Nicht nur die Politik zählt

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Gibt es für eine für Asyl zuständige Landesrätin so etwas wie eine Sommerpause?
MARTINA BERTHOLD:
Nein. Natürlich mache ich auch einmal Urlaub, weil man einmal eine Auszeit braucht. Aber das Thema Asyl bleibt herausfordernd.

Ist das ein rein politisches Thema oder ein gesamtgesellschaftliches?
Die Zivilgesellschaft ist sehr wichtig für uns, es braucht die Unterstützung von Landesregierung und Bevölkerung. Wir bemerken ein großes Engagement freiwilliger helfender Hände aus der Bevölkerung, nur gehört das gebündelt und strukturiert. Und hier sorgen Menschen wie Doraja Eberle oder Organisationen wie das Rote Kreuz, Caritas, Diakonie oder auch das Hilfswerk mit ihrem Know-how dafür, dass diese Hilfe auch ankommt.

Ist das Thema Asyl auf Bundesebene im Innenministerium am richtigen Platz angesiedelt?
Das ist eine überlegenswerte Frage. Ich würde mir hier mehr Zusammenarbeit und aufeinander Zugehen wünschen. Zudem betrachte auch NGOs als wichtige Partner in der Unterbringung und der Betreuung von Asylwerbenden und nicht als diejenigen, gegen dere Kritik ich mich zur Wehr setzen muss. Eine Übersiedlung des Asylwesens in ein anderes Ministerium würde vielleicht eine neue Herangehensweise erlauben.

Warum funktioniert die Hetze von Rechts gegen Asylwerber so gut?
Was wir bei Informationsveranstaltungen zu Asylwerberquartieren bemerken, ist, dass es immer nur sehr wenige aggressive Meldungen gibt, in denen oftmals Halbwahrheiten, Ängste und Vorurteile verknüpft werden. Weil diese Stimmen so laut sind, bekommen sie viel Gehör. Natürlich gibt es immer auch berechtigte kritische und auch sehr viele wohlwollende, unterstützende Stimmen. Die feineren, differenzierten Meinungen gehen dann manchmal im Getöse leider unter. Wir müssen subjektiv begründbare Ängste vor einem Quartier in der eigenen Nachbarschaft von den Stimmen der politisch motivierten Ausländerfeindlichkeit trennen. Persönliche Kontakte und ein gute Information zum Quartier führen oft zu mehr Verständnis füreinander.

Werden wir von einer Flüchtlingswelle überrollt?
Es ist eine große Flüchtlingsbewegung, aber es ist keine Welle, die über uns hereinbricht. In Salzburg haben wir derzeit – und das ändert sich stündlich – 2.660 Menschen in der Grundversorgung, 270 davon in Bundesbetreuung, 2.390 in Landesbetreuung.

Wieviele der Asylwerber werden als Flüchtlinge anerkannt und wie viele von ihnen bleiben dann in Salzburg?
Letztes Jahr gab es rund 300 positive Asylbescheide. Für heuer rechnen wir aber mit einer weit höheren Zahl, weil erstens mehr Asylwerbende hier sind und weil diese zweitens aus Kriegsgebieten wie Syrien kommen und zum überwiegenden Teil auch als Flüchtlinge im Sinn der Genfer Konvention anerkannt werden. Während Familien mit Kindern eher in den Bezirken bleiben, zieht es einen Großteil der Einzelpersonen in die Stadt Salzburg, ein noch größerer Teil wandert weiter nach Wien oder in andere EU-Länder.

Die Flüchtlinge, die hier bleiben, benötigen auch nach der Grundversorgung ein Dach über dem Kopf. Wie wollen Sie das angesichts des angespannten Wohnungsmarktes mit hohen Mieten bewerkstelligen?
Wir sind gemeinsam mit dem Diakoniewerk dabei, ein Flüchtlingswohnprojekt in den Bezirken aufzubauen. Dort sollen 200 Menschen intensiv auf eine spätere Selbstständigkeit am Arbeits- und Wohnungsmarkt vorbereitet werden. Freiwillige unterstützen uns dort mit Deutschkursen, die ja nicht nur die Sprache selbst, sondern auch unsere Kultur vermitteln. Dieses Projekt wird 600.000 Euro kosten und wir werden uns trotz einer ersten Absage weiter um EU-Unterstützung dafür bemühen.

Sie haben eine Reihe wichtiger Ressorts: Kinderbetreuung, Sport oder Chancengleichheit und Antidiskriminierung: Haben Sie noch Zeit, in diesen Bereichen etwas weiterzubringen?
Weniger als vor einem Jahr, aber ich nehme mir die Zeit dafür. Der Bereich der Kinderbetreuung macht sehr viel Freude, vor allem, wenn ich sehe, dass wir hier in einigen Bereichen wie etwa den Pädagoginnen- und Pädagogengehältern durchaus weiterkommen. Und ich bin zuversichtlich, dass nach den Gemeinden auch die Landeshauptstadt mitziehen wird. Was ich noch auf den Weg bringen möchte, ist die Harmonisierung von Kindergarten und Tagesbetreuung – und die Möglichkeit, Betriebstageseltern anzustellen.

Können Sie sicherstellen, dass jene Eltern, die ganztags arbeiten wollen, auch einen solchen Betreuungsplatz für ihren Nachwuchs finden?
Derzeit noch nicht, so ehrlich muss man sein. Es gibt regionale Unterschiede, da brauchen wir nicht um den heißen Brei herumzureden. Der Bedarf nach mit Vollzeit vereinbaren Betreuungsplätzen ist aber da, und ein solches Angebot ist auch ein wesentliches Förderkriterium für uns.

Der Anteil von Teilzeit arbeitenden Müttern ist in den vergangenen zehn Jahren von 43 auf 55 Prozent gestiegen, der von Vollzeit arbeitenden Müttern von 24 auf 18,5 Prozent gesunken. Was schließen Sie daraus?
Das ist das Abbild eines Trends, wonach mehr Frauen in Teilzeit-Jobs gehen. Die Frage ist für mich, ob sich diese Frauen aus eigenen Stücken für eine Teilzeit-Beschäftigung entscheiden, was natürlich zu respektieren wäre, oder ob das sozial bzw. strukturell erzwungene Entscheidungen sind.

Kommen wir zum Sport.

Wir haben den Sport heuer in der Nachmittagsbetreuung an den Schulen ausgebaut, das werden wir jetzt auch an den Kindergärten machen. Mit der Uni salzburg läuft das Projekt Salto, bei dem wir schon mit Kindergartenpädagoginnen und Eltern arbeiten, um die Motorik der Kinder zu verbessern. Im Leistungssport wollen wir die Trainerförderung forcieren, indem wir die Landestrainer mit öffentlichen Geldern unterstützen. Damit bauen wir ein gutes Fundament für die Entwicklung des Leistungssports auf.

Auch Forschung und Entwicklungszusammenarbeit fällt in Ihren Bereich: Was tut sich dort?
Wir haben heuer das Europäische Jahr der Entwicklungszusammenarbeit und von den 300.000 Euro, die über einen Beirat in Entwicklungszusammenarbeits-Projekte gehen, habe ich nur einen sehr kleinen Teil zur freien Verfügung. Damit haben wir heuer ein Projekt an Schulen ausgeschrieben, bei der SchülerInnen aufgezeigt haben, wie Entwicklungszusammenarbeit funktionieren kann. Das halte ich für sehr wichtig, weil es den Blick weitet.

Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen Entwicklungszusammenarbeit und Wirtschaftsflüchtlingen? Tragen wir durch unser Verhalten dazu bei, dass andere Regionen der Welt ausgehungert werden?
Genau darum geht es: Zu hinterfragen, wo unsere Verantwortung dafür liegt, dass andere aus ihren Ländern flüchten. Was macht die EU mit ihrer Handelspolitik in anderen Ländern? Aber auch jeder einzelne hat die Möglichkeit, durch persönliche Kaufentscheidungen dazu beizutragen, welche Arbeits- und Einkommensbedingungen andere vorfinden. Das fängt schon beim Fair-Trade-Kaffee an, den ich als Unternehmer in die Firmen-Kaffeemaschine einfülle.

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