"Ich habe zwei Schultern, und die sind breit"

Kircher wird 2.400 Mitarbeitern vorstehen und ist für ein Budget von 250 Millionen Euro verantwortlich | Foto: KK/Putz
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SPITTAL, WIEN. Christian Kircher (51) ist leidenschaftlicher Sänger und jongliert gerne mit Zahlen. Bisher war er Finanzdirektor des Wien Museums, ab 1. April steht er der Bundestheater-Holding vor. Die WOCHE sprach mit dem heimatverbundenen Spittaler.

WOCHE: Erzählen Sie uns von Ihren Stationen im Leben.
KIRCHER: Nach der Schule in Spittal/Drau übersiedelte ich nach nach Wien zum Studium der Betriebswirtschaftslehre. Wien als Zentrum so vieler kultureller Ereignisse übte auf mich immer eine große Faszination aus. Nach dem Studium folgte eine klassische Karriere im Wirtschaftsbereich, vorwiegend in internationalen Konzernen, wie Unilever, AC Nielsen und die längste Zeit, von 1997 bis 2004 bei Gillette. In Frankfurt war ich vor meinem Wechsel in den Kulturbereich verantwortlich für die Geschäftsbereiche Duracell und Braun Elektrogeräte in Österreich, Deutschland und Schweiz.
Parallel dazu gab es aber immer kulturelle Aktivitäten. Schon als Kind habe ich im Kinderchor der Musikschule Spittal, im Schulchor, dann im Studentenchor gesungen und schließlich 30 Jahre lang im Arnold Schoenberg Chor.

Kamen Sie schon früh mit Kunst in Berührung?
Das Interesse an anderen Kunstformen wie bildender Kunst war immer vorhanden und das Interesse an Archäologie wurde in der Mittelschule durch spannenden Latein- und Geschichtsunterricht geweckt. Die erste Museumserfahrung konnte ich bereits als Jugendlicher bei den Ausgrabungen in Teurnia sammeln. Die musische Seite wurde mir wohl vom Elternhaus mit auf den Weg gegeben.

Wieviele Bewerbungen gab es für den Posten als Geschäftsführer der Bundestheater-Holding?
Da kann ich nur die verschiedenen medialen Quellen mit unterschiedlichen Aussagen wiedergeben, aber es waren für mich überraschend wenige. Mit Sicherheit kann ich nur sagen, dass meine Bewerbung eine davon war. Im Hearing waren angeblich sechs Kandidatinnen und Kandidaten. Der Minister weiß das genau.

Womit haben Sie augenscheinlich überzeugen können?
Wohl mit meinem glaubhaften Doppelleben: die wirtschaftliche Erfahrung in professionellen Unternehmen gepaart mit einer nachweislichen Erfahrung im Musikbereich. Außerdem beginnen meine Augen zu leuchten, wenn ich über Dinge mit dem Herzen und der notwendigen Überzeugung spreche.

Warum wollten Sie überhaupt den Job wechseln? Was es an der Zeit?
Es war gar nicht so, dass ich unbedingt wechseln wollte. Das Wien Museum ist eine großartige Institution, die ich über zehn Jahre mitgestalten durfte. Eigentlich wollte ich einige kleine Nebenfunktionen abgeben, die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben und nur eine schöne Aufgabe neben dem Wien Museum übernehmen. Zum Beispiel ein Mandat als Aufsichtsrat bei den Wiener Festwochen. Diesen Wunsch habe ich einigen Personen mitgeteilt, daraufhin wurde ich eingeladen, mich zu bewerben. In meiner neuen Position bin ich nun auch im Kuratorium der Salzburger Festspiele. Das ist schon eine wunderbare Aufgabe.

Der Wiener Kulturstadtrat Mailath-Pokorny ist nicht begeistert über Ihren Wechsel...
…hat mir aber aus ganzem Herzen gratuliert. Schließlich ist es auch eine große Auszeichnung für die Kulturstadt Wien, dass so eine wichtige Position des Landes mit Personen aus einer Wiener Institution besetzt wird.

Wie werden Ihre Aufgaben konkret aussehen?
Es geht in erster Linie darum, den Konzerngedanken zu stärken und die Unternehmensgruppe weiter zu modernisieren. Bei voller Akzeptanz der künstlerischen Freiheit müssen hinter der Bühne strenge wirtschaftliche Regeln gelten. Dazu gehören eine straffe Führung des Unternehmens und klare Vorgaben für die einzelnen Häuser.

Für unsere Leser: Wie ist die Bundestheater-Holding organisiert? Welche Aufgaben hat sie?
Der Konzern besteht aus drei Bühnengesellschaften, nämlich der Staatsoper, der Volksoper und dem Burgtheater sowie der Art for Art, einer Gesellschaft, die für alle Häuser und auch externe Kunden die Ausstattung verantwortet, also die Bühnenbilder, Kostüme, Requisiten etc. Und dann gibt es eine kleine Holding, die den Konzern steuert.

Wie bekommt man die drei Häuser erfolgreich unter einen Hut? Gibt es innerhalb Konkurrenzdenken?
Erstens ist Konkurrenz ja nicht schlecht. Außerdem haben die Häuser ein sehr klares Profil. Die Konkurrenz besteht aber vielmehr in einem geänderten Freizeitverhalten der Menschen. Daher ist es notwendig, dass alle Kulturschaffenden gute Arbeit leisten, um die Relevanz unseres Handelns unter Beweis zu stellen. Immerhin bekommen wir dafür Steuergelder.

Wie vielen Mitarbeitern werden Sie vorstehen? Mit welchem Budget werden Sie arbeiten?
Die Holding hat in Summe circa 2.400 Mitarbeiter und verfügt über ein Gesamtbudget von rund 250 Millionen Euro. Angeblich sind die Bundestheater daher der größte Bühnenkonzern der Welt. Die Holding selbst ist sehr schlank.

Wem sind Sie mehr verpflichtet - den Bühnen samt ihren Protagonisten und Intendanten oder dem Minister? Wie schaffen Sie den Spagat zwischen Politik und künstlerischen Direktoren?
Die vielen Anforderungen müssen nicht notwendigerweise einen Gegensatz darstellen. Und wie ich den Spagat schaffe, das werden wir erst sehen. Dieses Spannungsverhältnis gibt es natürlich, aber ich sehe das als schöne Herausforderung, der ich mich gerne stelle.

In einem News-Interview sagen Sie: "Meine Aufgabe ist, in einen Konzern, der ein bissl ins Wanken geraten ist, Ruhe, Vertrauen und Ordnung zu bringen. Ich schätze das Drama auf der Bühne, nicht hinter der Bühne.“ Wie werden Sie dies angehen? Nach dem Finanzskandal rund um Matthias Hartmann und Silvia Stantejsky sicher kein leichtes Unterfangen....
Natürlich hat der Finanzskandal Unruhe und Verunsicherung erzeugt. Viele Mitarbeiter waren schockiert und sind es noch immer, dass solche Entgleisungen möglich sind. So wie ich selbst schockiert war. Es wurde von den jetzt Handelnden unglaublich viel aufgeräumt und bereinigt. Und was die handelnden Personen der Vergangenheit anbelangt, liegt der Fall bei den Gerichten. Ich konzentriere mich daher auf die Gegenwart und die Zukunft. Die Vergangenheit wird uns sowieso noch längere Zeit begleiten.

Wie ist ihr Verhältnis zum früheren Holding-Chef Georg Springer? Er soll ja wesentlich mehr verdient haben als nun ausgeschrieben...
Solange die Vergangenheit nicht juristisch geklärt ist, sehe ich keinen Grund für ein Naheverhältnis zu den Beteiligten. Das ist nicht immer leicht, aber ich halte es für klug so. Gehälter anderer Personen kommentiere ich nicht und mit meinen Arbeitsbedingungen bin ich rundum zufrieden.

Der Gesetzgeber behielt sich ja vorerst eine Doppelspitze vor, nun arbeiten Sie alleine. Wäre die Last auf zwei Schultern leichter zu bewältigen oder sind Sie eher der Teamplayer?
Ich bin sogar überzeugter Teamplayer und hätte auch kein Problem mit einer Doppelspitze. Der Gesetzgeber wollte eine Alleinverantwortung und der stelle ich mich. Außerdem habe ich zwei Schultern. Und die sind breit.

Es muss gespart werden, welche Leistungen werden reduziert?
Dazu möchte ich mir erst einen genauen Überblick verschaffen. Ziel ist nicht die Reduktion von Leistungen, sondern das hohe Niveau mit weniger Einsatz, also mit geringeren Kosten, zu erreichen.

Wie hoch ist der Schuldenberg laut Rechnungshofbericht?
Dazu müssten wir jetzt definieren, was „Schuldenberg“ bedeutet. Sind das die Verbindlichkeiten? Das negative Eigenkapital? Der Rechnungshofbericht liegt derzeit in seiner vertraulichen Rohfassung vor. Jetzt haben alle geprüften Instanzen die Möglichkeit, ihre Stellungnahme abzugeben. Dann wird der Bericht veröffentlicht. Ich kann nur so viel sagen, dass alle derzeit handelnden Personen, die nicht das Schlamassel verursacht haben, unglaublich viel zur Bereinigung der Situation beitragen und Außerordentliches leisten.

Wie passen strikte Zahlen der Wirtschaft und Kreativität in der Kunst zusammen?
Ich finde sogar sehr gut und habe daher auch in einigen Interviews gesagt, dass ich eine offene Doppelbeziehung zu den Zahlen und der Musik lebe.

Bis jetzt waren Sie für das Wien Museum tätig, nun geht es ans Theater. Was verbindet Sie persönlich mit dem Theater?
Natürlich verbindet mich sehr viel mit den Theatern und der Musik. Ich habe bei einigen Bühnenproduktionen u.a. im Theater an der Wien mitgewirkt. Während des Studiums habe ich dann am Burgtheater in einer Produktion mitgesungen und war mit der Volksoper auf Tournee in Japan. Es waren wirklich erfüllte Jahre und ich kenne von meinen Auftritten mit dem Schoenberg Chor die Bühnen vieler großer Häuser auf der ganzen Welt, darunter die Mailänder Scala, die Carnegie Hall oder die Royal Albert Hall.

Haben Sie ein Lieblingsstück bzw. -oper?
Da fürchte ich, dass mir die Vielfalt am Herzen liegt.

Wie oft besuchen Sie selbst Vorstellungen? Sind Sie bei den Proben dabei?
Derzeit besuche ich circa drei Vorstellungen pro Woche. Das gehört dazu, um die Personen gut kennen zu lernen. Bei Proben bin ich selten dabei.

Sie singen selbst im Chor. Hat man in so einer bedeutenden Position noch Zeit dafür?
Jetzt leider nicht mehr. Das ist der Preis für die Übernahme der neuen Aufgabe. Ich überlege noch, bei der Verabschiedung von Nikolaus Harnoncourt im Musikverein Mitte April mitzusingen. Er war beinahe 30 Jahre lang so etwas wie ein musikalischer Lebensmensch für mich.

Der Schoenberg Chor war auch beim Internationalen Chorwettbewerb in Spittal vertreten. Haben Sie auch in Spittal gesungen?
Natürlich: zu Hause! Dann im Kinderchor der Musikschule, im Schulchor, mit dem W.U.-Chor beim Chorwettbewerb. Da haben wir im Volksliedwettbewerb gewonnen und im Kunstliedbereich den zweiten Platz erreicht. Das war sehr aufregend und erhebend.

In so einer Funktion müssen Sie offiziell Termine wie den Opernball besuchen - machen Sie das gerne oder ist diese Art der "Öffentlichkeitsarbeit" für Sie eher Zwang?
Der Opernball gehört ganz einfach dazu und er ist viel schöner, als man es von den Medien vermittelt bekommt. In der Vergangenheit war ich nie dort, heuer war es meine Premiere. Und ich habe mich fast ausschließlich mit Sängern, Schauspielern und Musikern unterhalten. Das Bedienen der gesellschaftlichen Verpflichtungen ist wohl Teil der Verantwortung. Das bedeutet aber nicht, dass man sich mit allen Adabeis unterhalten muss. Das interessiert mich gar nicht.

Was verbindet Sie mit Ihrer Heimat Spittal?
Spittal ist in erster Linie der Ort, wo meine Herkunftsfamilie zu Hause ist. Ich komme gerne hierher, um meine Eltern und die Familie meines Bruders Peter zu besuchen. Das sind die wichtigsten Bezugspunkte zu Spittal. Und natürlich sind da viele Erinnerungen an die Kindheit.

Wenn Sie in Spittal sind, wohin führt Sie ihr erster Weg?
Der erste Weg führt natürlich zu den Eltern. Und dann sind es die Orte meiner Kindheit, an die es mich immer zieht: Teurnia oder Millstatt.

Was ist an Spittal besser als in der Großstadt Wien? Und umgekehrt?
Ich schätze jetzt mehr als früher überschaubare Strukturen. Als Kind hat es mich sehr gestört, immer unter Beobachtung zu stehen. Jeder kennt jeden, jeder beobachtet und kommentiert jeden. Die Anonymität der Großstadt ist da befreiend. Mittlerweile empfinde ich selbst Wien manchmal als großes Dorf. Und natürlich ist es die Lage von Spittal inmitten der Berge und bei den Seen, die ich großartig empfinde.

Steckbrief:

Name: Christian Kircher
Geburtstag: 12. August 1964
Wohnort: Wien
Familie: eine gut funktionierende Patchwork-Familie
Hobbys: Alles in Zusammenhang mit Kultur – also mein Beruf
Motto: Leben heißt Sterben lernen (Montaigne)
Vorbilder: von ganz vielen Menschen ein Stück, das ein neues Ganzes ergibt
Das letzte Buch, das ich gelesen habe: Navid Kermani: Ungläubiges Staunen, immer wieder Montaigne
Mein Lieblingsplatz ist: ungefähr in Reihe 10, Mitte
In meinem Kühlschrank habe ich immer: ein Licht - der Rest wechselt
Ich fluche über..... selten bis gar nicht

Wordrap:

Berg oder See? See
Alm oder Meer? Alm
Buch oder Tablet? Buch (klare Sache)
Auto oder Flugzeug? Zu Fuß
Schweinsbraten oder Gemüselaibchen? Fisch
Heavy Metal oder Hansi Hinterseer? Da muss ich passen
Sushi oder Kärntner Nudel? Abwechselnd. Leider werden die Kärntner Nudeln in Wien hin und wieder mit Knoblauchbutter serviert. Dann habe ich Sehnsucht nach Spittal.

Kircher wird 2.400 Mitarbeitern vorstehen und ist für ein Budget von 250 Millionen Euro verantwortlich | Foto: KK/Putz
Christian Kircher singt seit 30 Jahren im Schoenberg Chor | Foto: KK/Sattmann
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