"Auch der Kindergarten ist eine Bildungseinrichtung!"

Für unser heutiges Sommerinterview trafen wir uns mit Margarita Hammer. Die 58-Jährige leitet seit 1997 den Fulpmer Kindergarten, wo in fünf Gruppen 110 Kinder betreut werden. Hammer selbst ist seit 35 Jahren mit Leib und Seele Kindergartenpädagogin, dementsprechend reich an Erfahrung und spricht über Neuerungen, Wünsche und darüber, wie auf den in Fulpmes besonders hohen Anteil an Migrantenkindern reagiert wird.

BEZIRKSBLATT: Frau Hammer, wie viele Frauen und Männer zählen zu Ihrem Team?
Hammer:
Fünf Pädagoginnen, vier Helferinnen und zwei Stützkräfte. Alle weiblich. Ich hätte gerne einen Mann im Haus, aber es handelt sich nun mal um einen dominierenden und nicht sonderlich gut bezahlten Frauenberuf.

BEZIRKSBLATT: Im Laufe der Jahre wird sich sicher vieles geändert haben?
Hammer:
Ja, sehr viel. Als ich vor 35 Jahren im Fulpmer Kindergarten zu arbeiten begann, gab es zwei Gruppen mit je 40 Kindern. Das wäre heute nicht mehr vorstellbar.

BEZIRKSBLATT: Warum?
Hammer:
Früher haben sie sich selbst beschäftigt, auch die Kindergartenzeit insgesamt war sehr verkürzt. Das alles hat sich verlagert. Die Gruppen haben heute eine Größe von maximal 25 Kindern, demnächst wird diese Zahl noch auf 20 gesenkt. Zudem sind die Kinder heute viel jünger. Anstatt ab einem Alter von vier kann man sie jetzt schon ab drei Jahren vorbeibringen. Früher sollten sie sauber sein und gewisse Voraussetzungen mitbringen, das kann man jetzt nicht mehr verlangen.

BEZIRKSBLATT: Die Kleineren beanspruchen die „Tanten“ also einfach noch mehr?
Hammer:
Genau. Deshalb haben wir auch in jeder Gruppe eine zweite Kraft – in welcher Form auch immer – dafür gebührt der Gemeinde Fulpmes ein großer Dank! Eine Kindergartenpädagogin alleine würde es nicht schaffen.

„Kinder werden da abgeholt, wo sie alterstechnisch gerade sind“

BEZIRKSBLATT: Sind die Kinder insgesamt auffälliger geworden?
Hammer:
Nein. Die Masse nicht, aber es kommt des Öfteren vor, dass wir Kinder mit körperlicher Behinderung, Autisten oder Entwicklungsrückständige dabei haben. Die werden dann – wie es seit 1992 Gesetz ist – mittels Einzelintegration an die Gruppe herangeführt. Das heißt, eine Stützkraft gibt ihnen die Hilfestellung und bewegt sich mit dem Kind unter Anleitung der Pädagogin in der Gruppe. Das ist sehr wertvoll, denn einerseits können auffälligere Kinder so im Dorf und in der Gemeinschaft bleiben und andererseits lernen damit die anderen Kinder emotionales und soziales Verhalten. Also nicht ausschließen, sondern mitnehmen, lautet die Devise!

BEZIRKSBLATT: Der Migrantenanteil ist in Fulpmes sehr hoch. Führt das zu Problemen?
Hammer:
Seit Jahren beträgt er immer ein Drittel, im Kindergartenjahr 2011/12 wird er sogar noch höher sein. Trotzdem machen wir keine eigene Gruppe, sondern mischen. Ja, das ist viel, aber gröbere Probleme gibt es keine. Es kommt schon vor, dass die Buben mal etwas in die Macho-Pascha-Rolle rutschen und/oder etwas aggressiver sind, aber alles in allem fühlen sie sich wohl, lassen sich von uns führen und was sagen. Auch die Eltern freuen sich, dass ihre Kinder gut aufgehoben sind, sind aufgeschlossen und für jeden Ratschlag dankbar. Ich sage immer: Ganz normal über alles reden, wie man in den Wald reinschreit, so kommt es zurück!

BEZIRKSBLATT: Dennoch wird das eine zusätzliche Herausforderung darstellen?
Hammer:
Das stimmt. Aber im Haus wird schon seit 1988 Integration betrieben. Die Kinder lernen bei uns Deutsch, was anfangs immer eine sehr aufopfernde und mühsame Arbeit ist, denn die Mädchen und Buben kommen teils mit sehr geringen Kenntnissen bzw. sprechen manchmal noch nicht einmal die eigene Muttersprache.

BEZIRKSBLATT: Aber der Wille ist da?
Hammer:
Auf jeden Fall! Und die Kinder lernen ja schnell. Dennoch: Kaum ist der Kindergarten zu Ende, wird oft wieder nur türkisch geredet. Das macht‘s nicht einfacher! Dazu muss man wissen, dass im Kindergarten früher ausschließlich Deutsch gesprochen wurde. Heute muss die Muttersprache die erste Sprache sein, die vom Kind beherrscht wird.

BEZIRKSBLATT: Gibt es keine Hilfestellungen?
Hammer:
Doch, aber nur bedingt. Einmal pro Woche besucht uns die Sprachförderpädagogin des Landes. Sie kooperiert mit uns, ist aber nur für zwei Stunden im Haus. Das bringt leider nicht allzu viel.

BEZIRKSBLATT: Stadt kontra Land – wo sehen Sie die Vorteile?
Hammer:
Bei uns ist alles familiärer, wir haben die Möglichkeit in den Wald zu gehen etc. Dazu möchte ich aber hervorheben, dass wir eine Bildungseinrichtung und keine Betreuungs- oder Aufbewahrungsstation sind! Wir arbeiten nach einem Bildungsplan, haben Schwerpunkte und Ziele. Die dahingehenden Projekte werden mittlerweile immer öfter unter Einbeziehung der Eltern umgesetzt. Wir widmen uns Themen wie gesunder Ernährung, verschiedenen Bewegungsarten, der Natur mittels regelmäßigen Waldausgängen, man kann Englisch lernen usw.

BEZIRKSBLATT: Man beschreitet also pädagogisch neue Wege?
Hammer:
Ja! Heute ist generell alles viel offener und freier. Das Konzept der Freiräume in den Gruppenräumen haben wir in Fulpmes schon lange aufgegriffen – das ist das Um und Auf! Es gibt bei uns auch eine Montessori-Gruppe, in den anderen fließen verschiedene Formen und Strukturen ein. Man geht heute viel intensiver auf die Kinder ein, es ist alles nicht mehr so starr, im Gegenteil: Die Betreuung wird so flexibel wie irgend möglich gestaltet: So wie die Tagesverfassung des Kindes ist, so wird gearbeitet.

Pensionierung steht bevor

BEZIRKSBLATT: Von drei bis sechs Jahren – in dem Alter ein beträchtlicher Unterschied – wie wird damit umgegangen?
Hammer:
Mehrmals pro Woche werden Ältere und Jüngere geteilt, die übrige Zeit sind alle zusammen, was wiederum für Kinder ohne Geschwister etc. von Vorteil ist. Der Kindergarten soll eine Insel des Wohlbefindens sein. Früher war das Zuhause der Mittelpunkt, heute stellen wir oft den Mutterersatz dar. Da sollen die Kinder das ganze Paket kriegen. Im Telfer Kindergarten wurde dazu ein schöner Leitspruch verfasst: „Was wir früh in junge Herzen pflanzen, trägt vielerlei Früchte“.

BEZIRKSBLATT: In eineinhalb Jahren werden Sie pensioniert, haben Sie sich bis dahin noch Größeres vorgenommen?
Hammer:
Grundsätzlich läuft der Betrieb gut, die Kleinen werden bestens umsorgt. Es gibt also nichts, was jetzt unbedingt von heute auf morgen geändert werden müsste. Aber eine letzte große Aufgabe wartet noch: Ich möchte einen Folder mit Inhalten zum pädagogischen Konzept erstellen. Worauf wird bei uns Wert gelegt etc.

BEZIRKSBLATT: Und dann geht eine sehr schöne Zeit zu Ende?
Hammer:
In der Tat! Ich übe meinen Beruf mit Leib und Seele aus und freue mich jetzt zu Recht auf meine Pension und auf einen neuen Lebensabschnitt.

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