Trauerende Eltern
"Die Wucht des Schmerzes ist mir allzugut bekannt"

Eva Dullinger ist Lebens- und Sozialberaterin unter Supervision. Am FIM Schärding bietet sie neu ein Gesprächsangebot für trauernde Eltern.  | Foto: Fabian Skala
  • Eva Dullinger ist Lebens- und Sozialberaterin unter Supervision. Am FIM Schärding bietet sie neu ein Gesprächsangebot für trauernde Eltern.
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Eva Dullinger steht mit neuem Gesprächsangebot am FIM Eltern zur Seite, die ein Kind verloren haben.

SCHÄRDING. Warum Trauer keine Krankheit, sondern eine natürliche Reaktion ist oder wie man Geschwistern helfen kann, verrät sie im Interview.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich auf trauernde Eltern zu spezialisieren?
Vor sechs Jahren ist meine Tochter zwei Tage nach der Geburt verstorben. Mir ist also die Wucht des Schmerzes, den Eltern in einem solchen Moment durchleben müssen, nur allzu gut bekannt. Eine Spezialisierung im Zuge meiner Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin war naheliegend. Ich habe keine Berührungsängste mehr mit diesem Thema.

Fehlgeburt, stille Geburt, Schwangerschaftsabbruch oder Tod eines Neugeborenen sind ein tiefer Einschnitt ins Leben. Was beschäftigt Eltern im ersten Schock?

Das ist sehr individuell: Die Form und Möglichkeit der Verabschiedung des Kindes, die Unterstützung vor Ort, der eigene Schock, das Abgeschnittensein von Gefühlen, der Umgang mit Trauer innerhalb der Familie, unterschiedliches Trauerverhalten der Partnerin oder des Partners, gesetzliche Formalitäten, ein Begräbnis vorbereiten, möglicherweise verletzenden Reaktionen des Umfelds oder Schuldgefühle.

Macht es einen Unterschied, ob man das Kind während der Schwangerschaft verliert oder ob es auf die Welt gekommen ist?
Es ist bekannt, dass es in einem frühen Stadium der Schwangerschaft häufiger zu einer Fehlgeburt kommen kann. Es gilt in der Gesellschaft quasi als normal. Für die betroffenen Eltern aber ist nichts mehr normal: Auch sie haben vielleicht schon den Herzschlag vernommen und hätten viel Liebe zu geben gehabt. Der Schmerz ist nicht weniger groß.

Gerade der Tod von Kindern ist noch mehr tabuisiert – und lässt das Umfeld überfordert zurück. Wie sollten Außenstehende reagieren?
„Ich weiß nicht, was ich sagen oder machen soll! Bitte teile mir mit, wenn ich irgendetwas für dich tun kann.“ Oder: „Es tut mir sehr leid, was dir widerfahren ist, ich bin in Gedanken bei dir und wünsche dir viel Kraft.“ So etwas in dieser Art. Einfach ehrlich sein.

Gibt es typische Trauerphasen, die jeder erlebt?
Tatsächlich gibt es Trauermodelle, die anhand von Phasen versuchen, den Prozess zu skizzieren. Die Vielfalt an Trauermodellen macht aber deutlich, was Trauer wirklich ist – nämlich ein sehr individueller Prozess. Das Naheverhältnis zur verstorbenen Person spielt zum Beispiel eine Rolle, die eigene Persönlichkeit, der Lebensabschnitt, in dem man sich befindet, wie man als Kind im Umfeld Trauer miterlebt hat oder ob man schon Erfahrungen mit schweren Verlusten hatte. Oder vielleicht hat die Trauer im Moment ja auch gar keinen Platz, weil man für die Frau stark sein möchte oder man sich um Kinder kümmern muss.

Welche Techniken oder Therapien können Sie verwaisten Eltern anbieten?
Trauer ist keine Krankheit, die mit irgendeiner Technik weggemacht werden kann, sondern eine natürliche Reaktion auf einen Verlust. Als Trauerbegleiterin oder psychologische Beraterin kann ich Stütze sein, indem ich ein Stück dieses Weges mitgehe.

Wie kann es gelingen, nach der ersten Phase der Trauer diesen Schicksalsschlag anzunehmen und wieder in Balance zu kommen? 
Auch das ist ein zutiefst persönlicher Prozess und orientiert sich an den Bedürfnissen meines Gegenübers. Bei mir waren es im Nachhinein betrachtet viele kleine Puzzleteile aus unterschiedlichsten Richtungen, die mich unterstützt haben. Besonders hilfreich war für mich das Gedankengut Victor Frankls. In meiner Arbeit orientiere ich mich deshalb auch an Renacer, einer vor allem im südamerikanischen Raum weit verbreiteten Selbsthilfeorganisation für verwaiste Eltern, die auch Inhalte aus der Sinnlehre Victor Frankls miteinfließen lassen.

Und was ist mit Geschwisterkindern?
Da kann ich nur eines raten: Bitte zu keinem Zeitpunkt aus der Trauer ausschließen! Und auch wenn sich ein Kind zurückzieht oder schweigt, immer wieder Gesprächsangebote machen. Zu diesem Thema empfehle ich das Buch Für immer anders von Mechthild Schroeter-Rupieper, in dem sie unter anderem genau schildert, wie in welcher Altersstufe getrauert wird und ab welchem Alter man wie über den Tod reden kann. Sie macht Vorschläge und bietet Ideen und Anregungen, wie man Kinder begleiten kann und mit der Trauer leben lernt. Ein sehr wertvolles Buch über Trauer und Verluste, das meines Erachtens in keiner Hausbibliothek fehlen sollte. Auch wenn man keine Kinder hat.

Wie kann man Geschwisterkindern helfen? 
Was Geschwisterkinder betrifft, kann ich nur eines raten: Bitte zu keinem Zeitpunkt aus der Trauer ausschließen! Und auch wenn sich ein Kind zurückzieht oder schweigt, immer wieder Gesprächsangebote machen. Zu diesem Thema empfehle ich das Buch Für immer anders von Mechthild Schroeter-Rupieper, in dem sie unter anderem genau schildert, wie in welcher Altersstufe getrauert wird und ab welchem Alter man wie über den Tod reden kann. Sie macht Vorschläge und bietet Ideen und Anregungen, wie man Kinder begleiten kann und mit der Trauer leben lernt. Ein sehr wertvolles Buch über Trauer und Verluste, das meines Erachtens in keiner Hausbibliothek fehlen sollte. Auch wenn man keine Kinder hat.

An wen richtet sich das neue Gesprächsangebot im FIM?
Jeden ersten Donnerstag im Monat steht von 15 bis 20 Uhr ein Zeitfenster zur Verfügung, in dem ich Interessierten Lebens- und Sozialberatung anbiete. 2 Einheiten davon sind für trauernde Eltern reserviert, die ihr Kind vor, während oder kurz nach der Geburt verloren haben und das Bedürfnis haben, mit jemanden zu reden. Wenn man erzählen möchte, was passiert ist, Sorgen und Kummer jemanden anvertrauen möchte oder auf der Suche nach einem vertrauensvollen, ungestörten Rahmen und Raum ist um trauern zu können. Wenn man sich mit einer Gleichgesinnten austauschen möchte oder wenn man nach Wegen sucht, den Schicksalsschlag friedenschießend ins Leben zu integrieren.

Sie sind Lebens- und Sozialberaterin unter Supervision – was heißt das genau und was möchten Sie damit beruflich machen?
Meine zweieinhalbjährige Ausbildung habe ich bereits im März abgeschlossen. Um nun aber das Gewerbe als Lebens- und Sozialberaterin anmelden zu können, benötigt man unter anderem 750 Stunden fachliche Tätigkeit. Bis es so weit ist, muss man den Zusatz in Ausbildung unter Supervision verwenden und darf auch nur eine Aufwandsentschädigung verlangen.Neben meiner Tätigkeit als Lebens- und Sozialberaterin mache ich gerade den Master in Psychosoziale Beratung auf der Uni für Weiterbildung in Krems und die Ausbildung zur Fachtrainerin. Die Ausbildung zur Trauerbegleitung für Beraterinnen schließe ich demnächst ab. Ein Spezialgebiet von mir, das mir sehr am Herzen liegt, ist außerdem die EDxTM (Energy Diagnostic & Treatment Methods) nach Dr. Fred Gallo, eine Klopftechnik, die vor allem bei Ängsten und Paniken sehr wirkungsvoll eingesetzt wird. Nähere Informationen zu meiner weiteren Arbeit finden sich auf der Homepage des FIM. 


Steckbrief Eva Dullinger:

Wohnort: Schärding
Geburtsdatum: November 77
Beruf: Lebens- und Sozialberaterin in Ausbildung unter Supervision, Autorin und Leiterin in einem Kostümverleih für Film
Hobbys: Tai Chi, Bogenschießen, SUP am Ottensteiner Stausee
Lieblingsessen: die thailändische und italienische Küche
Lieblingsbuch: im Zusammenhang mit Trauer: Für immer anders von Mechthild Schroeter-Rupieper und Das erste Trauerjahr von Eva Terhorst
Lieblingsgetränk: Wasser und Bier
Ziel: kritisch zu bleiben, wenn jemand einfache Lösungen auf komplexe Fragen anbietet und mich nicht von den Ängsten anderer lähmen oder gar mitreißen zu lassen

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