicht begegnet. War man dem Zwerg nicht selber begegnet, so kannte man ihn zumindest aus alledem, was in der Dorfgemeinschaft erzählt wurde. Und der Alptraum war ein furchteinflößender Geist, der sich in Nacht auf die Brust gesetzt hatte und einem die Luft zum Atmen nahm. An dieser Realität wurde nicht gezweifelt.
Überall war es belebt und wesenhaft, alles war sinnerfüllt und hatte eine Bedeutung. Da war nicht nur ein Baumstumpf im Halbdunkel, sondern da war ein Gesicht. Da war nicht nur ein Schatten, sondern da stand ein Nebelkäppler, der sich unsichtbar machen konnte. Auf den Bergen tanzten die Wetterhexen mit ihren roten Röcken und durch die Wälder streiften Jäger als Teufelsbündler, deren Kugeln niemals fehlten.
Die Vorstellung des Zwerges trägt viel von den Bergleuten des Mittelalters in sich. Oft waren das ja Kinder, die in die tiefen engen Stollen geschickt wurden, damit nicht so viel Gestein herausgehauen werden muss. Deswegen ist der Zwerg klein. Er hat eine Kapuze, um seinen Kopf zu schützen. Oftmals trägt er eine Laterne in der Hand, um im Dunkeln zu leuchten.
Der Name Zwerg ist übrigends hochdeutsch. Im Allgäu und Tirol hieß es Butz oder Putz. Der Putz, Bütz oder Butz ist ein vielschichtiges Wesen der Sagenwelt. Der Universalgelehrte Falger aus Elbigenalp schreibt etwa im Jahr 1800, dass die Menschen im Lechtal große Angst vor dem "Putz" hatten. Im Butz steckt der kleine "Butzel", das Putzige, aber auch der unheimliche KaPUZenmann, dessen Gesicht im Verborgenen bleibt. Manchmal heißt der Putz auch einfach "Schwarzer Mann". Der Putz hat Ähnlichkeiten mit den Heinzelmännchen, denn manchmal ist der Putz hilfsbereit und zutraulich. Der Putz von Hötting etwa füttert hungrige Kinder durch auf einer einsamen Hütte. Das Wort putzen = säubern leitet sich vom "Putz" ab. Doch immer bleibt der Putz ein Wesen der wilden Natur, das nicht auf Dauer bleibt. Gibt der Mensch Geschenke, so zieht sich der Putz scheu zurück, denn er will nicht zu sehr in die Welt der Menschen hineingezogen werden.
Furchtbar angsteinflößend kann der Almputz werden. Er tritt besonders dann in Erscheinung, wenn der Winter naht und die Almhütten verlassen sind. Dann scheppert und poltert er und macht den Hirten deutlich, dass sie jetzt Eindringlinge in seiner Bergwelt sind. Wird der Putz beleidigt oder macht man sich über ihn lustig, so kann das einen sogar das Leben kosten, wie eine unheimliche Sage vom "Hölzernen Almputz" aus der Nähe von Innsbruck berichtet.

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