EINJÄHRIGES BERUFKRAUT
Märchen und Geschichten für Erwachsene, Kinder und Kind gebliebene - Teil 130

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Momentan kommt es mir oft so vor, als würden "Gut" und "Böse", "Schwarz" und "Weiß"  verschwimmen. Viel zu viele Meinungen werden laut. Oft hat man das Gefühl, globale Themen würden vielfach für eigene Süppchen missbraucht und Menschen verfolgten hinter ihren Handlungen ganz andere Absichten, die vielleicht gar nicht dem allgemeinen Wohle entsprechen. Das Sinnieren darüber, hat bei mir die folgende Geschichte zum Vorschein gebracht. Sie richtet sich natürlich nicht gegen Tierschutz - denn wahrer Tierschutz ist wichtiger denn je. Aber... sie soll zeigen, dass nicht hinter allen Taten immer nur lautere Absichten stecken. Das Bild der weinenden Frau in der leeren Schweinebox, ist ein tatsächlich erlebtes, das ich als Jugendliche einmal bei einer der letzten Versteigerungen gesehen habe. Es prägte sich bei mir als Ende einer Ära ein - bevor Konsum und "das Letzte Herausholen" das Ruder übernahmen. Tief drinnen dürfte es mich geprägt haben, obwohl ich es viele Jahre lang vergessen hatte. Das Einjährige Berufkraut gehört zu den Beruf- und Beschreikräutern,  die neben ihren zahlreichen Heileigenschaften (Atemwegserkrankungen, Haut, Mundbereich, Durchfall, Mittel gegen Flöhe etc.) dazu benutzt wurden, um Flüche und Verwünschungen zu bannen und sich vor bösen Absichten seiner Mitmenschen zu schützen. Dazu wurde es schon kleinen Kindern häufig in die Wiege gelegt. Viel Spaß beim Lesen!

"Heut ist dein erster Einsatz, Fredi!" flüsterte Mortimer mit geheimnisvoller Miene, um ihn danach nocheinmal genau zu briefen. "Der Bauernhof ist abgelegen. Keine Nachbarn, kein Hund! Du hast also nichts zu befürchten. Alles was du machen musst, sind Fotos. Ev. eine kleine Schmieraktion auf Mauern etc.! Wichtig sind nur die Bilder fürs Internet. Der Hof sieht von außen ziemlich schmutzig aus. Das ist gut und im Internet sehr wirksam. Wir wollen den elenden Tierquälern doch allen das Handwerk legen! Dein Beitrag ist super wertvoll, Fredi! Und nun geh! Geh und gib alles!"

Der Buchhalter Fredi war seit kurzem Mitglied einer radikalen Tierschützer Bewegung, die es auch nicht scheute, in bäuerliche Anwesen einzubrechen. Wie er dazu gekommen war, war ihm noch immer unklar, denn er hatte sich nie wirklich um Tiere, geschweige denn um Tierschutz gekümmert. Was ihn angezogen hatte, war der Rausch. Der Rausch etwas verwegenes zu tun, was ihm ein gewisses Machtgefühl gab. Im Schutze der Dunkelheit Böse zu bestrafen - das hörte sich fast an wie Robin Hood. Im realen Leben war Fredi eine kleine graue Maus, fühlte sich unbedeutend und ohne Perspektiven. Die Rolle des biederen Buchhalters war ihm längst zuwider. Um sich zu verändern, fehlte ihm aber der Mut. Doch da hatte ihm das Schicksal einen neuen Trumpf in die Hände gespielt. Die Chance auf ein geheimes Doppelleben voll Leidenschaft und Abenteuer kam wie gerufen.

Der Hof sah wirklich heruntergekommen und schmutzig aus. Fredi parkte seinen alten Fiat unter einem großen Nussbaum in einiger Entfernung, schnappte die Kamera und machte sich so lautlos wie möglich auf den Weg. Auf Zehenspitzen schlich er durch das alte Scheunentor in den Hof und spähte durch die Stallfenster. "Komisch... dachte er. Nach Massentierhaltung sieht das eigentlich nicht aus?! Aber schmutzig ist es jedenfalls und Mortimer braucht die Fotos um Spendengelder zu lukreieren." Fredis Adrenalinspiegel stieg weiter an und er fühlte sich plötzlich stark und mächtig. Bis ein leises Schluchzen an sein Ohr drang. Vor ihm in einer leeren Schweinebox saß eine junge Frau in geflickten Latzhosen die Herzzerreisend weinte. Wie vom Blitz getroffen blieb Fredi stehen. Was sollte er tun? Umdrehen und davonlaufen?"

"Was wollen Sie von mir?" Fuhr in die Frau an. "Mich ausrauben? Mich erschießen? Bitte! Nur zu! Es hat sowieso alles keinen Sinn mehr!" Fredi stieg peinlich berührt von einem  Bein aufs andere. "Da gaffen Sie, was! Eine verheulte Frau in einem stinkenden Schweinestall ist keine aufregende Beute! Und falls sie Geld suchen... bitte... das suche ich auch schon die längste Zeit!" Und damit begann sie händeringend zu erzählen. Vom Hof ihres Vaters, den sie nach seinem Tod im Alleingang führen wollte. Von der Arbeit, den Entbehrungen und vom EU-Beitritt, der für den kleinstrukturierten Betrieb den Todesstoß bedeutet hat. "Vorher, da konnte man als kleiner Zuchtbetrieb leben! Da bürstete und puderte man sein Mutterschwein, das man dann auf der Versteigerung verkaufte. Man hatte eine Verbindung zu seinen Tieren. Sie waren etwas Wert. Aber jetzt... wachsen oder weichen...  Versteigerungen gibt es nicht mehr! Ein Tier kostet soviel wie in den 1970er Jahren! Ach, es ist egal, ich kann nicht mehr!" Damit warf sich die Frau wieder auf den Strohhaufen und schluchzte, dass ihr ganzer Körper zitterte. Fredi stand nur da und schaute sie an. Langes blondes Haar, große blaue Augen und ein paar Sommersprossen auf der rotzigen Nase. Gewaschen und ordentlich angezogen muss sie sehr hübsch sein, dachte er. Irgendwie fühlte er sich zu ihr hingezogen und setzte sich zu ihr auf den Strohhaufen. Ganz ruhig. Nach einiger Zeit begann er ihr seine Geschichte zu erzählen.

"Wo bleibt Fredi nur?" fuhr Mortimer seinen Kollegen Edmund an. "Wir brauchen dringend diese Fotos und ich hab ihn seit 2 Wochen nicht mehr gesehen. Erreichen tu ich ihn auch nicht! Edmund, fahr du!" "Wohin?" wollte Edmund wissen. Aber Mortimer konnte sich weder an Adresse noch Namen erinnern. Der Rote Liste der tierhaltenden Bauernhöfe war spurlos verschwunden. 

"Danke Fredi!" Marie strahlte ihren neuen Freund liebevoll an. Noch immer konnte sie ihr Glück kaum fassen. Als Fredi mitten in der Nacht heimgefahren war, gingen ihm Marie und ihr Unglück einfach nicht mehr aus dem Kopf. Und so kam er wieder. Morgen, Übermorgen und jeden Tag. Half nach der Arbeit mit am alten Bauernhof. Begann zu rechnen und zu sortieren. Suchte nach neuen Wegen und Möglichkeiten. Alte Rassen. Direktvermarktung. Besucher. Alles war möglich wenn man nicht alleine war und jemanden hatte, der einen liebte. 

"Hast du keine Angst, dass deine "Freunde" wiederkommen werden und dich suchen? Sie gelten als furchtbar radikal!"

"Nein!" grinste Fredi. Und hatte plötzlich das Bild seiner Großmutter vor sich, die sie immer liebevoll "alte Kräuterhexe" genannt hatten.  Fredi war nämlich aufgefallen, wie rund um Haus und Zufahrt Unmengen Einjähriges Berufkraut wucherten - so stark, wie es ihm noch nie zuvor aufgefallen war. "Das Kraut hier, hält Flüche und Verwünschungen ab, Marie! Und ich denke auch die Leute, die es nicht gut mit einem meinen...!" Früher hat man es übrigens schon den Babys in die Wiege gelegt um sie zu schützen...  Wie wärs, sollen wir das ausprobieren?

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