Regionskonferenz: Klappe, die vierte

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BEZIRK (anh). Freileitung oder Erdkabel? – Noch immer ist man sich in Bezug auf die Umsetzung der geplanten 110kV-Leitung von Rainbach bis Rohrbach nicht einig. Was sich hingegen seit Beginn der ersten Regionskonferenz im April verändert hat, sind der Ton und die Stimmung, die bei diesen Veranstaltungen herrschen. Zumindest gestern, bei der vierten Regionskonferenz im Centro in Rohrbach-Berg, hatten beide Seiten – sowohl die Projektplaner und Unternehmer, die eine Freileitung forcieren als auch die Befürworter einer Erdkabellösung – das Gefühl, endlich eine respektvolle Gesprächsbasis gefunden zu haben. Während bei den bisherigen Versammlungen eher die Variantenentwicklung bis hin zu den schon teilweise bewerteten Korridoren im Fokus stand, machte man gestern laut Walter Wöss von der Abteilung Umweltschutz, der die Facharbeitsgruppe koordiniert, einen "Side-Step" hin zu den technischen Bereichen. Er betonte zu Beginn einmal mehr, dass beide Systeme technisch möglich wären und es lediglich darum ginge, welches in Bezug auf Kosten und Aufwand vertretbarer wäre. 

Möglichst direkt verlaufende Trasse

Die derzeit präferierte Trassenführung hätte sich laut Bernhard Kohl aufgrund einiger Prämissen und den Ergebnissen der Planungsarbeiten der Netzbetreiber ergeben. Hier wäre es damit gegangen, baupraktische Aspekte wie etwa felsigen Untergrund zu berücksichtigen, die Umwelteinwirkungen möglichst zu minimieren und wenn möglich öffentliches Gut zu nutzen. Auch gut zugänglich muss eine Trasse sein. Daraus folgerte er, dass das Nutzen bereits vorhandener Wege bzw. Straßen zweckmäßig am günstigsten für eine mögliche Leitung wäre und sich die bereits vorhandene Gasleitungstrasse aufgrund nicht gegebener Schutzabstände oder Probleme in der Bauphase wie Sprengungen etc. nicht eignen würde. "Warum also diese Trasse?", sagte er und erklärte: "Weil sie möglichst direkt verläuft und es nur in drei Bereichen zu Konflikten mit dem Thema Wasserschutz kommen könnte, die modifiziert werden müssten."

"Sind an Physik und Sicherheitsforderung gebunden"

Einen Überblick über die allgemeine Netzsituation in Österreich gab es von Lothar Fickert von der Universität Graz sowie von Lutz Hofmann von der Universität Hannover. Fickert wies daraufhin, dass die derzeitigen Strommasten "nun einmal auf 132 Ampere ausgerichtet sind", woran es nichts zu rütteln gebe. Daraus resultiert laut seinen Berechnungen die Tatsache, dass eine Erdkabel-Variante einiges mehr an Kabelreserve braucht, wodurch der "Stromnetz-Masterplan 2026" bei einer solchen Lösung 2022 ins Stocken kommen könnte. Ein Netz mit Löschung weise im Übrigen im Gegensatz zu einem mit starrer Erdung eine besser Spannungsqualität auf. "Wir sind an die Physik und die Forderung der Sicherheit gebunden", so Fickert, "es gibt hier viele Möglichkeiten. Eine Erdkabel-Lösung würde gehen, man müsste jedoch etwa Löschbezirke schaffen, etc.. Es ist mit Aufwand verbunden, aber nicht unmöglich. Oder anders ausgedrückt: Eine Erdkabel-Lösung ist möglich, es gibt aber Grenzen. Überschreitet man diese, kommt es zu Mehrkosten. Diese geplante Leitung gut hinzukriegen, das ist die Frage der Stunde."

"Erdkabel nahezu dreimal so teuer"

Den wirtschaftlichen Aspekt steuerten Carsten Buhl und Katharina Schrenk vom Projektteam des global agierenden Unternehmens "Ernst & Young" bei. Sie hatten im Vorfeld die Kosten für einen Kilometer Freileitung mit jenen für einen Kilometer Erdkabel verglichen und zwar anhand von zwei bereits bestehenden, ähnlichen Stromversorgungsprojekten und einer anschließenden Validierung mittels Interviews und Studien. Mit einbezogen wurden lediglich die Einmal-Ausgaben, das heißt, von der Planung bis zur Entwicklung. Die Investitionssumme je Kilometer setzt sich ihren Überlegungen zufolge aus den Materialkosten, den Montage- und Tiefbaukosten, den Servituts- und Entschädigungskosten sowie den Engineeringkosten (Planung) zusammen. Nach diesen ersten Berechnungen ergab sich ein Mehrkostenfaktor von 2,0 für das Erdkabel, das heißt, die Ausgaben für ein Erdkabel wären doppelt so hoch wie jene für eine Freileitung. Hinzu kommen sodann noch Kosten, die im Bereich der Netzintegration anfallen, wie etwa aufgrund von Trenntransformatoren, Kosten, die sich auf die Länge des Netzes beziehen (Erdverkabelungen seien im Schnitt immer etwas länger, weil bei zwei identischen Vorhaben hierfür mehr öffentlicher Raum genutzt werden muss), Überlegungen hinsichtlich der Lebensdauer (ein Erdkabel hält ihren Aussagen zufolge rund 40 bis 50 Jahre, eine Freileitung rund 80) sowie Finanzierungskosten "on top". "Jedes Projekt ist aber individuell zu betrachten, wir wollen hiermit lediglich einen ersten Eindruck vermitteln, in welche Richtung es gehen könnte", betonten die beiden. Auch wenn das Erdkabel im Betrieb günstiger sei als die Freileitung, so kamen Buhl und Schrenk – die Validierung schon miteinbezogen – letztendlich auf einen Mehrkostenfaktor von 2,9. "Das Erdkabel ist also nahezu dreimal so teuer wie die Freileitung", resümiert Schrenk. Sie gibt zu denken, dass die beiden dafür herangezogenen Vergleichsprojekte sogar noch relativ günstig in Bezug auf die Tiefbaukosten gewesen seien und gerade bei der Integration in das bestehende Netz könnte sich der Mehrkostenfaktor aufgrund von Trenntransformatoren noch einmal auf 3,2 erhöhen.

"Politischer Wert eines solchen Pilotprojektes unbestritten"

Dominik Revertera schlug – als Vertreter der IG Landschaftsschutz – weiterhin das Pilotprojekt Erdkabel vor: "Wir müssen hier schnell sein, damit andere Bundesländer uns nicht davon ziehen. Der politische Wert eines solchen innovativen Pilotprojektes ist ja wohl unbestritten." Vom respektvollen Umgang war er angetan: "Der heutige Abend ist der Beweis dafür, dass endlich auf unseren Wunsch, eine vertrauensvolle Grundlage mit Einbeziehung von Experten, eingegangen wird – nach über einem halben Jahr." Er pädierte an die Verantwortlichen, die Rahmenbedingungen nun rasch zu klären, damit die Polarisierung endlich ein Ende hätte. "Wenn alle ernsthaft an einem Strang ziehen, ist es letztendlich lösbar und bringt in der ländlichen Region etwas vorwärts", meinte er und ergänzte: "Und ich denke, Emotionen sind uns gestattet, schließlich sind wir hier die Betroffenen."

Berechtigte neue Probleme und Sichtweisen

Bei der abschließenden Fragerunde kamen neue, laut dem anwesenden Landeshauptmann-Stellvertreter Michael Strugl berechtigte, Probleme und Sichtweisen ans Licht, die – so Strugl – in neue Berechnungen einfließen müssen. "Ich hätte ja geglaubt, dass wir heute – nach diesem Abend – endlich alles auf dem Tisch haben würden für eine Entscheidung, aber es wird eine weitere Regionskonferenz geben müssen", sagte Strugl. So wurde etwa kritisiert, dass die daraus resultierenden Entwertungen der betroffenen Grundstücke in der bisherigen Kostendarstellung nicht enthalten sind. "Es ist höchste Zeit, diese in dieses Projekt miteinzurechnen", sagte Günther Pötscher. Stefan Wagner machte hingegen auf die vielen nötigen Zufahrtswege aufmerksam, genauso wie auf Sturmschäden durch größere Schneisen. "Wenn der Sturm dadurch im Nachbarwald etliche Hektar niederreißt, wer bezahlt das?", fragte er sich. Auch die Variante mit der bestehenden Gasleitungstrasse sollte man laut der IG noch einmal näher beleuchten. Durch heutzutage bereits sehr exakte Sprengungen könnte es an der Sicherheit schon einmal nicht liegen. Auch die Ausführungen zur Lebensdauer von Erdkabel und Freileitung wurden kritisiert. Kohl bestätigte: "Jene erste Generation der Erdkabel, die in den 1970er-Jahren gelegt wurde, wies großteils einen Fehler auf, sodass man sie nun sukzessive ersetzt. Langjährige Erfahrungen hinsichtlich Lebensdauer gibt es aber noch nicht. Die Überlegungen stützen sich auf die Angaben des Herstellers." In puncto zeitliche Umsetzbarkeit wurde angemerkt, dass die Freileitungsvariante womöglich durch Komplikationen hinsichtlich Genehmigungen, Verfahren und Widerstand länger dauern könnte. Auch eine Stellungnahme von Seiten des Tourismus, der laut den IG-Mitgliedern ja eigentlich gegen eine Zerstückelung der Landschaft sein müsste, wurde von den Erdkabel-Befürwortern vermisst. "Was geht bei den Dänen, was bei uns nicht geht?", fragte sich eine Gemeinderätin aus Hirschbach und bezog sich damit auf ein dortiges Erdkabelprojekt, das aufgrund der Argumente "höhere Sicherheit", "besser für das Landschaftsbild" und "weniger Entwertung der Grundstücke" realisiert worden war. Strugl meinte, die Sache mit Dänemark müsse man sich anschauen und ergänzte: "Der Trassenfindungsleitfaden hat ja den Sinn, schon vorher alles auszuleuchten und auf den Tisch zu legen, damit nicht später immer wieder neue Dinge hervor kommen und man von vorne anfangen muss. Wir versuchen daher alles zu untersuchen und auch für jeden transparent darzustellen. Ich bitte, diese Bemühungen auch zur Kenntnis zu nehmen."

"Man wird immer Kompromisse machen müssen"

Die Mitglieder der IG wussten dies zu schätzen, stellten aber noch einmal klar: "Wenn wir, die IG, dies alles nicht initiiert hätten, wäre es nie soweit gekommen. Wir sind der Grund, warum endlich über Dinge gesprochen wird, über die die ganze Zeit nicht gesprochen wurde." Und es ginge nicht um "Wünsche" seitens der IG, sondern um legitime Interessen. Strugl dazu: "Ja, es sind legitime Interessen und natürlich sind auch Emotionen gestattet, wenn man trotzdem einen respektvollen Umgang miteinander wahrt. Kritik wird es immer geben, man wird es nie jedem Recht machen können, ich bitte euch aber auch, im Sinne der Allgemeinheit zu denken und an die Gewerbler zu denken, die hier teilweise nicht mehr genug Stromversorgung haben. Wenn man in der Region etwas voran bringen will, wird man immer Kompromisse machen müssen." Fickert meinte abschließend: "Wenn man ein Land verkabeln will, so ist das immer auch eine politische Entscheidung. Es muss der Wille dazu da sein. Es gibt noch mehr wie Technik und Geld."

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