"Wir sind unbequem" – LH-Stv. Astrid Rössler im Bezirksblätter-Interview

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Die Grünen liegen in der Sonntagsfrage des Bezirksblätter-Politbarometers vom Dezember bei nur 14 Prozent – werden Sie sich an diesen Wert gewöhnen müssen?
ASTRID RÖSSLER:
Ich hoffe nicht. Das Grün-Wählerpotenzial mag in diesem Bereich liegen, ich habe aber schon den Wunsch, dass unsere Politik von mehr als 14 oder 15 Prozent der Wähler geschätzt wird.

Vom konsensualen Stil profitiert in erster Linie die ÖVP. Wird das so weitergehen oder werden die Grünen versuchen, sich doch stärker zu profilieren und vom Koalitionspartner abzuheben?
ASTRID RÖSSLER:
Das steht mit der Raumordnungsnovelle heuer definitiv an. Da wird sich zeigen, ob die bisherige Zusammenarbeit mit der ÖVP auch dann hält, wenn sie ihren eigenen Wählern nicht nur angenehme Botschaften übermitteln kann. Da geht es dann auch um die Glaubwürdigkeit der ÖVP.

Im Vergleich zur gesamten ÖVP-Mannschaft stehen die Grünen abgeschlagen da: Ihnen traut man eher weniger bis gar nicht zu, etwas in Salzburg weiterzubringen. Haben Sie eine Erklärung dafür?
ASTRID RÖSSLER:
Wir haben uns die unbequemeren Ressorts ausgesucht. Wir sind bereit, zu diskutieren. Wir versuchen, Politik an unterschiedlichen Interessenslagen auszurichten und dabei sachlich zu bleiben. Das ist kein spektakulärer Stil, das ist mir bewusst. Die Menschen erwarten sich von uns gute Lösungen mit Blick auf die gesamte Gesellschaft, einschließlich der Umwelt. Anders als die ÖVP sind wir nicht Vorfeldorganisationen verpflichtet, sondern der Sache und den Inhalten. Da steht nicht überall "Grüne" am Türschild. Und: Das Flüchtlingsthema hat in den letzten Monaten alles überlagert, da war es schwierig bis unmöglich, viele kleine Schritte wie das neue Kinder- und Jugendschutzgesetz oder die Ausrichtung von Sportveranstaltungen als Green Events gut zu transportieren.

Hängt es nicht auch ein bisschen damit zusammen, dass jede Veränderung – und das wollen die Grünen ja in der Regierung – auch ein bisschen weh tut?
ASTRID RÖSSLER:
In unserem wohlbehüteten Land sind wir stark auf Einzelinteressen gepolt. Politische Entscheidungen werden vorrangig daran gemessen, welche Auswirkungen sie auf einzelne Menschen persönlich haben und weniger daran, welchen Gesamtnutzen sie bringen. Bei Tempo 80 etwa ist es uns nicht gelungen, den Gesundheitsschutz in den Vordergrund zu stellen. Der Fuß am Gaspedal übersteigt offenbar alles. Gleichzeitig rufen aber alle nach höheren, breiteren und dickeren Lärmschutzwänden. Das kann doch nicht die Lösung sein. Die Frage ist nämlich: Wie stellen wir die Weichen für eine künftige Entwicklung, wenn wir nicht das Geld haben, um über jedes Haus eine Lärmschutzglocke zu stülpen oder für jedes Einzelhaus, das im Grünen gebaut worden ist, eine Umfahrungsstraße zu bauen?

Würden Sie sich manchmal mehr Unterstützung von der ÖVP und LH Wilfried Haslauer wünschen?
ASTRID RÖSSLER:
Bei der Frage der Standorte neuer Einkaufszentren war es so, Tempo 80 hat die ÖVP mitgetragen – diese Unterstützung ist also durchaus da. Wir sagen ja auch nicht, dass der Gitzentunnel – den wir unter Vorbehalten in Kauf nehmen – unser Lieblingsprojekt ist. Wenn dort im Zuge von LR Hans Mayrs Planungen andere Lösungen auftauchen, dann werden wir natürlich darüber reden müssen, aber Verlässlichkeit zählt für mich.

Für heuer steht die Raumordnungsnovelle an. Wird das möglicherweise ein Streitthema in der Koalition?
ASTRID RÖSSLER:
Die ÖVP wird den Fakten ins Auge sehen müssen, sonst braucht es keine Novelle. Die offenen Punkte sind die Baulandmobilisierung und die Infrastrukturabgabe. Anders als viele Bürgermeister bin ich der Meinung, dass schon die derzeit mögliche Baulandbefristung auf zehn Jahre große Mobilisierungseffekte gehabt hätte, wenn sie von den Gemeinden auch angewendet worden wäre! Eine Zweitwohnsitzabgabe ohne gleichzeitige Einführung einer Leerstandsabgabe macht dafür meiner Meinung nach keinen Sinn.

Wie hoch soll die Infrastrukturabgabe ausfallen?
ASTRID RÖSSLER:
So hoch, dass sie einen sinnvollen Lenkungseffekt bringt: Wenn wir damit nur einen Teil der Grundstücke mobilisieren können, dann ist sie schon sinnvoll. Es soll ein Mischmodell aus einem Grundpreis – etwa so wie in Oberösterreich einen Euro pro Quadratmeter und Jahr – und einem Hebesatz auf Gemeindeebene geben. Den können die Gemeinden an Faktoren wie zentrale Lage oder Nähe zum öffentlichen Verkehr koppeln.

Wie unbeliebt darf ein Regierungsmitglied, eine ganze Regierungsmannschaft sein?
ASTRID RÖSSLER:
Mit meinen Ressorts habe ich das Potenzial, mich bei allen unbeliebt zu machen: bei Grundeigentümern, Bürgermeistern, Immobilienmaklern, Autofahrern, Wirtschaftstreibenden, ... Die Wahrscheinlichkeit, dass ich Menschen mit meinen Entscheidungen 'treffe', ist unglücklicherweise sehr hoch. Ich kann aber darauf vertrauen, dass meine Entscheidungen nicht Einzelinteressen, sondern dem Wohl des Landes dienen. Wenn ich mit dem Widmungsstopp für weitere Einkaufszentren die Ortskerne stärken kann, nehme ich es in Kauf, dass mir das Einzelne übelnehmen. Wenn die Wähler das nach fünf Jahren nicht für gut befinden, dann muss ich das zur Kenntnis nehmen. Das ist neu für uns, weil wir Grünen dann erstmals etwas zu verlieren haben.

Glauben Sie auch, dass wir eine Obergrenze für Flüchtlinge brauchen?
ASTRID RÖSSLER:
Nein. Rein rechtlich, im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention, kann es keine Obergrenze geben. Nähern wir uns dem Ganzen doch über Untergrenzen. Etwa mit der Frage, ob schon in allen Gemeinden Plätze für Flüchtlinge geschaffen wurden. Oder: Was brauchen diese Menschen? Die Auseinandersetzung mit Flüchtlingen und ihrer Kultur bietet uns die Riesenchance, auch darüber nachzudenken, was unser Zusammenleben ausmacht und was für uns wichtige Bräuche sind. Jedes Mal, wenn ich einen Storch mit dem Schild 'Zum Büchsenmacher' sehe, wünsche ich mir, wir würden uns endlich von diesem 'Brauch' verabschieden. Die Arbeit im Integrations-Bürgerrat hat gezeigt, dass wir in den letzten 30 Jahren kaum Ansprüche an ein Miteinander gestellt haben, dass wir kaum etwas von den Menschen wissen, die seit 30 Jahren oder länger bei uns leben. Wenn wir uns trauen, unser eigenes Leben zu reflektieren, wird es spannend. Ich glaube, davon könnten wir sehr profitieren.

Nach dem positiven UVP-Bescheid für die 380-kV-Leitung mussten Sie viel Kritik einstecken. Wie geht es Ihnen damit?
ASTRID RÖSSLER:
Das war unglaublich schwierig, dieses Verfahren hat mich Jahre meines Lebens gekostet. Die Erwartungshaltung mancher mir gegenüber, ich könnte nach Belieben ein Verfahren beeinflussen, war im Prinzip eine Aufforderung zum Amtsmissbrauch. Diese Haltung hat meinen Glauben an den Rechtsstaat ins Wanken gebracht. Der Vorwurf lautete, ich hätte versprochen, die Leitung zu verhindern. Das stimmt natürlich nicht – ich habe aber bis zuletzt dafür gekämpft, dass alle Einwände geprüft worden sind. Wenn es unterm Strich keinen Grund für ein 'Nein' zu dieser Leitung gibt, dann muss ich das mittragen. Bei diesem Projekt – von dem ich erkannt habe, dass es notwendig ist – gibt es keine gute Lösung, mit der alle zufrieden sind.

Die Grünen waren ursprünglich gegen eine Koalition mit dem Team Stronach, sind sie aber dennoch eingegangen. Aus heutiger Sicht: War es ein Fehler, auf diese Partei zu setzen?
ASTRID RÖSSLER:
Unsere Vorbehalte haben sich bestätigt. Den Konsens für die Regierungszusammenarbeit hatten wir Grünen an der Person Hans Mayr festgemacht. Es gab aber inhaltliche Vorbehalte und es hat sich dann schnell abgezeichnet, dass die personelle Zusammenarbeit nicht einfach werden würde.

Sprechen Sie damit Helmut Naderer an?
ASTRID RÖSSLER:
Sein Oppositionsverhalten war mit der Regierungsarbeit nicht mehr unter einen Hut zu bringen. Wir Grünen haben aber nach wie vor Interesse daran, alle Personen im Landtag einzubeziehen. Die Zusammenarbeit mit Helmut Naderer hat sich verändert, aber sie ist nicht beendet.

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