"Bezeichne mich selbst auch als Fossil"

Dass er mit der FPÖ nicht gerne in einem Boot sitzt und warum eine Regierung mit der ÖVP so schwierig ist, erzählt Bürgerlisten-Klubobmann Helmut Hüttinger. Weitere Themen: die Red-Bull-Nachwuchsakademie, der Untergang der Citymaut und die Chancen der Bürgerliste bei den nächsten Wahlen.

STADTBLATT: Johann Padutsch wünscht sich eine Stadtmaut. Warum kann die Bürgerliste das nicht durchsetzen?
HELMUT HÜTTINGER: „Weil wir dazu Partner brauchen und wir leider nicht 51 Prozent haben. Was uns an dem Vorgang der anderen Fraktionen besonders ärgert, ist weniger die Ablehnung der Stadtmaut, aber hier wird nicht einmal darüber geredet: Wir wollen das einfach nicht und damit war‘s das. Die Bürgerliste würde zunächst nur einmal vorschlagen, sich anzusehen, wie denn so ein Modell ausschauen könnte. Es ist unsinnig, welche Argumente dagegen gebracht werden. Das viel beschworene Regenwetter gibt es nicht, ich kann an 340 von 365 Tagen die meisten Wege mit dem Fahrrad trocken erledigen. Das Argument ‚ich komme dann verschwitzt an‘ kann auch nicht gelten: Wir fahren mit einem Gefälle von zwei Metern zwischen Salzburg Süd und Nord dahin, komplett eben.“

STADTBLATT: Sie geben dem Projekt weiter eine Chance?
HELMUT HÜTTINGER: „ Auch die Poller wären vor einigen Jahren nicht denkbar gewesen und jetzt haben wir sie. Vielleicht wird auch die Stadtmaut einmal dank unserer Hartnäckigkeit möglich sein. Tatsache ist nämlich; wenn alle in der Stadt stehen, dann habe ich als Autofahrer auch nichts davon. Ich muss also als Autofahrer um jeden froh sein, der nicht im Auto sitzt. Dann habe ich Platz für meine notwendigen Fahrten.“

STADTBLATT: Bei der Nachwuchsakademie hat sich Red Bull durchgesetzt und Johann Padutsch klein beigegeben. Was sagen Sie dazu?
HELMUT HÜTTINGER: „Das ist eines von den Dingen, bei denen SPÖ und ÖVP trotz aller Streitigkeiten zusammenarbeiten. Dabei haben Stadt und Land sehr viel an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Bei sehr vielen Leuten ist der Eindruck entstanden, wenn Red Bull schreit, dann hüpfen wir alle. Es darf keinen Unterschied machen, ob jemand mehr oder weniger Einfluss hat. Schade, dass SPÖ und ÖVP nicht bereit waren, auch andere Konzepte zu diskutieren. Abgesehen davon wird der Wert von Augebieten von politischer Seite unterschätzt. Ein Beispiel ist Urstein, das war eine schöne Au und ist jetzt eine G‘stätten, bei der niemand weiß, was sie damit machen sollen. Auch das hat etwas mit Lebensqualität zu tun. Wir müssen uns wieder mehr bewusst werden, welches Glück wir haben, in dieser Stadt wohnen zu dürfen.“

STADTBLATT: Die schlechte Stimmung in der Regierung. Wie sehr belastet sie die Politik?
HELMUT HÜTTINGER: „Sehr. Wirklich sehr. Aus einem ganz einfachen Grund: Wir haben eine Proporzregierung, in der es zwei SPÖ-, zwei ÖVP- und ein Bürgerlisten-Mitglied gibt. Wenn wir jetzt eine ressortmäßig starke Partei haben, die in vielen Bereichen Oppositionspolitik macht, ist das einfach schwierig. Denn wir sind miteinander verbunden. Das ist ein Stil, der für die Zusammenarbeit nicht förderlich ist. Klassisches Beispiel sind die Budgetverhandlungen: Wir entwickeln wochenlang alle gemeinsam das Budget und eine Stunde vor Abschluss kommt dann ‚nein, das machen wir nicht‘ und man hört erst über Presseaussendungen angebliche Gründe dafür. “

STADTBLATT: Hat die ÖVP den Schwarzen Peter?
HELMUT HÜTTINGER: „Den schwarzen Peter hat nie nur eine Partei. Wenn es an der Kommunikation mangelt, müssen sich beide Seiten darum bemühen. Aber für mich ist es rational nicht immer nachvollziehbar, was zu Meinungswechseln bei der ÖVP führt. Besonders bei Claudia Schmidt und Harald Preuner kommen – wenn es um Entscheidungen geht – plötzlich Zurufe, bei denen ich mich frage, ist das wirklich von euch? Ergebnisse werden oft innerhalb von Stunden umgeworfen, man weiß einfach nicht, wer dort entscheidet.“

STADTBLATT: Ist die Politik regierungsunfähig?
HELMUT HÜTTINGER: „Nicht nur, die Zusammenarbeit geht in manchen Bereichen auch gut. Stichwort Salzachsteg Süd, der mittlerweile glücklicherweise mehrere Väter und Mütter hat. Was deshalb schön ist, weil sich dann mehrere Menschen dafür verantwortlich fühlen, und da gehört Claudia Schmidt auch dazu. Die Initiative ist tatsächlich vom Velo-Club ausgegangen und politisch von meinem Kollegen Bernhard Carl übernommen worden. Irgendwann hat sich auch Claudia Schmidt der Umsetzung angenommen. Dann gibt es aber die anderen Projekte, bei denen es nicht funktioniert. Stichwort Bad.“

STADTBLATT: Die SPÖ sagt, mit der Bürgerliste und der FPÖ setze sie mehr um als mit der ÖVP. Wäre diese Konstellation die bessere Regierung?
HELMUT HÜTTINGER: „In der Gemeindepolitik spielt die Ideologie eine untergeordnete Rolle. Deshalb habe ich keine Scheu davor gehabt, mit der FPÖ in sachpolitischen Dingen zusammenzuarbeiten. Es gibt aber trotzdem Unterschiede in der Politik der FPÖ, die es mir sehr schwer machen, mit ihnen in einem Boot zu sitzen. Sie hat in ihrer Politik eine Art mit Menschen umzugehen, die ich nicht als sehr achtend empfinde, um es ganz vorsichtig auszudrücken. Das sind Dinge, die mich wirklich betroffen und zornig machen.“

STADTBLATT: Wo hat die Bürgerliste in den letzten Jahren Akzente gesetzt?
HELMUT HÜTTINGER: „Eine zentrale Forderung war das Jugendzentrum Mark: Das wird jetzt subventioniert und gebaut. Weiters forderten wir eine zentrale Verkehrsberuhigung in der Altstadt: Das funktioniert jetzt. Wir sind eingetreten für die Altstadterhaltung, das ist kein Thema mehr. Den Kampf um die Stadtlandschaften führen wir in regelmäßigen Abständen zum Teil ganz heftig. Abseits von unserer sehr kleinen Parteistruktur bekommen wir dabei eine sehr große Unterstützung von den Bürgerinitiativen. Außerdem ist Salzburg jetzt die Hauptstadt der Radfahrer, die Entwicklung wäre ohne die Bürgerliste nicht so schnell vorangegangen. Und wir haben viel zur Integration beigetragen. Ich sage nicht, dass wir dabei die Einzigen sind. Aber es braucht einen ersten Schritt, ich denke zum Beispiel an die Notschlafstelle in Mülln oder die Übergangswohnungen für Frauen mit Kindern.“

STADTBLATT: Trotzdem bewegen sich die Wahlergebnisse immer zwischen 14 und 16 Prozent. Gibt es noch realistische Chancen für einen großen Sprung?
HELMUT HÜTTINGER: „Also ich glaube, dass für uns realistisch betrachtet bei ganz guten Voraussetzungen ein Potenzial von 20 bis 25 Prozent zu erreichen ist. Ich glaube nicht, dass wir einmal 30 Prozent erreichen. Aber die wichtigere Frage ist: Was machen wir mit unseren Mandaten? Ich glaube, dass die ÖVP mit ihren elf Mandaten wesentlich weniger macht als wir mit unseren sieben. Der Einfluss einer etwa 15-Prozent-Fraktion ist ein nicht ganz unwesentlicher. Immerhin sind wir in der Geschichte die einzige Fraktion, die über eine lange Periode einen Planungsstadtrat gehalten hat, das ist ja ein sehr reibungsstarkes Ressort.“

STADTBLATT: Johann Padutsch und Sie sind zwei alte Hasen. Ist alles für einen Nachfolger vorbereitet?
HELMUT HÜTTINGER: „Ich bezeichne mich auch selbst schon als Fossil. Wir überlegen natürlich beide, wie es mit uns weitergehen kann. Das hat einerseits mit der Dauer unserer Funktion zu tun, andererseits sind wir natürlich mittlerweile auch in einem biologischen Alter, in dem man darüber nachdenken muss. Was den Nachfolger angeht, unterscheidet uns ja von anderen Parteien, dass wir nicht den großen Parteiapparat haben. Wir haben nicht die Möglichkeit, potenzielle Nachfolger vorher in einer anderen Position einzusetzen. Nun müssen wir über zwei Dinge nachdenken: Hat jemand in der Fraktion mittelfristige Perspektiven und dann müssen wir schauen, ob es Neue gibt. Ich bin guten Mutes, dass wir auch diese Frage gut lösen werden.“

STADTBLATT: Wie sieht für Sie der perfekte Abgang aus?
HELMUT HÜTTINGER: „Jetzt haben wir ja noch vier Jahre Zeit. Ich mache Politik, weil sie mir Spaß macht. Außerdem glaube ich nicht, dass junge Politik vom Alter derer, die Politik machen, abhängig ist. Das können auch Altgediente.“

Interview: Susanne Drachsler

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