Update: Bau-Skandal in St. Wolfgang – Hunderte Bauten ohne Genehmigung
Bei mehr als 900 Bauakten in St. Wolfgang fehlt die "Baufertigstellungsanzeige". Die Baubewilligung könnte somit rückwirkend erloschen sein. Die Gemeinde will jetzt Bevölkerung informieren – Missstände betreffen Projekte bis zum Jahr 1996.
Update vom 4. März: Eisl informiert Gemeindebürger per Rundschreiben
In einem Brief an die St. Wolfganger versichert Bürgermeister Franz Eisl, dass "trotz der großen Herausforderung eine bürgerfreundliche Aufarbeitung der offenen Bauakten an vorderster Stelle steht." Erste organisatorische Maßnahmen seien bereits geingeleitet worden, eine Arbeitsgruppe werde bald mit der Prüfung beginnen. "Wir rechnen mit einer Bearbeitungszeit von etwa zwei Jahren."
Wie kürzlich bekannt wurde, ermittelt die Staatsanwalt Wels zudem wegen des Verdachts des Amtsmissbrauches.
Update vom 3. März: Landespolitik meldet sich zu Wort
Hermann Krenn, Landesabgeordneter und SPÖ-Sprecher, stellt sich hinter den ins Kreuzfeuer geratenen Bauamtsleiter. "Wenn ÖVP-Altbürgermeister Wolfgang Peinsteiner seine Verantwortung einfach auf die Gemeindemitarbeiter abschiebt, kann es sich höchstens um Schutzbehauptungen handeln", so Krenn. Für den Zeitraum, in dem die Verfehlungen begangen wurden, sei Peinsteiner trotz allem Verantwortlicher in erster Instant. "Einem sorgfältig arbeitenden und in der Öffentlichkeit aktiven Bürgermeister können 974 ungenehmigte Baustellen unmöglich entgangen sein. Alleine auf seinen täglichen Wegen in der Gemeinde müsste ihm das eine oder andere Neuerrichtete aufgefallen sein", meint der SPÖ-Sprecher.
Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Heimbuchner hofft auf eine rasche Klärung: "Ich bin seit Oktober 2015 zuständiges Mitglied der Oberösterreichischen Landesregierung für Angelegenheiten des Bauwesens und als solches ist es mir ein zentrales Anliegen, dass die betroffenen Bürger so rasch wie möglich Rechtssicherheit erlangen und der gesamte Sachverhalt restlos aufgeklärt und genau geprüft wird. Es wird auch die Justiz gefordert sein, den Sachverhalt zu analysieren und aufzuklären." Haimbuchner verspricht auch, die St. Wolfganger mit Fachleuten zu unterstützen.
Ursprünglicher Artikel vom 2. März
ST. WOLFGANG (tk, pg). Häuser, Wohnungen, Gewerbegebäude, Hotels, Carports genauso wie kleine Zu- und Umbauten: Im normalen Bauverfahren steht am Ende eine Baufertigstellungsanzeige. Sprich: Wenn ein Bauwerber neu- oder umgebaut hat, schickt er im Anschluss eine Fertigstellungsmeldung an die zuständige Gemeinde. Dadurch erlangt der Um- oder Neubau Rechtskraft. Nicht so allerdings in St. Wolfgang. Über einen Zeitraum von 20 Jahren (!) dürfte dieser Amtsweg hunderte Male ignoriert worden sein. St. Wolfgang sitzt somit auf einem riesigen Bauskandal, dessen Ausmaß auch Gemeindeverantwortliche derzeit nur in Ansätzen abschätzen können.
„Aufgedeckt“ wurde dieser Bauskandal quasi von oberster Stelle: Neo-Bürgermeister Franz Eisl stieß im Rahmen einer Überprüfung der Bauabteilung auf fast eintausend offene Bauakten. Bei nur 1100 Haushalten in St. Wolfgang wäre somit – rein statistisch gesehen – fast jeder davon betroffen. In Wirklichkeit haben aber manche Bauherren in den letzten 20 Jahren einfach mehrmals zu- oder umgebaut, ohne den Bauakt abzuschließen: „Laut derzeitigem Stand sind mehr als 900 Bauakten betroffen. Da jedoch manche Objekte mehrfach umgebaut wurden, könnten zuvor gemachte Versäumnisse mit der Abarbeitung des Letztstandes erledigt werden“, so Eisl.
Hunderte „Schwarzbauten“?
Laut oberösterreichischer Bauordnung könnte bei einem Großteil der Bauten durch Ausbleiben der Fertigstellungsanzeige mittlerweile die Baubewilligung rückwirkend erloschen sein. Zahlreiche St. Wolfganger würden somit, rein rechtlich gesehen, in „Schwarzbauten“ wohnen. Ob das wirklich so ist und wie mit der Situation umgegangen werden soll, will die Gemeinde nun mit Hilfe des Landes OÖ klären. Der zuständige Landesrat, Manfred Haimbuchner (FPÖ) sei bereits informiert worden, ebenso Landeshauptmann-Stellvertreter Thomas Stelzer (ÖVP), heißt es. Von Letzterem erhofft sich St. Wolfgang zusätzliches Personal, um den erwartbaren Ansturm der Betroffenen zu bewältigen.
Doch, warum konnte es eigentlich so weit kommen? Ein unterbesetztes Bauamt wird von Bürgermeister Eisl – und auch von den Spitzen der örtlichen SPÖ und FPÖ – für die Missstände verantwortlich gemacht. „Die Bauabteilung bestand in den letzten Jahrzehnten aus nur einem einzigen Mitarbeiter“, erklärt Eisl. „Vor allem mit den Großprojekten, die Mitte der 1990er in unserer Gemeinde umgesetzt wurden, ist die Belastung für den Zuständigen immer mehr gewachsen“, ergänzt Arno Perfaller (ÖVP).
Die „schlanke Personalführung“, mit der sich die Wolfgangsee-Gemeinde über Jahre hinweg gebrüstet hatte, zeigt nun also erstmals ihre Schattenseite. So sei vom zuständigen Mitarbeiter über mehrere Jahre hinweg auf die zu hohe Arbeitsbelastung aufmerksam gemacht worden. Reaktion der Gemeinde-Verantwortlichen laut Eisl: Keine.
Ex-Bürgermeister: "Verwaltung ist zuständig"
Hannes Peinsteiner, Vorgänger von Franz Eisl, ist auf Anfrage der BezirksRundschau überzeugt, stets korrekt gehandelt zu haben: "Wenn ein Gemeindebürger mit einem Anliegen an mich herangetreten ist, das das Bauamt betroffen hat, bin ich dem immer nachgegangen", so Peinsteiner. Nachsatz: "Aber es ist nicht die Aufgabe eines Bürgermeisters, jeder Bauangelegenheit hinterher zu rennen. Dafür gibt es eben die Verwaltung."
Nachzahlungen für Bürger?
Für die Gemeinde ist aber aktuell nicht nur die rechtliche Situation der Bauten relevant. Hinter vorgehaltener Hand wird auch intensiv über falsch berechnete Kanalanschlussgebühren diskutiert. Denn um diese zu berechnen, dienen die bebauten Quadratmeter als Grundlage. Und stimmen die nicht, könnte auch die Höhe der ursprünglich bezahlten Anschlussgebühr nicht korrekt sein.
Gespräche in Vorbereitung
Über all diese Sachverhalte wurde am Dienstagabend der St. Wolfganger Gemeinderat in Kenntnis gesetzt, im Laufe der nächsten Wochen sollen erste, betroffene Bürger schriftlich verständigt werden. Man wolle jeden Fall einzeln aufarbeiten, sagt Bürgermeister Franz Eisl. „Wir sind derzeit dabei, eine geeignete Infrastruktur zu schaffen, um mit jedem der Betroffenen ein ordentliches Gespräch über die Sachverhalte führen zu können.“ Es soll auch eine Prioritätenliste erstellt und abgearbeitet werden.
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