Bezirksärztesprecherin
"Der Wartebereich in Ordinationen ist eine kritische Zone"

Dr. Ursula Hammel, Bezirksärztesprecherin von Schärding, erklärt welche Maßnahmen Schärdings Hausärzte und Fachärzte in Zeiten der Corona-Ausbreitung treffen.  | Foto: Bichler
  • Dr. Ursula Hammel, Bezirksärztesprecherin von Schärding, erklärt welche Maßnahmen Schärdings Hausärzte und Fachärzte in Zeiten der Corona-Ausbreitung treffen.
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Dr. Ursula Hammel, Bezirksärztesprecherin von Schärding, im Interview über die Corona-Ausbreitung. 

SCHÄRDING (juk). Warum der Ordinationsbetrieb von Haus- und Fachärzten derzeit beschränkt wird, wie Medikamentenverschreibungen funktionieren und wie sich Patienten verhalten sollen, erklärt die Hausärztin aus Schärding.  

Aufgrund der Corona-Ausbreitung müssen Allgemeinmediziner, Fachärzte oder Zahnärzte ihren Betrieb reduzieren – was bedeutet das konkret für Patienten? 

Es gibt derzeit zwei Prioritäten: Zum einen müssen wir alle unsere Sozialkontakte reduzieren, damit das Virus nicht von einem zum anderen weitergegeben wird. Der Wartebereich der Ordinationen ist somit eine kritische Zone. Zum anderen muss das gesamte Gesundheitspersonal sich selbst vor der Infektion schützen, damit es nicht fehlt, falls sich die Situation zuspitzen sollte. Das funktioniert aber nur, wenn der direkte Patientenkontakt eine Zeit lang auf das allernotwendigste reduziert wird.
Alle Ärzte regulieren daher den Zugang zu den Ordinationen, indem Patienten zum Beispiel nur einzeln und mit Termin eingelassen werden. Und was immer möglich, wird per Telefon erledigt. Nicht dringliche Anliegen, wie zum Beispiel Vorsorgeuntersuchungen, Kuranträge, Atteste oder Routineuntersuchungen beim Facharzt werden jetzt warten müssen.

Wie sieht es mit bereits vereinbarten Facharztterminen aus – sind sie automatisch ungültig oder werden sie von der Praxis abgesagt? 

Jede Praxis durchforstet jetzt den Terminkalender und ruft die Patienten an, die man auf später verschieben kann. Aber grundsätzlich schadet es nicht, wenn sich die Patienten selbst noch mal melden.

Wie werden Medikamentenverschreibungen und -abholung gehandhabt? 

Wir haben derzeit das OK der Krankenkassen, dass wir Rezepte an die Apotheken faxen oder per E-Mail schicken können. In den Apotheken werden die Medikamente vorbereitet zur Abholung. Es soll auch dieser Tage das „elektronische Rezept“ kommen, dazu gibt es aber noch keine Erfahrung. Ich möchte mich auf diesem Weg jedenfalls herzlichst bei den Apotheken bedanken für die unkomplizierte Abwicklung.

Welche Anpassungen haben Sie in Ihrer eigenen Praxis konkret gemacht (Personal, Organisation, etc)?

Da nun das Telefon andauernd läutet, bitten wir die Patienten als aller erstes um ihre Rückrufnummer, damit wir uns dann in Ruhe um ihr Anliegen kümmern können. Die Eingangstür zum Ärztehaus ist abgesperrt. Die Assistentinnen holen die Patienten in kleinstmöglichen Gruppen persönlich von der Tür ab und begleiten sie in die Ordination. Dort muss jeder sich die Hände desinfizieren. Die Patienten werden dann wieder persönlich hinausbegleitet.

Wie sollten Patienten vorgehen, wenn sie medizinische Versorgung oder Beratung, außerhalb einer Corona-Infektion brauchen? 

Wir alle sind zu unseren Ordinationszeiten nach wie vor erreichbar. Man muss halt anrufen – und logischer Weise ist das Telefon überlastet. Aber grundsätzlich sind wir da für unsere Patienten und helfen weiter. Es besteht jedenfalls kein Grund dazu, den Notruf zu wählen oder gleich ins Krankenhaus zu pilgern, wenn man in der Praxis nicht sofort durchkommt.

Haben Sie von Kollegen aus dem Bezirk Schärding bereits Rückmeldung bekommen, wie Patienten auf die Veränderung reagieren? 

Aus dem ganzen Bezirk hört man, dass die Patienten sehr diszipliniert und kooperativ sind. Dafür möchte ich mich auch an dieser Stelle herzlichst bedanken!

Sollte ich selbst den Verdacht haben mich mit Corona infiziert zu haben: Ist der Hausarzt als Ansprechpartner geeignet? 

Auf jeden Fall! Der Hausarzt wird Sie gezielt über die näheren Umstände befragen, und er nimmt auch Kontakt auf mit der Behörde, die dann entscheidet, ob ein Virusabstrich gemacht werden muss oder nicht. Da die Hotline 1450 momentan völlig überlastet ist, rate ich unbedingt dazu, auch den Hausarzt zu kontaktieren.

Wie schätzen Sie als Bezirksärztesprecherin die Lage hinsichtlich Corona-Infektionen im Bezirk Schärding derzeit ein? 

Momentan steigt die Anzahl der positiv getesteten Personen in unserem Bezirk nur langsam an. Jedoch dürfen wir uns da nichts vormachen: Es genügt ein Ereignis, wo mehrere Personen beisammen sind und die Zahl kann sprunghaft ansteigen.

Haben Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn schon einmal eine vergleichbare Situation des Gesundheitswesens erlebt?
 

Hier in Schärding erinnert mich die Situation ein wenig an die Versorgung der Flüchtlinge 2015. Da waren wir alle gefordert, in kürzester Zeit tausende Menschen zu versorgen – und keiner hatte Erfahrung mit so einer Situation. Wir haben damals viel gelernt, was Abläufe und Organisation betrifft. Davon profitieren wir jetzt.
Ich kann mich aber auch noch gut daran erinnern, wie in den 80ern die ersten Menschen an AIDS erkrankten. Man wusste anfangs überhaupt nicht, was das für ein Virus ist und wie die Infektionswege verlaufen. Das war eine immense Verunsicherung, insbesondere auch für das gesamte medizinische Personal.

Möchten Sie Patienten (oder speziell Patienten aus Risikogruppen) noch etwas mit auf den Weg geben? 

Wenn Sie über 60 Jahre alt sind – und das ist in Österreich tatsächlich schon jeder Vierte- oder wenn Sie chronisch krank sind, dann bleiben Sie bitte weiterhin zu Hause – so schön das Wetter auch ist. Das muss jetzt einfach sein. Jetzt sind die Jüngeren dran, um Sie zu versorgen, Ihnen Medikamente und Lebensmittel vor die Tür zu stellen. Halten Sie Kontakt per Telefon und über all die vielen Möglichkeiten der neuen Medien, die es gibt. Diese recht einfache Maßnahme der Absonderung ist zugleich die wirkungsvollste, die uns zur Verfügung steht, um diese Herausforderung zu bewältigen. Und ganz wichtig: Gehen Sie nicht ohne triftigen Grund und ohne Zuweisung durch einen Arzt ins Krankenhaus! Wenn wir wo kein Virus brauchen können, dann dort!

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