Gottfried Haselmeyer im Gespräch
Wird St. Pölten zubetoniert?

  • Gottfried Haselmeyer war auch beim großen Klimaprotest am 24. September in St. Pölten mit dabei.
  • Foto: Stopp S34!
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Gottfried Haselmeyer ist seit mehr als 35 Jahren in und um St. Pölten als Architekt tätig. Im Rahmen des Klimaprotests hat sich der Experte umfassend über die geplante Trasse der S34 informiert. Im Interview sagt er, was er von diesem Straßenbauprojekt hält.

NIEDERÖSTERREICH/ST. PÖLTEN. Auf der ganzen Welt wurde vor kurzem für mehr Klimaschutz demonstriert, auch in vielen Orten in Niederösterreich. St. Pölten war dabei das "Epizentrum" des Protests, der auch gegen die im Traisental geplante Trasse der S 34 gerichtet war. Hunderte Menschen kamen mit Schildern und Transparenten in die St. Pöltner Innenstadt, mit dabei war auch der bekannte Stadtarchitekt sowie "Naturliebhaber und Opa" (Eigendefinition, Anm.) Gottfried Haselmeyer. Er stand für ein Interview zum Thema S 34 zur Verfügung.

Herr Architekt, Sie sind seit 35 Jahren als Planer in St. Pölten tätig. Wird unsere Landeshauptstadt zubetoniert?
Das Umland von Wien ist in den letzten Jahrzehnten verstärkt verbaut worden, Baugründe sind dort rar, dadurch steigt jetzt zunehmend der Druck auf unsere Landeshauptstadt. Es ist zu befürchten und zeichnet sich auch bereits ab, dass Investoren und Spekulanten das Geschehen immer mehr an sich reißen und sich abgekoppelt von öffentlichen Interessen verwirklichen.

  • Gottfried Haselmeyer ist seit mehr als 35 Jahren in und um St. Pölten als Stadtplaner tätig.
  • Foto: Architekt Haselmeyer
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Wie kann dieser Entwicklung entgegengesteuert werden?
Unsere Landeshauptstadt hat in den letzten Jahrzehnten ein bedarfsorientiertes Wachstum erfahren. Die städtische Infrastruktur in Form von Kindergärten, Schulen, geförderten Wohnungen, Altenbetreuungseinrichtungen, Freizeiteinrichtungen und dergleichen war im Gleichklang mit dieser Entwicklung. Diese Kontinuität geht momentan verloren und wird dem bedingungslosen Wachstumsgedanken geopfert. Es liegt nun an der Stadtverwaltung korrigierend einzugreifen.

Das Straßenprojekt S34 ist derzeit Thema in St. Pölten. Wie stehen Sie dazu?

Dieses Projekt wurde schon vor etwa 30 Jahren entwickelt, also zu einer Zeit wo Natur- und Umweltschutz noch geringen Stellenwert hatten. Dem ständigen Wachstumsgedanken verpflichtet wurde unsere Umwelt mittlerweile soweit geschädigt, dass uns die Auswirkungen jetzt mit voller Härte treffen. Die Natur schlägt zurück, das war in diesem Ausmaß nicht vorstellbar.

Was müsste in Zukunft geschehen? Zurück in die Steinzeit?
Ich denke, dass diese Wortmeldung von höchster politischer Stelle nicht durchdacht war. Man sollte nämlich wissen, dass wir in Österreich derzeit schon das 
dritt-dichteste Straßennetz in Europa besitzen und gemessen an der Einwohnerzahl um ein Drittel mehr Autobahnen als unsere deutschen Nachbarn unterhalten. Ich frage Sie nun: Sind die Deutschen „Steinzeitmenschen“?

Aber zurück zu Ihrer konkreten Frage was zu tun ist:
Wir sind im digitalen Zeitalter angekommen. Das bedeutet, dass wir neben den vielen Nachteilen dieser „virtuellen Welt“ auch Vorteile lukrieren können. Beispielsweise wird sich die Arbeitswelt in Zukunft total verändern. Büroarbeitsplätze die täglich aufgesucht werden, mit dem Nachteil der An- und Abreise, wird es in Zukunft weniger geben. Viele von uns werden standortunabhängig arbeiten können. Der Pendlerverkehr wird zurückgehen und das ist gut so.

  • Beim großen Klimaprotest kamen Demonstranten aus allen Generationen, auch viele Kinder setzten sich für mehr Klimaschutz ein.
  • Foto: Stopp S34!
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Was bedeutet das für den Straßenbau der Zukunft?
Der Verkehrswegebau der letzten 50 Jahre hat sich ausschließlich am Kraftfahrzeug orientiert, der Mensch wurde dabei völlig vergessen. Fuß- oder Radwege waren kein Thema, wichtig war nur so schnell wie möglich von A nach B zu kommen. Die Folge davon ist, dass unsere Asphaltpisten für Radfahrer und Fußgänger unbenutzbar sind. Beispielsweise müssen die Schulkinder auch bei kurzen Schulwegen täglich mit PKW oder Bussen transportiert werden. Heute sehen wir, dass eine wenig durchdachte Verkehrspolitik der Vergangenheit unser Verhalten in der Gegenwart bestimmt und Korrekturen im Nachhinein schwierig sind.

Würde eine Änderung der Verkehrspolitik nicht Arbeitsplätze gefährden?
Dieses unrichtige Argument kommt häufig aus der Ecke der Industrie. Tatsächlich ist es so, dass durch den Straßenbau keine nachhaltigen Arbeitsplätze geschaffen werden, mit Ausnahme der Arbeitsplätze für den Straßenerhalter. Die Bauarbeiten werden größtenteils von Maschinen erledigt. Durch die geplante Trasse S 34, mitten durch die Kornkammer der Landeshauptstadt, werden Arbeitsplätze der Landwirte, welche über Generationen hindurch aufgebaut wurden, vernichtet. Darüber hinaus wird das Bemühen einer Nahversorgung und Direktvermarktung untergraben, zugunsten der Supermarktketten, welche sich im Schlepptau des Straßenbaues an den Drehkreuzen ansiedeln und einen Kaufkraftabfluss erzeugen. Wer Straßen baut, erntet Verkehr und zerstört gewachsene Strukturen!

Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?
Dass wir aus der Vergangenheit lernen und endlich damit aufhören die Lebensgrundlage unserer Kinder und Enkel zu zerstören. Dass wir der fortschreitenden Versiegelung unserer landwirtschaftlichen Flächen entgegenwirken. Dass wir durch raumplanerische Maßnahmen in Zukunft die Voraussetzung für Betriebsgebietswidmungen von direkten Bahnanschlüssen abhängig machen. Dies wurde leider in der Vergangenheit verabsäumt und beschert uns jetzt LKW-Kolonnen auf den Straßen.

Danke für das Gespräch!

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