Assistierter Suizid
Sterben mit Hilfe ist jetzt erlaubt: Was sagen Rieds Palliativ- und Hospiz-Fachleute?
Mit Hilfe in den Tod? Seit 1. Jänner 2022 ist die assistierte Sterbehilfe in Österreich legal. Rieds Palliativfachleute und Hospizleiterinnen sprechen über das Für und Wider.
BEZIRK RIED. Das neue Gesetz bietet schwerkranken Menschen die Möglichkeit, ihr Leben durch einen assistierten Suizid zu beenden. Fragen von Klienten und deren Angehörigen dazu gebe es schon seit längerem, nun vermehrt, wie Johann Gabriel, Leiter des Mobilen Palliativteams Innviertel berichtet. "Es sind legitime Überlegungen von unheilbar kranken Menschen", sagt er. "Was passiert mit mir. Wer betreut mich? Möchte ich meinen Angehörigen das Leid ersparen?" Ist der Wunsch zu sterben da, müsse dieser wahrgenommen und gewürdigt werden. "Die Palliativmitarbeiter sind die Bindeglieder. Wir ergründen das Warum, beraten, haben ein offenes Ohr", erklärt er und ergänzt: "Wir müssen hier auf den gesetzlichen Rahmen, der geschaffen wurde, vertrauen."
Denn die Vorgehensweise, um mittels assistiertem Suizid aus dem Leben zu scheiden, ist streng geregelt: Es braucht Arztgespräche, Zeugnisse, Notarzttermine, Wartezeiten. Mehr dazu unten. Das sei auch notwendig, um Missbrauch vorzubeugen, sagen Andrea Hartinger, Koordinatorin des Mobilen Hospizes Ried im Innkreis und Schärding, sowie die Leiterin des St. Barbara Hospizes in Ried, Nadine Guntner. "Schließlich ist das eine Entscheidung über Leben und Tod", meint Hartinger, und Guntner betont: "Es darf nicht passieren, dass Menschen in den assistierten Suizid gedrängt werden, die von sich aus die Entscheidung dazu gar nicht getroffen hätten." Ihrer Erfahrung nach äußern Hospizpatienten zwar schon immer wieder den Wunsch zu sterben, häufig "drückt dieser Wunsch aber aus, dass die betroffenen Menschen 'so' nicht mehr leben wollen", berichtet Guntner. Aufgabe des Hospizes sei es dann, diesen Menschen Lebensqualität zurückzugeben und Alternativen aufzuzeigen. "Auch die letzten Tage des Lebens können noch lebenswert sein", betont Hartinger
Ähnlich beschreibt es Mediziner Christian Roden. Er ist Leiter der Palliativstation des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern Ried: Immer wieder sei er mit Sterbewünschen unheilbar kranker Patienten konfrontiert. Solche Wünsche müssten ernst genommen werden. Aber es gelte, alternative Wege aufzuzeigen: "Wir möchten die Lebensumstände der uns anvertrauten Patientinnen und Patienten so gestalten, dass sie das Leben bis zu seinem natürlichen Ende annehmen können."
"Assistierter Suizid kann niemals Teil unseres Betreuungsangebotes sein"
Er spricht sich deshalb klar gegen die Vorgehensweise aus: "Selbstverständlich respektieren wir die Selbstbestimmung des Menschen und seine individuellen Entscheidungen am Lebensende", sagt er. "Jedoch kann – aufgrund unserer Aufgabe einer ganzheitlichen und multiprofessionellen Palliativbetreuung – ein assistierter Suizid niemals Teil unseres Betreuungsangebots sein", stellt er klar. Zur Wirkung der einzunehmenden Präparate, die zum Tod führen, sagt Roden: „Sie sind nicht als Medikamente zugelassen, weshalb wir auch über keine Erfahrung über die Anwendung verfügen."
In diesem Punkt skeptisch ist auch Gabriel vom Palliativteam: Was passiert, wenn unvorhergesehene Nebenwirkungen durch das Medikament auftreten? Wenn es nicht wirkt, wie geplant? "Das kann gefährlich werden und zusätzliches Leid verursachen", warnt er. Speziell auch, weil keine medizinisch geschulten Personen anwesend sein müssen.
Das neue Sterbeverfügungsgesetz könne auch als psychologischer Pluspunkt gesehen werden, wie Hartinger vom Mobilen Hospiz meint. ""Die Palliativmedizin ist gut ausgebaut und deckt vieles ab. Aber ich denke, alleine der Gedanke, dass es diese neue Option nun gibt, kann schon hilfreich sein."
Zur Sache: Assistierter Suizid
Sterbewillige müssen zuerst eine Sterbeverfügung bei einem Notar oder einem Patientenanwalt aufsetzen. Erlaubt ist dies nur volljährigen, schwerkranken oder unheilbar kranken Personen, die einem ärztlichen Attest nach entscheidungsfähig sind. Dafür notwendig sind Aufklärungsgespräche über die Konsequenzen und Alternativen zum Suizid mit mindestens zwei Ärzten, einer davon mit palliativmedizinischer Qualifikation, die dann auch entsprechende Zeugnisse ausstellen. Die Gespräche haben im Regelfall mindestens 12 Wochen vor Aufsetzen der Sterbeverfügung zu erfolgen – bei weit fortgeschrittenen Krankheiten kann die Bedenkzeit auch kürzer sein. Im notariell beglaubigten Dokument, das auch in einem elektronischen Sterbeverfügungsregister aufscheint, werden dann neben dem Sterbewilligen auch die Beihilfe leistenden Personen sowie die Atteste ausstellenden Ärzte genannt.
Das konkrete Ausführen des lebensbeendenden Entschlusses erfolgt schließlich im privaten Rahmen. Das letale Präparat, das vom Gesundheitsminister per Verordnung festgelegt wird, kann der Sterbewillige oder eine in der Verfügung genannte Person in einer konkret festgelegten Apotheke abholen. Einnehmen muss der Betroffene das Mittel dann aber selbstständig, um die Abgrenzung zur weiterhin verbotenen aktiven Sterbehilfe zu gewährleisten.
Mehr zum Sterbeverfügungsgesetz lesen Sie hier.
Den konkreten Gesetzestext finden Sie hier.
Krisentelefon: 0732-2177
Sie selbst oder Menschen in ihrer Umgebung sind in einer psychischen Krisensituation oder plagen Suizidgedanken? Beim Krisentelefon unter der Nummer 0732-2177 finden Sie Hilfe. Es gibt die Möglichkeit einer telefonischen Beratung oder Hilfe durch persönliche Gespräche in der Regionalstelle der Krisenhilfe in Ried in der Franz-Hönig-Straße.
Mehr Infos zur Krisenhilfe finden Sie unter krisenhilfeooe.at
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