So leben syrische Flüchtlinge im Libanon

Fatima (39) lebt mit ihren vier Kindern im Alter von sechs bis 17 Jahren in einem Zimmer in einem Rohbau in Zahleh in der Bekaa-Ebene.
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  • Fatima (39) lebt mit ihren vier Kindern im Alter von sechs bis 17 Jahren in einem Zimmer in einem Rohbau in Zahleh in der Bekaa-Ebene.
  • hochgeladen von Stefanie Schenker

Bloßfüßig sitzen die beiden kleinen Buben mit ihrer Mutter Wisal vor dem Heizöl-Ofen in der Mitte des Zimmers und starren vor sich hin. An der Wand hängen ein Handspiegel und zwei Plastikpistolen, in der Ecke läuft eine Zeichentricksendung im kleinen Fernseher. Die Kinder verbringen den ganzen Tag im Zimmer. Spielen? „Können sie mit den Stofftieren“, sagt Wisal leise und deutet auf ein paar Kuscheltiere neben dem Fernseher.

Wisal und ihr Mann Suleiman sind vor drei Jahren aus Homs geflohen und bewohnen wie etwa 3.000 weitere syrische Familien in dieser Gegend auch mit ihren beiden Söhnen Chaled (4) und Rais (2) ein einzelnes Zimmer um 200 Dollar Monatsmiete. Das sechsstöckige Hochhaus befindet sich im Rohbau und liegt in Mayrouba etwas außerhalb von Beirut. Der Betonboden ist mit Decken und dünnen Matratzen ausgelegt, dort, wo ein Fenster sein sollte, verdeckt ein großes Tuch die Öffnung ins Nichts. Das ganze Haus ist unfertig, es gibt weder Fensterrahmen noch Fenster. Auch fließendes Wasser gibt es nicht.

Die warmen Decken und die Kleider-Gutscheine in der Höhe von 50 Dollar pro Person von der Caritas Libanon sind für Wisals Familie eine große Hilfe. Die manikürten und leuchtend rot lackierten Fingernägel der libanesischen Caritas-Mitarbeiterin Rouba, ihr offenes Haar, ihre warme Jacke und ihre sonnige Art stehen im krassen Gegensatz zur kalten und trostlosen Umgebung. Auf den Bergen im Umkreis liegt bereits frischer Schnee, durch das finstere Stiegenhaus zieht ein eisiger Wind. In jedem Winkel spürt man die Kälte des nahen Winters.

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Von Europa können Wisal und ihre Familie nur träumen, der Vater – ein Installateur – hat alle Hände voll zu tun, um durch illegale Gelegenheitsarbeiten am Bau das Überleben seiner Familie zu sichern. Er wartet darauf, dass der Krieg in Syrien zu Ende geht – dann will er wieder zurück.

Wisal und alle anderen der rund 1,2 Millionen registrierten sowie geschätzten 500.000 nicht registrierten Syrien-Flüchtlinge – die Hälfte davon sind übrigens Kinder – im Libanon werden nie Teil der libanesischen Gesellschaft werden. Denn als Flüchtlinge werden die Menschen aus der ehemaligen Besatzungsmacht zwar akzeptiert, das besonders fragile Gleichgewicht ihrer Gesellschaft – etwa 35 Prozent sind Christen, der Rest Muslime, etwa die Hälfte der Menschen unterstützt den syrischen Präsidenten Bashar Al Assad, die Hälfte die Anti-Assad-Kräfte – wollen die 4,5 Millionen Libanesen aber nicht mehr aufs Spiel setzen. Die Erinnerungen an den jahrelangen Bürgerkrieg sind ihnen eine Mahnung. Die Syrien-Flüchtlinge dürfen deshalb offiziell nicht arbeiten, können sich keine neue Existenz im Libanon aufbauen und erhalten auch keinerlei staatliche Unterstützung. Es ist nicht mehr als ein Überleben in der Warteschleife. „Man kann es ihnen nicht verübeln, wenn sie nach Europa kommen wollen“, formuliert es Österreichs Botschafterin im Libanon, Ursula Fahringer.

Anderer Ort, dasselbe Schicksal: Nicht vor und nicht zurück weiß Fatima (39). Die syrische Mutter von vier Kindern im Alter von sechs bis 17 Jahren lebt in einem ähnlichen Zimmer in einem Haus in Zahleh in der Bekaa-Ebene. Weil sie ohne ihren Mann lebt, der es bis nach Deutschland geschafft hat, ist ihre Lage noch prekärer. Von Männern anderer Familien wird sie verbal sexuell belästigt. Ihr zwölfjähriger Sohn kann keine Schule besuchen, er muss zum Unterhalt der Familie beitragen. Als Fatima das erzählt, legt der Zwölfjährige den Arm um die Schulter seiner Mutter – so als könnte er sie darüber hinwegtrösten, dass er seine Kindheit in Syrien zurücklassen musste.

Die 17-jährige Tochter Mona wird in einem Monat einen syrischen Mann heiraten – damit fällt sie der eigenen Familie finanziell nicht mehr zur Last. „Ich weiß, dass das falsch ist“, sagt Fatima leise. Und dann, so als wollte sie sich dafür entschuldigen: „Es war die Entscheidung meines Mannes. Und ich wurde auch mit 15 Jahren verheiratet.“ Aber auch mit einem Kind weniger weiß Fatima nicht, wie sie ab Jänner die Miete bezahlen soll. Alle Ersparnisse sind aufgebraucht. „Vielleicht werden wir in ein Camp ziehen müssen.“ Aus Deutschland berichtet ihr Mann, dass es auch dort sehr schwer sei. Gerne würde er wieder zurück in den Libanon kommen. Das kann er aber nicht, weil er keinen syrischen Pass hat – ohne den kann er nicht mehr in den Libanon einreisen.

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